Wirtschaftsdelikte: Frust hinterm Aktenberg
Von Anita Staudacher
Die Ermittler in den großen Wirtschaftskrimis des Landes, von Hypo Alpe-Adria über BUWOG bis Meinl, müssen sich vor allem eine Frage immer wieder anhören: Warum dauert es so lange, bis ihr die Fälle aufklärt? Walter Geyer, Leiter der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft, hat darauf eine einfache Antwort: "Ein Wirtschaftsdelikt ist kein Einbruch. Beim Einbruch steht die Tat fest und der Täter wird gesucht, beim Wirtschaftsdelikt muss ich erst suchen, was überhaupt strafbar ist – und wer der Täter ist." In einem Hintergrundgespräch versucht Geyer gemeinsam mit dem Bundeskriminalamt (BKA) die lange Verfahrensdauer anhand zahlreiche Tücken und Hürden zu erklären:
Sachverhalt: Finanz- und Wirtschaftsdelikte sind extrem komplex. Was moralisch verwerflich erscheint, muss noch lange nicht strafbar sein. Vieles ist laut Geyer ein "Grenzgang an der Linie des Gesetzes".
Täterprofil: Die Täter sind meist "gut ausgebildete Fachleute", die den Ermittlern einen Schritt voraus sind und tunlichst keine Spuren hinterlassen.
Aktenberge: Wirtschaftsfälle haben einen enormen Umfang. "Ganze Kisten und Schachteln mit Akten werden in unsere Büros gekarrt. Da kriegt man eine Depression", umschreibt Geyer. Allein die BUWOG-Akten seien übereinander gestapelt 150 Mal so hoch wie der Stephansdom. Dazu käme eine elektronische Datenflut.
Auslandskonten: Für Frust bei den Ermittlern sorgen globale Verflechtungen durch Offshore-Firmen auf Steueroasen oder Auslandskonten. Eine Konto-Öffnung dauert vier bis sechs Monate. Mehrere Konto-Öfffnungen können sich über Jahre ziehen. Rechtshilfe-Ersuchen werden je nach Land unterschiedlich rasch behandelt, Einfluss darauf haben die Ermittler keinen.
Rechtsmittel: In Fällen wie Meinl oder Hypo stehen Staatsanwälte und Ermittler einer Anwaltsarmada gegenüber, die jedes Rechtsmittel nützen, um ihre Mandanten vor Ermittlungen zu schützen. Diese "ausgeprägte Rechtsstaatlichkeit" werde im Wirtschaftsbereich oft zum Problem, meint Geyer.
Personalfrage: Heiß diskutiert wird die Quantität und Qualität der Ermittler. Aktuell kümmern sich 17 Staatsanwälte um Wirtschafts- und Korruptionsdelikte. Geyer hofft heuer noch auf 20: "Brauchen würden wir mehr." BKA-Chef Franz Lang verweist auf die Abteilung für Wirtschaftskriminalität mit mehr als 100 Ermittlern: "Ich halte SOKOs mit 15 bis maximal 30 Leuten für ausreichend." Der Personaleinsatz sei zu Beginn der Ermittlungen schwer vorhersehbar. Lang gibt zu, dass es ob der großen Arbeitsbelastung – "12 bis 14 Stunden am Tag" – auch eine Fluktuation gäbe. Um die Qualifikation zu verbessern, startet im Herbst ein eigener Lehrgang für Wirtschafts- und Cybercrime-Ermittlungen.
Für Wolfgang Hetzer, Experte für Wirtschaftskriminaltiät und Autor des Buches "Finanzmafia", nur ein erster Schritt. Er hält die Ausbildung der Ermittler für zentral: "Es gibt ein Kompetenzgefälle zwischen Täter und Ermittler. Das zu beheben kostet aber sehr viel Geld." Er hält auch eine psychologische Unterstützung für die unter Druck stehenden Ermittler für wichtig.
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