Vom Hörsaal auf den Markt
Wenn Christian Huemer sein Büro an der Technischen Universität Wien verlässt, wird aus dem Studiendekan der Wirtschaftsinformatik der Gesellschafter eines Start-up-Unternehmens. Abseits davon fungiert der 48-jährige Niederösterreicher auch als UN-Delegationsleiter.
KURIER: Wie wurden Sie als Studiendekan zum Gesellschafter eines Start-ups?
Ist das Start-up lukrativ?
Ich denke, dass wir nicht mehr vom Markt gehen werden. ecosio bietet innovativen elektronischen Datenaustausch an, das ist eine heikle Angelegenheit für Unternehmen. Bis die Verträge geschlossen werden, braucht es zwar länger. Jedoch wer einmal abgeschlossen hat, bleibt Bestandskunde von ecosio. Immerhin kontrolliert unsere Software die Geschäftsabläufe eines ganzen Betriebes. Wir haben bereits große Kunden wie Storck, Klosterquell oder Sonepar/Hagemeyer und wollen jetzt expandieren – Verhandlungen mit einem größeren Wiener Investor laufen bereits. Zurzeit haben wir 17 Mitarbeiter, über 120 Kunden, die täglich über ecosio Nachrichten austauschen, und über tausend Unternehmen, die an unsere Plattform angeschlossen sind.
Gibt es neben ecosio noch weitere Start-ups, an denen Sie beteiligt sind?
2014 bis 2015 war ich technischer Berater und Geschäftsführer von SAVD, einem Start-up für Videodolmetschen. Das ging so lange gut, bis die Sache explodiert ist und sie einen Vollzeit-Geschäftsführer brauchten. Damit war ich raus. Es hätte dann auch noch ein drittes Universitätsprojekt zum Thema modellgetriebene ERP-Systeme gegeben. Die Idee ist allerdings gestorben. Die Partner hatten einen Streit, der dann vor Gericht gelandet ist. ecosio ist das einzige Start-up, hinter dem ich wirklich stehe.
Ich habe gelesen, dass Sie für die Vereinten Nationen arbeiten. Wird das von der Technischen Universität Wien gefördert oder geduldet?
Gefördert, würde ich sagen. Man sieht das als Ergänzung zu meiner Forschung. Als UN-Delegationsleiter für Handelserleichterungen und elektronische Geschäftsprozesse arbeite ich seit 2008 daran, den Datenaustausch von Dokumenten zu standardisieren. Diese Arbeit ist ein Zusammenspiel aus den Delegationsleitern der jeweiligen Länder und Vertretern der Industrie, wie zum Beispiel GS1 (Global Standards One, Anm.) oder dem Verband der Automobilindustrie. An der Universität habe ich zum Beispiel eine Methode entwickelt, wie man interorganisationale Geschäftsprozesse entwirft. Diese Forschungsarbeit habe ich dann in die Standardisierung mit eingebracht.
Wollten Sie nie in der Privatwirtschaft arbeiten?
1997 habe ich dissertiert und wollte eigentlich einen Job bei IBM. Das Bewerbungsgespräch hat mich damals aber nicht überzeugt, also bin ich auf der Universität geblieben und habe habilitiert. Spätere Angebote von Siemens Nixdorf und SAP Walldorf musste ich auch ablehnen – sie haben nicht auf mein Profil gepasst. Durch meine Forschungsarbeiten habe ich viele Kontakte in der Industrie. Das hat mich auch immer schon interessiert. Darüber hinaus habe ich aber auch schon Consulting im Industriebereich angeboten, wie z.B. Elektronisches Datenmanagement für das Umweltministerium.