Wirtschaft

Urlauber auf neuen Routen

In Berlin grassiert das Reisefieber. 100.000 Tourismusmanager – vom arabischen Airline-Chef bis zum Vermarkter des Zillertals – strömen diese Woche nach Berlin: zur weltgrößten Reisemesse, der ITB. Der Pilot der AirBerlin geht offenbar davon aus, dass man derzeit gar kein anderes Ziel in Berlin haben kann – er wünscht seinen Passagieren bei der Landung in Tegel "gute Messetage".

Das haben viele auch bitter nötig. Terrormeldungen und Flüchtlingsbewegungen überschatten die Schönwetterbranche. In der Türkei oder Tunesien klagen Veranstalter über Buchungsrückgänge von bis zu 40 Prozent. Deutschlands zweitgrößte Airline, die AirBerlin, streicht Verbindungen nach Nordafrika und in die Türkei und steuert lieber öfter die Karibik und die Balearen an. Gleichzeitig schminken sich viele Russen – infolge politischer Streitereien und der Rubelabwertung – Reisen in die Türkei wie auch nach Paris, Mailand oder Wien ab, während sich unter den Asiaten Fernweh breit macht. Kurz: Die Reiseströme verschieben sich. Während in Griechenland infolge der Flüchtlingskrise einstige Top-Destinationen so gut wie gar nicht mehr gebucht werden, sind in Teilen von Spanien, Italien oder Kroatien nur noch schwer freie Zimmer zu bekommen.

Welche Auswirkungen all das auf das Urlaubsland Österreich haben wird, bleibt abzuwarten. Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner meint, dass Österreich als sicheres Urlaubsziel profitiert. Nicht nur im benachbarten Ausland. "Viele Österreicher bleiben im Urlaub im eigenen Land oder schränken ihren Reiseradius ein", sagt Mitterlehner auf der ITB. Die Österreicher hätten nach der Steuerreform mehr Geld im Börsel und damit auch mehr Reisebudget. Für den Fall, dass das allein die Lust am Österreich-Urlaub nicht wesentlich steigert, hat Mitterlehner zusätzliche 600.000 Euro für mehr Tourismus-Werbung im eigenen Land lockergemacht.

Lieber mit dem Auto statt fliegen

Am Österreich-Stand der ITB ist die Stimmung der Aussteller – im Vergleich zu anderen Ländern – gut. Die Buchungen für den Sommer laufen an, speziell aus Österreich und dem angrenzenden Ausland gibt es viele Anfragen, berichten Destinationsmanager. "Familien fahren heuer lieber mit dem Auto auf Urlaub als zu fliegen, davon profitieren wir", meint Christian Kresse, Chef der Kärnten Werbung. Ferienwohnungen und Campingplätze sind laut seinen Angaben heuer so gut gebucht wie schon lange nicht mehr. Laut jubeln will aber noch keiner. Umfassende Grenzkontrollen und Staus zum Saisonstart könnten den Vermietern noch einen Strich durch die Rechnung machen. Gerade am wichtigen Quellmarkt Deutschland liebäugeln viele Menschen mit einem Urlaub in Bayern oder an der Ostsee – aus österreichischer Sicht ein Unsicherheitsfaktor.

Während hierzulande noch immer jeder zweite ausländische Gast aus Deutschland anreist, beklebt die Österreich Werbung (ÖW) heuer im April ganze U-Bahn-Garnituren in Peking mit Österreich-Sujets. Kurzfristig werden die Bilder auf den U-Bahnen keinen Buchungsboom auslösen, mittelfristig sollen sie Österreich aber über die Wahrnehmungsschwelle der Chinesen hieven. ÖW-Chefin Petra Stolba: "Wir müssen jetzt bei den potenziellen Gästen von morgen einhaken."

Heuer werden neue Flugverbindungen Österreich näher an den asiatischen Markt rücken: Die AUA fliegt künftig nicht nur nach Peking, sondern ab April auch nach Schanghai und – wie sie gestern angekündigt hat – ab September bis zu fünf Mal in der Woche nach Hongkong. Laut Norbert Kettner, Chef des Wien Tourismus, bringen die neuen Verbindungen auch indirekt mehr Gäste. Kettner: "Sie lenken die Aufmerksamkeit anderer Fluggesellschaften auf uns." Im Vorjahr kamen 715.000 Gäste aus China nach Österreich – um 44 Prozent mehr als im Jahr zuvor.