Wirtschaft

Wie viel Arbeitslosigkeit importiert ist

Als eines der letzten Länder hat Österreich im Mai 2011 seinen Arbeitsmarkt für Bürger aus den 2004 beigetretenen EU-Ländern vollständig freigegeben. Für die Wirtschaft kam der Schritt nach siebenjähriger Übergangsfrist mit Fachkräfteregelung schon fast zu spät, Gewerkschaften fürchteten Lohndumping und einen Verdrängungskampf um Jobs.

Ernüchterung

Fünf Jahre nach der Liberalisierung herrscht Ernüchterung. Seit 2011 steigt die Arbeitslosigkeit ununterbrochen, bei Ausländern doppelt so stark wie bei Inländern. Gab es 2010 im Jahresschnitt 48.000 Arbeitslose mit ausländischen Pass, so waren es 2015 schon mehr als 96.000. Die Beschäftigung stieg im selben Zeitraum von 451.000 auf 615.000, der Fachkräftemangel existiert nach wie vor. Mehr als zwei Drittel des Zuzugs entfällt auf die neuen EU-Länder, insbesondere auf Ungarn, Polen und Rumänen. Letztere haben gemeinsam mit den Bulgaren erst seit Mai 2014 vollständigen Zugang.

Welche Auswirkungen die Ost-Öffnung auf den heimischen Arbeitsmarkt tatsächlich hat, ist kaum erforscht. Das WIFO registrierte zwar schon 2012 – ein Jahr nach der Liberalisierung – Verdrängungseffekte zwischen schon länger in Österreich befindlichen und neuen, besser qualifizierten Ausländern im Niedriglohnsektor, seither geschah aber wenig.

Nun lässt eine aktuelle Studie der Bank-Austria-Ökonomen zu den Wanderungsbewegungen innerhalb der EU aufhorchen. Sie weist einen Zusammenhang zwischen der hohen Zuwanderung und der Arbeitslosenquote nach.

Demnach wäre zwischen 2013 und 2015 die Arbeitslosenquote (EU-Definition) in Österreich von 5,4 auf 4,4 Prozent gesunken, wenn das Arbeitskräfteangebot nicht gestiegen, sondern gleich geblieben wäre. Stattdessen ist sie auf 5,7 Prozent angestiegen. Grund dafür war auch die schwache Konjunktur, die zu wenig neue Jobs schaffte. Dazu kommt die steigende Beschäftigung bei Frauen sowie bei den Älteren wegen der Pensionsreform.

Abwanderung

Ganz anders verläuft die Entwicklung in den osteuropäischen EU-Ländern. Laut Studie stammen drei Viertel der EU-Bürger, die in den vergangenen zwei Jahren für den Job ihr Heimatland verließen, aus den neuen Mitgliedsstaaten. In neun EU-Staaten hat in diesem Zeitraum das Arbeitskräfteangebot abgenommen, darunter auch die krisengeplagten südeuropäischen Länder Spanien, Portugal und Zypern.

Weil weniger Menschen eine Arbeit im Inland suchen, wirkte sich die Abwanderung positiv auf die Arbeitslosenquote in diesen Ländern aus. Tschechien, Ungarn und Polen haben Österreich im EU-Vergleich der Gesamtarbeitslosigkeit längst überholt, im September wies sogar Rumänien eine niedrigere Quote (6 Prozent) als Österreich (6,2 Prozent) aus.

Langfristig drohe durch diese Abwanderung "der Verlust besonders qualifizierter Menschen", erwartet Bank-Austria-Ökonom Walter Pudschedl. Uneinig sind sich Experten, wie sich eine anziehende Konjunktur in Österreich auf diese Wanderbewegung auswirken wird. Von der erhofften Angleichung der Gehälter zwischen Österreich und seinen östlichen Nachbarländern kann jedenfalls (noch) keine Rede sein.