Wirtschaft

Wenig Appetit auf "Netzwerk Kulinarik"

Da soll sich noch einer auskennen. Ein Kotelett vom pannonischen Mangalitzaschwein, dem südoststeirischen Woazschwein oder doch lieber vom Tullnerfeld-Schwein? Was ist so einzigartig an der Dunkelsteiner Hagebutte, der Wildschönauer Krautingerrübe oder der Wiesenwienerwald Elsbeere? Wodurch unterscheiden sich Sauwald-Erdäpfel von Oberinntalern und Osttiroler Kartoffeln oder von Waldviertler Erdäpfeln?

Das Dickicht an Genuss-Marken, Initiativen und regionalen Bezeichnungen, alle großzügig gefördert, ist für die Konsumenten längst nicht mehr durchschaubar.

Das Landwirtschaftsministerium will den Wildwuchs durchforsten. Die regionalen Initiativen sollen gebündelt werden, Qualitätskriterien eingezogen und die heimischen Genießer g’scheit informiert werden.

Im Vorjahr wurde daher der "Aufbau und die Koordination des Netzwerkes regionaler und kulinarischer Initiativen" EU-weit ausgeschrieben. Ein zentrales "Netzwerk Kulinarik" soll alle Beteiligten, vom kleinen Erzeuger und Landwirt über die Gastronomie bis zum Handel, ins Boot holen.

Der zu 50 Prozent mit EU-Geldern für den ländlichen Raum kofinanzierte Auftrag ist üppig dotiert. 10,5 Millionen Euro Budget bis 2022 für den Betrieb der Netzwerkstruktur und den Aktionsplan zur Umsetzung. Zusätzliche sieben Millionen Euro können für "weitere Leistungen" abgerufen werden.

Trotz der großzügig bemessenen Auftragssumme bewarb sich nur eine Bietergemeinschaft. Die AgrarMarkt Austria (AMA) und die Fairify GmbH, eine Tochter der Beratungsfirma von Werner Lampert, erhielten im Dezember den Zuschlag.

Das Projekt droht allerdings zu scheitern, noch bevor es richtig gestartet ist.

Der Bio-Pionier Lampert arbeitet seit zehn Jahren eng mit dem Diskonter Hofer zusammen ("Zurück zum Ursprung"). Zuvor baute der bärtige Vorarlberger für den Handelsriesen Rewe die Marke "Ja!Natürlich" auf.

Eh klar, dass Rewe und Spar, die schärfsten Konkurrenten von Hofer, wenig bis keinen Appetit auf das "Netzwerk Kulinarik" haben. Das hätte ÖVP-Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter schon vorher wissen können. Der beinharte Wettbewerb im Lebensmittelhandel sollte sich bis ins Ministerium herumgesprochen haben. Wenn der Lebensmittelhandel aber das Netzwerk nicht breit unterstützt, ist der Flop vorprogrammiert.

Ist ja nicht so, dass Rupprechter nicht gewarnt worden wäre. Vergabe-Experten meinen, Lampert hätte vom Bieterverfahren ausgeschlossen werden müssen. In der Ausschreibung steht klar und deutlich, dass Auftragnehmer und Sub-Auftragnehmer "neutrale Unternehmen" sein müssen, ohne Eigeninteressen in Bezug auf die Vernetzungsstelle Kulinarik.

Spar-Chef Gerhard Drexel formulierte seine Bedenken in einem Brief an Rupprechter und bei einem Gespräch. "Es ist uns völlig unverständlich, wie so eine Entscheidung getroffen werden konnte. Mit einer Personalentscheidung, die eindeutig einem einzigen Händler zuzuordnen ist, schließt man automatisch den Rest der Marktteilnehmer aus.Das kann doch nicht Sinn der Sache sein", erklärt Drexel gegenüber dem KURIER. Klare Worte.

Als Beruhigungspille wurde Spar und Rewe ein Sitz in einem Beirat angeboten. Spar verzichtet sowohl auf den Beirat, der ohnehin nichts mitentscheiden kann, als auch auf die Teilnahme am Netzwerk.

Auch Rewe-Chef Frank Hensel hat Rupprechter persönlich seine Bedenken Richtung Lampert und Hofer dargelegt. Rewe (Merkur, Billa, Adeg, Penny) überlegt noch, hat aber ebenfalls wenig Lust auf Beirat und Netzwerk. Man hält das Projekt zwar für eine "begrüßenswerte Initiative, wir wünschen uns jedoch in der Umsetzung eine der Sache angemessene Neutralität und Unabhängigkeit".

Nicht nur die Handelsriesen, auch Vertreter der Landwirtschaft sollen dem offenbar beratungsresistenten Minister dringend empfohlen haben, das Netzwerk neutraler aufzustellen. Außerdem fragen sich Insider, warum die Marketingprofis der AMA das Projekt nicht alleine durchziehen können.

Lampert war für den KURIER nicht erreichbar. Seine Geschäftsführerin Brigitte Hanzmann-Frodl argumentiert, man bringe "viel Erfahrung im Bereich Regionalität und strategisches Marketing ein". Mit der Arbeit für Hofer gebe es keinen Zusammenhang, das Netzwerk sei eine eigenständige Initiative. Der als Geschäftsführer bestellte Thomas Müller (ehemaliger Regionalvermarkter) werde in der Sache "ausgewogen" vorgehen.

Rupprechter lässt ausrichten, er erwarte vom neuen Netzwerk eine "klar neutrale und verbindende Rolle". Er sei überzeugt, dass sich das Modell bewähre und "mögliche Bedenken durch erfolgreiche Arbeit ausgeräumt werden können". Mögliche Bedenken ist gut, irgendwie fast schon Realitätsverweigerung.