Was Leitbetriebe gerne hätten
Von Anita Staudacher
Die neue Standortstrategie für Österreich hat 76 Seiten. 130 Vorschläge für bessere wirtschaftliche Rahmenbedingungen sind darin enthalten. "Österreichs Industrie soll einen höheren Stellenwert erhalten", umreißt Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner das Ziel.
Über den Sommer haben 40 Vorstandschefs führender heimischer Industriebetriebe in fünf Arbeitsgruppen ein ganzes Maßnahmenbündel für die Politik erarbeitet. Die Bandbreite reicht von der Wissens-, Forschungs- und Innovationspolitik über Steuer-, Klima- und Energiefragen bis zur Arbeitszeit. Federführend waren unter anderem voestalpine-Chef Wolfgang Eder, Infineon-Chefin Sabine Herlitschka, Fronius-Chefin Elisabeth Engelbrechtsmüller-Strauß und Mondi-Boss Peter J. Oswald.
Wochenendarbeit
Die Vorschläge der Leitbetriebe lesen sich wie der erweiterte Forderungskatalog der Industriellenvereinigung (IV). So soll entbürokratisiert, eine neue F&E-Strategie formuliert, die Arbeitskosten gesenkt oder die energieintensive Industrie finanziell entlastet werden. Beim Klimaschutz etwa sollen die Versteigerungserlöse durch den CO2-Handel in die Umwelttechnologie fließen.
Aufhorchen lassen die Wünsche zur Flexibilisierung der Arbeitszeit. Unter dem Titel "Dann arbeiten, wenn Aufträge da sind" wird nicht nur eine Anhebung der wöchentlichen Höchstarbeitszeit auf 60 Stunden befürwortet, sondern auch die Wochenendruhe infrage gestellt und eine 6-Tage-Woche gefordert. Wörtlich heißt es in der Standortstrategie: "Ein Ersatz der Wochenendruhe durch die Wochenruhe, die grundsätzlich erst am Sonntag um 00:00 Uhr beginnt, ist anzustreben." Unzufrieden sind die Leitbetriebe mit dem Recht auf Elternteilzeit bis zum 7. Lebensjahr. Der Anspruch ist für die Frauenbeschäftigung "kontraproduktiv" und soll daher nur bis zum 4. Lebensjahr des Kindes gelten. Auf der Wunschliste stehen weiters Steueranreize für ausländische Spitzenkräfte sowie eine Attraktivierung der Rot-Weiß-Rot-Card.
Umsetzung
Eine 6-Tage- oder 60-Stunden-Woche seien nicht im Regierungsprogramm, bremst Mitterlehner sogleich den Eifer der Betriebe. Entbürokratisierung, Steuerentlastung oder die Forcierung von Industrie 4.0 (voll vernetzte Fabriken, Anm.) befänden sich aber sehr wohl auf der Agenda. Schwieriger sei es, die im internationalen Umfeld aufgestellten Forderungen umzusetzen: "Hier müssen wir proaktiver auf EU-Ebene wirken."
IV-Präsident Georg Kapsch will sich nicht länger vertrösten lassen: "Es geht jetzt um die konkrete Umsetzung der Standortstrategie, diese soll nicht nur Papier bleiben." Österreich müsse ein Zeichen nach außen setzen, das motiviert, hier zu investieren. Die Industrie werde daher "der Nagel im Fleisch" der Regierung bleiben. So soll ein eigener "Standort-Board" bestehend aus zehn bis zwölf Wirtschaftsbossen ab 2015 einen jährlichen Check der Standortpolitik vornehmen.
Kritik, dass die Strategie von Konzernen formuliert wird, während Klein- und Mittelbetriebe unberücksichtigt bleiben, weist Mitterlehner zurück. Ein Leitbetrieb sei mit jeweils 900 bis 1000 KMU vernetzt. Kapsch hält es überhaupt für eine "Mär", dass Österreich ein KMU-Land sei. Die größte Wertschöpfung komme von Leitbetrieben. Als bloße Forderungen der Industriellenvereinigung kanzelt AK-Direktor Werner Muhm das Papier ab. "Eine erfolgreiche Standortstrategie setzt voraus, dass auch die Arbeitnehmervertretung eingebunden wird." Viele der Vorschläge seien schon bei den Koalitionsverhandlungen durchgefallen. Wenn sie jetzt umgesetzt werden sollen, müsste das Regierungsprogramm neu verhandelt werden.