VW soll Regierungserklärung zu Abgasaffäre beeinflusst haben
Der Volkswagen-Konzern hat einer Zeitung zufolge eine Regierungserklärung des niedersächsischen Ministerpräsidenten Stephan Weil zur Dieselaffäre beeinflusst. "Wir haben die Rede umgeschrieben und weichgespült", zitierte "Bild am Sonntag" einen nicht namentlich genannten VW-Mitarbeiter. Eine Regierungssprecherin bestätigte, dass VW im Voraus konsultiert worden sei, aber nur zur Klärung von Fakten.
Der Konzern habe die Rede zugeschickt bekommen und "problematische Passagen" gestrichen sowie "positivere Formulierungen" eingefügt, sagte der VW-Mitarbeiter. Die niedersächsische Regierungssprecherin Anke Pörksen erklärte, seitens des Konzerns seien einzelne Anregungen unterbreitet worden. "Ein Teil dieser Anregungen ist aufgegriffen worden." An der harten Kritik an Volkswagen in der Rede habe sich aber nichts geändert.
"Bodenlose" Unterstellung
Weil wies die Vorwürfe zurück. Die Unterstellung, seine Regierung habe sich von VW die Feder führen lassen, sei "bodenlos", sagte er am Sonntag vor Journalisten. Der Entwurf seiner Regierungserklärung vom Oktober 2015 zu der Affäre sei dem Autokonzern lediglich mit der Bitte "um Prüfung der rechtlichen Belange und Richtigkeit der Fakten" zugeleitet worden, sagte der SPD-Politiker dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Die Rückmeldungen von VW seien sehr kritisch geprüft worden. "Rechtliche Klarstellungen haben wir nachvollzogen, die Kritik ist dringeblieben", sagte Weil, der als Vertreter des Hauptaktionärs Niedersachsen im VW-Aufsichtsrat sitzt. Eine Beeinflussung könne er ausschließen. "Ich bin stets bei meiner harten Kritik am Vorgehen von VW geblieben."
Ein internes E-Mail Pörksens an Regierungsmitarbeiter aus der damaligen Zeit schien diese Darstellung zu stützen. "Liebe Kolleginnen und Kollegen, nur noch mal zur Klarstellung, wir werden keinesfalls unsere politischen oder sonstigen Äußerungen mit dem Konzern vorab abstimmen, es geht nur um konkrete Aussagen zu den Vorgängen, die jetzt Gegenstand von Gerichtsverfahren sind, um etwaige Falschmeldungen in der Sache zu verhindern bzw. Schadensersatzansprüche oder ähnliches", heißt es in der Mitteilung der Sprecherin vom 9. Oktober 2015, die das RND am Sonntag veröffentlichte.
VW: Abstimmung "völlig üblich"
VW bestätigte den Zeitungsbericht nicht. "Es ist völlig üblich, dass Aufsichtsratsmitglieder beabsichtigte Aussagen über Angelegenheiten der Gesellschaft mit dem Unternehmen abstimmen", erklärte ein Sprecher. Jedes Aufsichtsratsmitglied sei den Interessen der Gesellschaft verpflichtet.
Weil rechtfertigte seine Entscheidung, die Rede prüfen zu lassen, mit dem Verweis auf die komplizierten Umstände. "Es stand die Zukunft des VW-Konzerns auf dem Spiel, nicht zuletzt auch wegen der schwierigen Verfahrenslage in den USA", sagte er. Das sei mittelbar auch für das Land Niedersachsen von allergrößter Bedeutung gewesen. Unter diesen Bedingungen sei es richtig gewesen, dass ein von ihm selbst geschriebener Redeentwurf VW zugeleitet wurde. "In der Diesel-Affäre hatten wir auf die Spezialitäten des US-Verfahrensrechtes Rücksicht zu nehmen. Dafür braucht man Spezialisten." Der Vorgang sei schon vor über einem Jahr im Landtag diskutiert worden.
Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann warnte nach dem Diesel-Gipfel der deutschen Bundesregierung vor schwerwiegenden Folgen für den Klimaschutz, sollte die Zahl der Diesel-Pkw binnen kurzer Zeit deutlich sinken. "Bei einem signifikanten Rückgang des Dieselanteils wären die Klimaziele so nicht mehr zu halten", sagte der Grün-Politiker der Zeitung "Welt am Sonntag". Es sei ein Fehler, sich darauf zu verlassen, dass in absehbarer Zeit genug Autos mit alternativen Antrieben auf den Markt kämen. Autos mit Benzinmotor stoßen mehr klimaschädliches CO2 aus als Diesel, die aufgrund ihrer Stickoxid- und Partikelemissionen kritisiert werden.
BMW-Chef: "Anspruchsvolles Paket"
BMW-Chef Harald Krüger wies Kritik an den Ergebnissen des Spitzentreffens zum Diesel-Skandal zurück. "Beim Diesel-Gipfel wurden anspruchsvolle Pakete geschnürt", sagte er der Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung. Ein Software-Update für bestimmte Dieselfahrzeuge und eine europaweite Umweltprämie von 2000 Euro für den Tausch von Alt- in Neuwagen seien deutliche Verbesserungen. Krüger forderte die ausländischen Hersteller auf, sich an dem 500 Millionen Euro schweren Mobilitätsfonds zu beteiligen, mit dem Städte bei der Luftreinhaltung unterstützt werden sollen. "Es wäre für die Außenwirkung gut, wenn die sich beteiligen würden."
Unterdessen wurde im Abgasskandal die erste Klage eines deutschen Autofahrers gegen den Staat eingebracht. Der Besitzer eines VW Gold Diesel verklagte Verkehrsminister Alexander Dobrindt vor dem Landgericht Freiburg auf Schadenersatz, teilte die Rechtsanwaltskanzlei des Klägers, Stoll & Sauer, am Samstag im badischen Lahr mit. Dobrindt wird vorgeworfen, die Typengenehmigungsrichtlinie der EU nicht hinreichend umgesetzt zu haben. Diese verpflichtet Deutschland zu abschreckenden Sanktionen bei Verstößen, doch gebe es solche Strafen nicht. Zudem hätten Dobrindt und das Kraftfahrbundesamt die Autoindustrie nicht hinreichend überwacht, obwohl das Umweltbundesamt schon früh Anzeichen für überhöhte Emissionen festgestellt habe. Bei einem früheren Einschreiten des KBA hätte der Kläger das Auto im Jahr 2012 nicht gekauft. Er will nun den Kaufpreis von 19.000 Euro für den VW Golf, im Gegenzug soll der Staat das Auto bekommen.