Wirtschaft

Wie die Modebranche Kunden verführt

Der Schein trügt nicht: Mitunter hat die Hose im Geschäft wirklich eine bessere Figur gemacht als zu Hause. Weil der Spiegel in der Boutique schlanker macht als jener zu Hause und das Licht dort auch schmeichelhafter ist. Das ist freilich kein Zufall. Die Händler greifen tief in die Trickkiste, um zum Kauf zu animieren, erzählt Steve Collis bei einer Shoppingtour durch die Londoner Oxford Street frei von der Leber weg. Der Architekt arbeitet beim britischen Consulter JHP, der Händler und Shoppingcenter berät. Unter den Kunden: DKNY, Esprit, Swarovski oder Interspar.

"Es geht darum, Träume zu verkaufen", bringt es Collins auf den Punkt. Und die Einstimmung auf die große Shoppingtour passiert oft relativ subtil. Etwa mit dem richtigen Duft oder der richtigen Musik. "Die Leute vergessen diese Details sofort wieder. Aber sie fühlen sich im Shop wohl, bleiben länger und kaufen." Am Wohlfühlbarometer wird auch mittels Klimaanlage gedreht – etwa im Textilhandel. Tüftler stellen an heißen Sommertagen die Klimaanlage bei den Umkleidekabinen ein bisschen tiefer ein. Da fühlt sich der Kunde gleich frischer und damit auch fit für den großen Einkauf.

Tanzende Models

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Wirklich geschafft haben es Marken, die sogar auf Auslagen und Namensschild verzichten, wie die US-Marke Abercrombie & Fitch. Ihre Fans finden den Laden auch ohne Leuchtreklame. Von dezenter Hintergrundmusik kann bei A&F keine Rede sein. "La gente esta muy loca", tönt es lautstark aus den Boxen, tanzende Models sorgen für Partystimmung. Am Eingang lassen sich Kundinnen mit halb nackten Männern mit Waschbrettbauch fotografieren, im halbdunklen Shop beleuchten Spots die Ware. Teilweise liegen die farblich penibel sortierten Shirts wie Kunst hinter Glas. Ein Schmäh, versteht sich. Die selbe Ware wird nebenan aus den Regalen gerissen. Wer in Parfümerien regelmäßig Niesanfälle bekommt, hat hier übrigens ein ähnliches Problem. Ständig versprüht jemand den hauseigenen Duft – auch weil er ihn gleich mit nach Hause nehmen will. Den Kunden gefällt’s – ein Teil nach dem andern wird an die Kassa getragen. Inszenierung ist die halbe Miete, sagen die Experten.

Seide und Sandwich

Das gelingt auch der Textilkette Top Shop, die zur größten britischen Mode-Gruppe, Arcadia, zählt. Im Laden in der Oxford Street bekommt man alles, was man "für die Party am Samstagabend braucht", findet Collins: Mode nach Themenwelten sortiert, ein Lokal, in dem man sich stärken und mit der Freundin das Abendprogramm ausdiskutieren kann. Und man kann auch gleich zum Friseur, zur Maniküre und zur Typberatung gehen. Collins meint, dass diese Rundum-Konzepte stark im Kommen sind. Und jeder Laden seinen eigenen, unverkennbaren Stil braucht. Wer an der Kassa steht, muss auch nicht hungern. Entlang der Warteschlange – Briten stellen sich bekanntlich lieber an als Österreicher – gibt es Boxen mit Mitnahmeartikeln vom Geldbörserl bis hin zur Haribo-Packung.

Trendig ist auch der Laden von Urban Fitters nebenan. Eigentlich wirkt er wie eine Baustelle: Baugerüste, Helme und Holzbretter, die den Geruch von frischem Holz verbreiten. Zwischen den Textilien stehen Feuerlöscher, Schallplatten und Klimbim wie Kaffeetassen. Collins: "Der Kunde muss auch überrascht werden."

Mehr kleine Markenshops, weniger Bauchläden

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Ob Cremen von Nivea, hochpreisige Uhren von Omega oder sportliche Mode von Puma: Die Hersteller bauen ihren Marken eigene Shops, um sie ordentlich in Szene zu setzen. Auf die Bauchläden der großen Handelsketten wollen sie sich offensichtlich nicht mehr verlassen.

"Der Trend geht klar hin zu Monostores", formuliert es Marcus Wild, Chef der Spar European Shopping Center (SES). In Österreich gehören 13 Einkaufscenter zur Gruppe, darunter der Europark in Salzburg. Wie erfolgreich der Vertrieb über eigene Läden und Websites sein kann, machen große Marken wie Nes­presso oder Apple vor. Sogar der größte Online-Händler der Welt, Amazon, will sich in Seattle mit seinem ersten Store ein Gesicht geben.

Markenshops

Die Bauchläden – im Fachjargon Multilabel-Stores genannt – kommen laut Wild zunehmend unter Druck. Der Branchenmix und die Filialgrößen in Einkaufsstraßen und Shoppingcentern wird sich ändern, ist er überzeugt.

Auch weil immer mehr im Internet gekauft wird, wo der billigste Anbieter bequem von der Wohnzimmercouch aus ausfindig gemacht werden kann. Vor allem die Elektronikbranche bekommt das zu spüren und investiert in eigene Onlineshops. Gespart wird dagegen bei der Anmietung von Verkaufsflächen. Auch die Buchhandelskette Thalia hat bereits angekündigt, dass ihre Filialen künftig kleiner ausfallen werden.

Experten wie der Handelsberater Peter Györffy sind überzeugt, dass der aufstrebende Onlinehandel die Flächen im stationären Handel auf Schrumpfkurs schicken wird. Györffy: "Jede Wette: Das passiert in den nächsten fünf Jahren."

Wild will davon naturgemäß nichts hören. Auch wenn sich große Handelshäuser mit weniger Platz begnügen, würde die Zahl der Markenhersteller mit eigenen Shops steigen, so sein Standpunkt.