Wertpapier-KESt: Gutachten sieht verfassungsrechtliche Hürden
Ein Gutachten im Auftrag der Arbeiterkammer sieht verfassungsrechtliche Hürden bei den Plänen von Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP), die Wertpapier-Kapitalertragssteuer abzuschaffen. Laut der Juristin Sabine Kirchmayr-Schliesselberger, Vorständin des Instituts für Finanzrecht an der Universität Wien, ist die Wertpapier-KESt nämlich weitgehend durch eine Verfassungsbestimmung geschützt, berichtete der "Standard" in seiner Montagsausgabe.
Seit 2015 gilt eine Verfassungsregelung, die dem Gesetzgeber vorschreibt, Kapitalerträge mit einer Kapitalertragsteuer endzubesteuern, Ausnahmen sind nur für die Altersvorsorge und für Pensionsinvestmentfonds zulässig. Brunners Pläne würden jedoch eine Haltedauer von drei Jahren oder kürzer vorsehen. Eine so kurze Behaltefrist sei mit der Verfassungsvorgabe wohl nicht vereinbar, so Kirchmayr-Schliesselberger. Bei zwei oder drei Jahren könne keine Rede von einem Produkt zur Pensionsvorsorge sein. Damit entfalle aber - ohne Zweidrittelmehrheit im Nationalrat - die Möglichkeit, die Wertpapier-KESt abzuschaffen.
Adaptiertes Modell der Wertpapier-KESt im Gespräch
Laut "Standard" wird im Finanzministerium nun über ein adaptiertes Modell gesprochen, bei dem tatsächlich nur Wertpapiere mit einer deutlich längeren Behaltefrist von der Besteuerung ausgenommen sein sollen. Interessant wäre ein solches Modell aber nur noch für die Pensionsvorsorge, nicht mehr für Anleger.
Zuletzt hatte sich der grüne Koalitionspartner gegen die ÖVP-Pläne gesträubt. Brunner ermahnte die Grünen, die Abschaffung der Wertpapier-KESt sei im Regierungsprogramm vereinbart. Kritik kommt auch von der SPÖ, der Gewerkschaft und der Arbeiterkammer. "Wir erleben gerade, dass sich große Teile der Bevölkerung das Leben nicht leisten können", die Debatte sei daher eine Themenverfehlung", sagte AK-Steuerexperte Dominik Bernhofer zur Zeitung.
Nervös angesichts der Pläne, die Wertpapier-KESt abzuschaffen, wurde man heuer übrigens auch in der Versicherungsbranche. Denn eine Möglichkeit, die Steuer auf Wertpapier-Erträge zu umgehen, ist eine fondsgebundene Erlebensversicherung, bei der statt der KESt von 27,5 Prozent die Versicherungssteuer anfällt. Bei langen Laufzeiten und hohen Renditen ist dies theoretisch ein Steuervorteil, der für die Kunden wegen der hohen Produktkosten und Provisionen bei Lebensversicherungen aber großteils wieder verloren geht.