Zypern: Reiche könnten 40 Prozent verlieren
In der Nacht auf Montag haben sich die Ereignisse überschlagen. Nach stundenlangen Verhandlungen in Brüssel gab es einen Deal (Details lesen Sie hier), das dringend notwendige Hilfspaket für Zypern wurde durchgeboxt, Zypern ist gerettet. "Wir werden wieder auf die Beine kommen", verkündete Staatspräsident Nikos Anastasiades im TV.
Doch die Krise im hochverschuldeten Mittelmeerland und die europaweite Debatte um die Sicherheit der Spareinlagen gehören deshalb nicht der Vergangenheit an.
Turbulent
Die Finanzmärkte sind nervös, sie wissen nicht so recht, wohin die Reise geht. Aus Protest gegen die geplante Zerschlagung der Bank of Cyprus ist ihr Chef Andreas Artemi am Dienstag zurückgetreten.
Die zypriotischen Banken sollen erst an diesem Donnerstag wieder öffnen. Zu groß sind die Befürchtungen, dass die Kunden die Filialen stürmen und ihre Ersparnisse abziehen.
In den Straßen der Hauptstadt Nikosia schrien sich Schüler und Studenten ihren Frust von der Seele (siehe Bilderstrecke unten), sie fürchten um ihre Zukunft. Andere wiederum um ihre in Zypern gebunkerten Gelder.
Good Bank & Bad Bank
Fix ist: Alle Spareinlagen unter 100.000 Euro bleiben unangetastet. Die Laiki Bank (auch Popular Bank of Cyprus), das zweitgrößte Finanzinstitut des Landes, wird in eine „Good Bank“ und eine „Bad Bank“ gespalten. Die „Good Bank“ enthält alle Einlagen unter 100.000 Euro sowie neun Milliarden an offenen Notkrediten der EZB. Sie wird Teil der Bank of Cyprus.
Die „Bad Bank“ wird aufgelöst – dabei werden Aktien, Anleihen und Einlagen über 100.000 Euro fast oder ganz einbehalten. Dies soll 4,2 Milliarden Euro der benötigten 5,8 Milliarden bringen.
Das Zittern der Reichen
Denn reiche Anleger in Zypern könnten etwa 40 Prozent ihrer Geldanlagen auf der Mittelmeerinsel verlieren. Auf diesen Abschlag könnte sich der Beitrag summieren, den wohlhabende Sparer zur Sanierung des überdimensionierten Bankensektors leisten sollen. Finanzminister Michalis Sarris nannte dies am Dienstag im britischen Sender BBC eine realistische Größenordnung. Bisher war über einen Abschlag zwischen 30 und 50 Prozent spekuliert worden.
Die Euro-Gruppe hatte ursprünglich für reiche Kontoinhaber einen Abschlag von knapp zehn Prozent gefordert. Diesen Plan lehnte das Parlament in Nikosia aber wegen der zugleich geplanten Beteiligung von Kleinsparern ab.
EU-Debatte: Hohe Bankeinlagen bei Pleiten heranziehen?
Auch in anderen EU-Ländern sorgen sich Bürger um ihre Ersparnisse.
Denn Bankeinlagen von mehr als 100.000 Euro sind nach einem schon länger vorliegenden Gesetzesentwurf der EU-Kommission nicht vor Totalverlust bei Banken-Pleiten geschützt. Im Entwurf der Regeln zur Abwicklung von Banken sei es nicht ausgeschlossen, das Guthaben über der gesetzlich geschützten Summe von 100.000 Euro zur Bankenrestrukturierung verwertet werden könnten, erklärte die Sprecherin von EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier am Dienstag in Brüssel.
"Die Diskussion darüber läuft aber noch, es gibt dazu noch keine Einigung", ergänzte sie. Ersparnisse unter 100.000 Euro, die von der gesetzlichen Einlagensicherung garantiert werden, seien aber auf jeden Fall kein Thema.
Das Rettungspaket für Zypern sieht vor, dass Einlagen über 100.000 Euro in der Pleitebank Laiki zum Teil verloren gehen. Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem hatte in einem Interview mit Reuters erklärt, dies könne auch bei künftigen Rettungsfällen gelten. Er ruderte später aber zurück: Dies sei so nicht gemeint gewesen, Zypern sei als Einzelfall zu sehen.
Juli 1985: Die peruanische Regierung beschließt Ende Juli eine zweitägige Schließung von Banken und Wechselstuben. Das Wirtschafts-und Finanzministerium begründet dies damit, dass so "die Durchführung des neuen Wirtschaftsprogramms erleichtert werden" solle. Die Regierung wollte die zunehmende Verwendung des US-Dollar im inländischen Zahlungsverkehr bekämpfen.
November 1997: In Indonesien schließen am 1. November gleich 16 insolvente Banken. Damit soll das schwer angeschlagene Finanzsystem stabilisiert werden. Der Finanzminister sagt, dass die betroffenen Banken so insolvent seien, dass sie das Geschäftsleben gefährdeten und das Bankensystem störten. Die Liquidierung der Kreditinstitute gehört zu den Bedingungen des Internationalen Währungsfonds für eine Kredithilfe von 23 Milliarden Dollar zur Sanierung der Wirtschaft.
April 2002: In Argentinien verabschiedet das Parlament am 25. April ein Gesetz zur Blockade von Sparguthaben. Das ist die Voraussetzung, damit die seit 22. April geschlossenen Banken wieder öffnen können. Wegen der schweren Finanzkrise sind da bereits seit Dezember 2001 die Guthaben der Sparer eingefroren.
Juli 2002: Die Regierung Uruguays ordnet am 30. Juli die Schließung der Banken an. Das Land leidet wie der Nachbar Argentinien unter einer Vertrauenskrise und Kapitalflucht ins Ausland. Vor dem Schritt der Regierung gab es in Uruguay einen Sturm der Sparer auf Konten. Der Dollarkurs schoss innerhalb weniger Stunden von 29 Pesos auf 35 Pesos in die Höhe. Am 5. August öffnen die Banken wieder, die USA gewähren einen Sofortkredit über 1,5 Milliarden US-Dollar.