Wirtschaft

Zwischen Teilzeit und Überstunden

Würden in den Betrieben alle Mitarbeiter so viele Stunden arbeiten, wie sie tatsächlich wollen, gäbe es 50.000 Vollzeitarbeitsplätze mehr in Österreich. Zumindest nach einer Rechnung der Arbeiterkammer (AK). Die genannte Summe ergibt sich aus dem Saldo jener Menschen, die weniger arbeiten wollen (610.000 oder 17,5 Prozent der unselbstständig Beschäftigten), und jener, die ihre Arbeitsstunden aufstocken wollen (304.000 oder 8,7 Prozent). Die Rechnung ist allerdings eine theoretische.

Praktisch sind jene, die unter Überstunden stöhnen, und jene, die keinen Vollzeitjob finden, selten direkte Kollegen. Am meisten Überstunden leisten Führungskräfte und Menschen mit Uni-Abschluss – beide Gruppen haben in der Regel All-in-Verträge und sind damit am stärksten von unbezahlten Überstunden betroffen, belegt etwa eine Studie des WIFO.

Glaubt man den Zahlen der AK, wurden 2014 269 Millionen Überstunden geleistet, ein Fünftel davon unbezahlt (bei Frauen sogar ein Viertel). Wie es zu einer so hohen Zahl von unbezahlter Arbeit kommt, liegt für AK-Präsident Rudolf Kaske auf der Hand: "Für Unternehmen hat das keine Konsequenzen. Werden sie erwischt, müssen sie nur nachzahlen, was ohnehin fällig gewesen wäre."

Kaske will, dass künftig mutwillig vorenthaltene Überstunden doppelt ausgezahlt werden müssen – und dass Unternehmen die Arbeit überhaupt besser auf die Mitarbeiter verteilen. Helfen soll dabei ein Überstunden-Euro, den Unternehmer schon ab der ersten Überstunde des Mitarbeiters als Abgabe entrichten müssen. Zudem fordert er, dass Teilzeitmitarbeiter künftig bei der Besetzung von Vollzeitstellen im Unternehmen Vorrang bekommen sowie eine sechste Urlaubswoche für alle nach 25 Arbeitsjahren.

"Herumdoktern"

In der Wirtschaftskammer macht er sich mit diesen Forderungen naturgemäß keine Freunde. "Laut unseren Umfragen sind 80 bis 90 Prozent der Beschäftigten mit ihrer Arbeitszeit zufrieden", sagt Rolf Gleißner von der Sozialabteilung der Wirtschaftskammer Österreich. Das ist nicht weit vom Ergebnis der AK-Umfrage entfernt: Selbst laut dieser sind drei von vier Beschäftigten zufrieden. Deswegen lehnt es Gleißner auch ab, "am Arbeitsmarkt herumzudoktern". "Jobs schafft man nicht, indem man das Arbeitsrecht komplizierter macht oder die Lohnnebenkosten erhöht", ist er gegen neue Vorschriften. Die moderne Gesellschaft sei viel zu bunt, um ihr Einheitsgrößen drüberstülpen zu können.

Auch die Rechnung, dass durch eine Neuverteilung der Arbeit 50.000 Jobs entstehen könnten, kann Gleißner nicht nachvollziehen. Schließlich würden jene, die mehr Stunden arbeiten wollen, nicht einfach die Überstunden der anderen übernehmen können. Hohe Überstunden-Quoten gibt es laut Untersuchungen tendenziell in Bereichen, in denen die Arbeitslosigkeit gering ist, so Gleißner: "Nehmen Sie das Beispiel Arbeitszeitverkürzung bei Ärzten: Das hat nicht mehr Arbeitsplätze gebracht, sondern Probleme in der medizinischen Versorgung, weil es kaum arbeitslose Ärzte gegeben hat."

Arbeitszeit lasse sich eben nicht wie Kuchenstücke verteilen, lässt die Wirtschaftskammer der AK ausrichten.