Semperit-Gruppe eröffnet Europas größtes Fördergurtenwerk in Polen.
Fast befremdlich wirken ein paar einsame Windräder am Rande der Autobahn nach Bełchatów nahe Łódź. Hier, im Kohle-Mekka, wird "Erneuerbare Energie" etwas anders definiert: Eine Grube macht zu, die andere auf.
Alle Inhalte anzeigen
Die über die Jahre schon fast gänzlich ausgebeutete Braunkohle-Mine
Bełchatów ist so groß wie der Wolfgangsee, 150 Millionen Tonnen
Kohle werden dort jährlich gefördert und im größten Kohlekraftwerk des Landes verheizt. 20 Prozent des polnischen Strombedarfs deckt
Bełchatów ab, der hohe CO
2-Ausstoß macht die Anlage zur schmutzigsten in
Europa. Die Abgase in der Luft sind kilometerweit zu riechen.
Kohle-Mekka
Trotz der strengen EU-Klimaziele führe an der Kohle kein Weg vorbei, meinen die Minenbetreiber. Polen sei zu 90 Prozent Kohle-Land und werde es wohl auch bleiben. Für reichlich Nachschub ist schon gesorgt. Nur wenige Kilometer von Bełchatów wird eine weitere Grube ausgehoben, die Vorräte sollen dort bis 2038 reichen.
Alle Inhalte anzeigen
Für die Kohle-Region überlebenswichtig, schließlich hängen Tausende Arbeitsplätze an der Braunkohle. Umweltaktivisten sind hier nicht zu finden.
Alle Inhalte anzeigen
Beim Minen-Besuch des KURIER fallen die riesigen Bagger-Ungetüme auf, die in 200 Meter Tiefe
Kohle abtragen. Die Förderung läuft sieben Tage die Woche rund um die Uhr. Am laufenden Band wird Aushub-Material und
Kohle aus der
Mine befördert. Das Band, quasi die Lebensader des
Bergwerks, stammt vom österreichischen Gummikonzern
Semperit. Etwa ein Viertel der insgesamt 300 Kilometer langen Bahnen quer durch die
Mine produzierte die Semperit-Sparte
Sempertrans gleich direkt in
Bełchatów.
Alle Inhalte anzeigen
So gewöhnlich die Gurte aussehen, es steckt viel Hightech in ihnen. "Fördergurte sind komplexe Systeme, die auch bei widrigsten Bedingungen funktionieren müssen", erläutert Sempertrans-Chef Boris Illetschko. Die Kombination aus speziellen Gummimischungen und eingearbeiteten Stahlseilen soll auch helfen, den Stromverbrauch für die Förderanlagen zu reduzieren. Die Mine Bełchatów ist ein wichtiger Kunde für Sempertrans, doch längst nicht der einzige. Das Unternehmen zählt neben Conti zu den größten Fördergurte-Anbietern weltweit, Kupferminen in Südamerika nutzen die Produkte ebenso wie die Stahl- und Zementindustrie oder Seehäfen.
Werkserweiterung
Steigende Nachfrage kommt vor allem aus Asien und Südamerika, wo die Förderung von Rohstoffen wie etwa seltene Erden boomt.
Alle Inhalte anzeigen
Um die Nachfrage befriedigen zu können, verdoppelt
Semperit bis 2017 die Kapazität im Werk
Bełchatów. Auch die nötigen Stahlseile werden künftig vor Ort produziert. Die ersten neuen Fertigungslinien wurden diese Woche feierlich in Betrieb genommen. Der KURIER wurde zur Eröffnung eingeladen. "Durch die Erweiterung sind wir das größte
Fördergurtenwerk Europas", sagt
Illetschko. Trotz weitgehender Automatisierung werden zusätzlich 100 Techniker-Jobs in
Bełchatów geschaffen.
Für Semperit-Chef Thomas Fahnemann ist Polen "ein idealer Industriestandort in Europa": Die Mitarbeiter seien hochqualifiziert und die Energiekosten wettbewerbsfähig. 40 Millionen Euro gibt der Konzern aus Wimpassing/NÖ für die Werkserweiterung aus. Die Gurte werden in bis zu fünf Tonnen schweren Rollen per Lkw und Schiff quer über die Kontinente transportiert. Neben Polen gibt es noch weitere Werke in Frankreich, China und Indien.
Im Kohle-Land Polen sorgen wieder aufkeimende Diskussionen über den Bau eines Atomkraftwerkes für Unruhe. Der lokale Sempertrans-Manager ist strikt dagegen. Der Grund: "Atomkraftwerke brauchen keine Fördergurte".
Sempertrans ist eine von vier Geschäftssparten der niederösterr. Semperit-Gruppe und war zuletzt für 17 Prozent des Umsatzes verantwortlich. Die Sparte beschäftigt ca. 1000 Mitarbeiter an vier Standorten. Ein fünfter in den USA wird gerade sondiert. 2014 betrug der Umsatz 146 Mio. Euro, der Gewinn (Ebitda) 21 Mio. Euro.