Wirtschaft

Mediencenter: Ein bitterer Nachgeschmack

Bürgermeister Michael Häupl hat wohl kaum erwartet, dass er sich derartigen Ärger einhandeln wird. Alles war perfekt geplant. Das Media Quarter Marx, kurz MQM, sollte ein Vorzeigemodell der Stadtentwicklung werden. Auf 35.000 Quadratmetern am Gelände der ehemaligen Schlachthöfe sollte Österreichs größter Mediencluster entstehen, wo sich kreative Köpfe vernetzen, digitale Nomaden ein Zuhause finden und Wien im Wettbewerb gegen die Metropolen München und Berlin mithalten kann.

Konzipiert als PPP-Modell (Public Private Partnership), einer Symbiose von privaten und öffentlichen Eigentümern. 40 Prozent hält die Stadt Wien über ihre Technologieagentur ZIT, 60 Prozent die Firma VBM. Anfänglich war der ehemalige Nationalbank-Präsident Adolf Wala, SP, Miteigentümer der VBM. Nach seinem Ausstieg wollte plötzlich niemand wissen, wem die VBM tatsächlich gehört und wer eigentlich der Partner der Stadt ist. Die Rathaus-Opposition begann, sich scharf auf das Projekt und auf Häupl einzuschießen. Bis die Stadt die Consultatio mit einer Prüfung beauftragte, deren Ergebnis die Recherchen des KURIER bestätigte. Hinter dem Mehrheitseigentümer des Media Quarters steht über Treuhänder der umstrittene kasachische Ex-Botschafter Rakhat Aliyev.

Dem ehemaligen Schwiegersohn des kasachischen Potentaten Nursultan Nasarbajev könnte der Mediencluster demnächst alleine gehören. Laut Notariatsakt vom 28. März 2011 hat Aliyev, der in Österreich etliche Strafverfahren am Hals hat und mittlerweile im Steuerparadies Malta sitzt, eine Option auf den Anteil der Stadt Wien. Um einen „wertgesicherten Gesamtabtretungspreis von 5,2 Millionen Euro“ kann die VBM der ZIT, also der Stadt Wien, ihre Anteile abkaufen. Oder „an eigener Stelle einen dritten Erwerber zu denselben Konditionen namhaft machen“.

Die VBM, sprich Aliyev, hat bis dato 6,9 Millionen Euro in das Media Quarter investiert, die Wirtschaftsagentur Wien brachte für ihre Tochter ZIT 4,52 Millionen Eigenkapital ein. Der Herr Ex-Diplomat kann somit um insgesamt nur 12,1 Millionen Euro Alleinbesitzer des zentralen Teiles eines ganzen Stadtentwicklungsgebietes werden. Oder er könnte einen neuen Partner an Bord holen, ohne dass die Stadt Wien darauf Einfluss nehmen kann.

Die Mieteinnahmen aus den Verträgen mit den Medienunternehmen – von der Wiener Zeitung und dem Echo-Medienhaus bis zu Puls 4 – summieren sich auf rund 3,64 Millionen Euro im Jahr.

Die Option läuft mit Jahresende 2013 aus. Ob Aliyev diese ziehen wird – formal verfügt Ehefrau Elnara Shorazova über die VBM – ist derzeit noch offen. Aliyev-Anwalt Otto Dietrich will „zu wirtschaftlichen Belangen“ seines Mandanten keine Stellungnahme abgeben. Das Kleingeld für den Kaufpreis dürfte für den vermögenden Aliyev kein Problem sein.

Für die ZIT „war von Anfang an klar“, dass die Stadt die Immobilie in St. Marx verwertet, heißt, an den privaten Partner verkauft. Das sei der Sinn von PPP-Modellen. „Die Option sichert der Stadt einen soliden Verkaufspreis und die Sicherheit, aus allen Gewährleistungs- und Haftungsrisiken draußen zu sein“, erklärt ZIT-Sprecherin Ursula Kainz.

Der Rechnungshof hat sich bereits mit der Option beschäftigt und moniert, dass keine Sicherstellung des Kaufpreises durch eine Bankgarantie oder Treuhandschaft vereinbart wurde, sodass die ZIT „das Risiko der Einbringlichkeit zu tragen hat“. „Die VBM kriegt die Anteile erst, wenn gezahlt wurde“, kontert Kainz.

Weil die VBM die von FPÖ und ÖVP initiierte Prüfung des Media Quarters durch den Rechnungshof abblockte, legte dieser beim Verfassungsgerichtshof Beschwerde ein. Für den Rechnungshof ist die Angemessenheit des Optionspreises ein „Hauptthema der Gebarungsprüfung“.

Wie geht’s weiter, sollte Aliyev die Option verfallen lassen? Darüber hat sich die ZIT noch nicht den Kopf zerbrochen. Kainz: „Das werden wir dann prüfen“.

„Diese Partnerwahl ist nicht nachvollziehbar. Die Stadt Wien und Bürgermeister Häupl sind nicht bereit, dazu etwas zu sagen“, ärgert sich ÖVP-Gemeinderat Wolfgang Ulm. Immerhin gehe es darum, „dass Grund und Boden der Stadt an Private, nämlich eine kasachische Familie, verscherbelt werden“. Die Stadt brachte ja das Grundstück ein. Jeder Verkauf von Stadt-Immobilien müsse normalerweise durch den Gemeinderat. „Eine trickreiche Vorgangsweise und kein transparenter Umgang mit Gemeindevermögen“, kritisiert Ulm.

Ende 2013 läuft eine weitere Option in St. Marx aus. Der ORF sicherte sich 2012 für 240.000 Euro unmittelbar neben dem Media Quarter ein Grundstück der Wiener Stadtentwicklungsgesellschaft WSE. Für den Fall, dass die Zentrale des staatlichen Senders vom Küniglberg dorthin übersiedelt, was Häupl sehr goutiert hätte. Denn mit dem ORF als Nachbarn würde das Mediencenter enorm aufgewertet. Als um die Standort-Entscheidung im ORF ein heftiger Schlagabtausch entbrannte, wurde die Option um ein Jahr kostenlos verlängert.

Mittlerweile ist fix, dass der ORF am Küniglberg bleibt und die Option verfallen lässt. Offen ist nur noch, ob die Standorte Heiligenstadt (Ö 3) und Argentinierstraße (Radio) bestehen bleiben oder auch auf den Berg verlegt werden. Kommentar der ZIT: „Unser Medienstandort funktioniert auch ohne den ORF “.

Aliyev behauptet übrigens in seinem heuer erschienenen Buch „Tatort Österreich“ im Kapitel „St. Marx – das Debakel von Wien“: „Alle Verantwortlichen der Stadtpolitik – mit Bürgermeister Michael Häupl an der Spitze – wussten vom ersten Tag an ganz genau, wer ihr Mehrheitspartner ist – nämlich ich“. Auch SP-Vizebürgermeisterin Renate Brauner sei eingeweiht gewesen. Er erinnere sich daran, wie er Brauner die Partnerschaft mit der Stadt bei einem Spiel der Vienna Capitals „erfolgreich schmackhaft gemacht habe“.

Umso weniger verstehe er den „medialen Sautanz“ der 2012 fünf Jahre nach der Gründung des MQM begann. Als „Höhepunkt des Wahnsinns“ bezeichnet der Autor die Prüfung der Besitzverhältnisse durch die Consultatio. Die Recherchen seien nicht nötig gewesen und eine unnötige Verschwendung von Steuergeld.

Häupl lässt über seinen Sprecher ausrichten, „das ist so abstrus, dass es nicht einmal wert ist, so was zu dementieren“. Auch Brauner reagiert empört: „An den Haaren herbeigezogener, völliger Unsinn“. Es habe nie Gespräche mit Aliyev in irgendeiner Form gegeben. Außerdem sei sie zum Zeitpunkt der Vertragsverhandlungen als damalige Gesundheitsstadträtin „noch nicht einmal zuständig“ gewesen“.

Rakhat Aliyev war Chef der Steuerfahndung, stellvertretender Chef des Geheimdienstes KNB sowie Mitgründer und Hauptaktionär der Nurbank. Durch die Heirat mit Dariga Nasarbajewa, der ältestens Tochter des kasachischen Herrschers Nursultan Nasarbajew, drang er in den innersten Machtzirkel vor. 2001 kam es zu Bruch mit dem Schwiegervater, der ihm einen Putschversuch vorwirft. 2002 wurde Aliyev als Botschafter nach Wien abgeschoben.

Seit Mai 2007 ermitteln die kasachische Behörden wegen der angeblichen Entführung zweier Nurbank-Manager. Nachdem 2011 ihre Leichen gefunden wurden, sieht sich Aliyev mit Mordvorwürfen konfrontiert. Aliyev wird aber von Österreich nicht ausgeliefert, weil er in Kasachstan kein faires Verfahren erwarten kann. Die Vorwürfe muss nun die Staatsanwaltschaft Wien prüfen. Aliyev sieht sich als Opfer einer politischen Intrige. Die Bankmanager, die ihn vorher betrogen hätten, wären tatsächlich vom KNB ermordet worden. Seit dem Jahr 2007 macht Nasarbajews Geheimdienst KNB Jagd auf ihn . Aliyev lebt derzeit unter dem Namen seiner neuen Ehefrau Shoraz in Malta.