WKÖ-Zwangsmitgliedschaft für Alten- und Pflegeheime
Von Anita Staudacher
Die Wirtschaftskammer hat für ihre eigene Budgetsanierung eine neue Einnahmequelle gefunden: Alten- und Pflegeheime. Fast unbemerkt von der Öffentlichkeit beschloss der Nationalrat am Donnerstagabend mit Koalitionsmehrheit eine Novelle zum Wirtschaftskammergesetz (WKG). Diese macht unter anderem auch alle gemeinnützigen Alten- und Pflegeheime zu beitragspflichtigen Mitgliedern der Wirtschaftskammer (WKÖ).
"Der Verfassungsgerichtshof hat entschieden, dass Gemeinnützigkeit für eine Mitgliedschaft keine Rolle spielt", beruft sich WKÖ-Rechtsexperte Ulrich Zellenberg auf ein Höchstgerichtsurteil. Derzeit läuft aber noch ein Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof, dessen Entscheidung die WKÖ mit dem Gesetz zuvorkam. Private Pflegeeinrichtungen fallen bereits unter die Pflichtmitgliedschaft.
Absurdität
Die Hilfsorganisationen Diakonie und Volkshilfe zeigen sich vom Gesetzesbeschluss entsetzt und sprechen von einer „Absurdität“. „Wir können schon heute sagen, dass wir die Gelder für die Kammerumlage nicht aufbringen können“, sagt Michael Chalupka, Direktor der Diakonie Österreich. Weil man den Spendern die Finanzierung der Wirtschaftskammer nicht zumuten könne, müssten die Bundesländer, die Pflege zum Großteil finanzieren, einspringen. Erwin Berger von der Volkshilfe verweist darauf, dass die Pflegeheime nicht gewinnorientiert sind und auf Sozialhilfegelder angewiesen sind.
„Der Wirtschaftskammer geht es schlicht um die Kohle, wir haben gar keine Idee, wie sie uns Gemeinnützige denn vertreten will“, ärgert sich Berger. Wie teuer die Kammerumlage käme, zeigt eine Vorschreibung von 600.000 Euro allein für die Volkshilfe Steiermark (25 Heime, 2300 Mitarbeiter).
Die WKÖ versucht zu beruhigen und verweist auf die im Gesetz vorgesehene Sonderregelung bei der Kammerumlage. Mittel der Sozialhilfe sollen nicht in die Bemessungsgrundlage eingerechnet werden. Darauf können die Gemeinnützigen aber nur hoffen, denn es liegt im Ermessen des Kammerpräsidiums.
E-Wirtschaft bleibt Kammer fern
Im Gegensatz zu den Alten- und Pflegeheimen gelang es der heimischen E-Wirtschaft erfolgreich, sich gegen eine geplante Zwangsmitgliedschaft bei der Wirtschaftskammer zu wehren.
Seit 1953 sind die Energieversorger nach einem VfGH-Entscheid als Unternehmen der Daseinsvorsorge von der Pflichtmitgliedschaft ausgenommen. Durch die Marktliberalisierung sei diese Ausnahme nicht mehr argumentierbar, meint die WKÖ und will die Versorger seit langem zur Kasse bitten. Diese fürchten durch die Beitragszahlungen eine jährliche Belastung von 20 Millionen Euro und legen sich quer.
Die WKÖ plagen zunehmend Finanzierungssorgen. Trotz steigender Kosten stagnieren die Einnahmen aus der Kammerumlage heuer bei rund 187 Millionen Euro. Zudem tobt ein Streit mit der Gewerkschaft über den Selbstständigenstatus der rund 40.000 Personenbetreuer(24-Stunden-Betreuung).