Warum Händler abwandern und Städte veröden
Von Simone Hoepke
Offene Geschäfte am Sonntag würden in Wien etwa 800 zusätzliche Arbeitsplätze und einen Mehrumsatz von bis zu 140 Millionen Euro bringen, rechnet die Wirtschaftskammer Wien vor. Dennoch gibt die Politik keinen Sanktus für die Tourismuszone. "Eines der vielen Beispiele, die die Regungslosigkeit dieses Landes offenbart", meint Stephan Mayer-Heinisch, Präsident des Handelsverbandes. "Mich wundert, dass sich die Gewerkschafter nicht genieren, wenn sie die Schaffung neuer Arbeitsplätze verhindern." Zwar wäre eine Tourismuszone in Wien seiner Meinung nach nicht die Rettung, aber zumindest ein Schritt in die richtige Richtung. "Schade, dass es so viele Bremser in diesem Land gibt, die immer nur Altes bewahren wollen."
Sorgen macht dem Handelsvertreter, dass es schon lange keine Betriebsansiedelungen mehr in Österreich gegeben hat. Im Gegenteil. Firmen würden ihre Lager nach Tschechien oder in die Slowakei verlegen, wo Genehmigungen leichter zu bekommen, die Löhne niedriger und die Arbeitszeiten flexibler sind. Mayer-Heinisch: "Wir laufen Gefahr, völlig den Anschluss zu verlieren." Als Hemmschuh nennt er die überbordende Bürokratie. Eine Betriebsstättengenehmigung für eine Logistikstätte würde man in Deutschland binnen 100 Tagen bekommen – in Österreich dauere der Amtsweg etwa doppelt so lange.
"Dieser Staat ist überadministriert", ist Mayer-Heinisch überzeugt. Die Politik habe sich in vielen Bereichen völlig von der Realität eines Unternehmers verabschiedet. "Ich lade daher jeden Politiker ein, eine Woche in ein Unternehmen zu kommen – nicht zur Wahlkampfwerbung – sondern um im Management mitzuarbeiten. Etwa an der Umsetzung des Energieeffizienzgesetzes", sagt der Handelsexperte, der mehr als 20 Jahre Manager im Leder&Schuh-Konzern war (Humanic, Jello, Dominici, Corti). Vieles sei zwar ursprünglich richtig gedacht, aber in der Praxis schwer umsetzbar, etwa das Elternteilzeitgesetz in Filialbetrieben.
Angst vor Prüfung
Über die Jahre sei ein komplexes System von Normen aufgebaut worden, die sich teils sogar widersprechen und viele Unternehmer überfordern. "Das traut sich aber keiner öffentlich zu sagen, weil jeder Angst hat, dass er dann gleich eine Sonderprüfung bekommt", so Mayer-Heinisch.
"Ich bin überzeugt davon, dass so 50 bis 60 Stadtkerne in Österreich überleben könnten." Seit eineinhalb Jahren sei er mit dieser Idee bei der Wirtschaftskammer vorstellig – ohne Erfolg.
Derzeit kocht jede Stadt ihr eigenes Süppchen – meist mit Hilfe von Werbeagenturen, die mit der Inszenierung von Kirtagen die Stadt retten sollen, spitzt es Mayer-Heinisch zu.