Versandhändler Werner Otto ist tot
Von Anita Staudacher
Innerhalb der Otto-Belegschaft machte in den vergangenen Jahren eine Frage die Runde: „Wer wird länger leben, Johannes Heesters oder Werner Otto?“ Der Schauspieler starb mit 108 Jahren am Heiligen Abend, der Versandhaus-Gründer mit 102 Jahren nur zwei Tage davor. Die Todesnachricht gab seine Familie erst am Dienstag bekannt.
Der „König des Versandhandels“ und „Titan der Marktwirtschaft“ wie ihn Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel einst titulierte, hinterlässt seine Gattin Maren, fünf Kinder – und einen globalen Handels- und Dienstleistungskonzern mit knapp 12 Mrd. Euro Umsatz und 50.000 Mitarbeitern. Bis zuletzt habe „Herr Otto“ noch ab und zu in der Hamburger Firmenzentrale vorbeigeschaut, weiß Harald Gutschi, Geschäftsführer von Otto Österreich. Er selbst erinnert sich an ein Fest, kurz vor dem 100. Geburtstag. „Dabei hat er alle anwesenden Gäste persönlich begrüßt und wirkte unglaublich rüstig und fit“, erzählt Gutschi.
Dies lag vielleicht auch daran, dass Otto bis ins hohe Alter aktiv war. Als Stifter und Mäzen wie als Unternehmer. Schon im Rentenalter stieg Otto noch ins Immobiliengeschäft ein und gründete mit der ECE einen Entwickler von Einkaufszentren, der heute von Sohn Alexander geleitet wird.
Begonnen hat die Unternehmer-Karriere des Sohnes eines Lebensmittelgroßhändlers aus Brandenburg in der Nachkriegszeit. Während der Nazi-Zeit musste Otto für zwei Jahre ins Gefängnis, weil er Flugblätter des unliebsamen NS-Ideologen Gregor Strasser verteilte. Nach dem Krieg kam Otto als mittelloser Flüchtling mit Ehefrau und zwei kleinen Kindern nach Hamburg.
Schuhfabrikant
1945 gründete er eine kleine Schuhfabrik, die er allerdings kurze Zeit später wegen zu großer Konkurrenz wieder zusperren musste. „Warum nicht gleich mit Schuhen der Konkurrenz handeln?“, fragte sich Otto und stieg 1949 in den Versandhandel ein. Vorbild war der fränkische Schuhversender Baur, heute Mitglied der Otto-Gruppe. Der erste Bestell-Hit hieß „California“, ein Damenschuh um 30 D-Mark. Der erste Katalog von 1950, handgebundene 300 Exemplare mit 14 Seiten und von Otto eigenhändig eingeklebten Fotos, ist legendär und heute im Haus der Geschichte in Bonn zu sehen.
Otto-Versand wuchs rasch zum größten Versender Deutschlands heran. 1966 wechselte der Gründer in den Aufsichtsrat. Sohn Michael übernahm 1981 das Ruder und formte einen globalen Konzern, zu dem heute 123 Unternehmen in 20 Ländern zählen, darunter Post-Konkurrent Hermes oder Universal. Michael Otto, der 80-jährige Sohn, sitzt heute im Aufsichtsrat, kommt Mitte Jänner zum 20-Jahr-Jubiläum von Otto Österreich nach Wien.
Mit einem geschätzten Vermögen von 8,15 Milliarden Euro sind die Ottos laut Forbes die viertreichste Familie Deutschlands. Die fünf Kinder aus drei Ehen sollen – anders als bei vielen wohlhabenden Familien – gut miteinander auskommen. Werner Otto, der Rummel um seine Person stets hasste, engagierte sich über seine Stiftung sehr für soziale und kulturelle Belange.
Otto Group: Europas Antwort auf Amazon eCommerce-Riese Die Otto-Gruppe ist mit 123 Unternehmen und Marken in 20 Ländern Europas, Nordamerikas und Asiens präsent. Die drei Säulen des Konzerns sind der Versandhandel, Finanzdienstleistungen und Services (Paketzustellung, Immobilien). Im Online-Handel ist Otto weltweit die Nummer zwei hinter Amazon und im Bereich Mode und Lifestyle die Nummer eins. Otto setzte zuletzt knapp 12 Mrd. Euro um und beschäftigt 50.000 Mitarbeiter. Österreich Zur Otto-Tochter Unito zählen Otto Versand, Universal Versand und Quelle (nur Elektronik). Das Gesamtsortiment umfasst rund eine Million Artikel. Mit 2,2 Millionen aktiven Kunden ist Otto Marktführer in Österreich. Das Unternehmen beschäftigt 800 Mitarbeiter und setzte von Jänner bis Oktober 2011 ca. 235 Millionen Euro um. Für das Weihnachtsgeschäft erwartete Österreich-Chef Harald Gutschi ein Plus von 20 Prozent gegenüber 2010.