Ungarn: Angst vor Enteignung
Von Simone Hoepke
Die Politik des rechtskonservativen ungarischen Staatschefs Viktor Orban treibt österreichischen Bauern die Zornesröte ins Gesicht. Zumindest wenn sie in Ungarn Felder besitzen oder gepachtet haben. Denn Orban will, dass ungarisches Ackerland in ungarischen Händen bleibt. Den ersten österreichischen Bauern drohen nun Enteignungen.
Einer von ihnen ist Landwirt Ludwig Spiegel. Er hat einen Brief bekommen, in dem er aufgefordert wird, 30 Hektar seines Grundes im Nationalpark Örseg zu verkaufen. Anderenfalls werde er enteignet. "Ich bin seit 20 Jahren hier tätig und wehre mich mit Händen und Füßen dagegen", sagt er im KURIER-Gespräch. Budapest argumentiert das Vorgehen mit dem Umweltschutzgedanken. Spiegel kontert: "Ich bin gerne bereit, nach ihren Kriterien zu bewirtschaften." Der Politik gehe es viel mehr um nationale Interessen. Der Naturschutzgedanke "sei Heuchelei", findet auch Landwirt Reinhard Weratschnig. Auch ihm droht ein Pachtvertrag im Nationalparkgebiet abhanden zu kommen. Landwirtschaftsminister Niki Berlakovich fordert nun von Ungarn "eine Lösung, die die Interessen unserer Bauern schützt".
Spiegel ist gleich zwei Mal von der ungarischen Politik beeinträchtigt. Im Vorjahr hat er einen zusätzlichen Grund in Ungarn gekauft. Eigentlich dürfen Ausländer in Ungarn de facto bis April 2014 keinen Grund und Boden erwerben. Dann erst läuft ein Moratorium aus, das zum EU-Beitritt Ungarn 2004 beschlossen wurde. Eine Ausnahmeregelung im EU-Vertrag gab es für jene, die drei Jahre in Ungarn gelebt und auf eigenen Namen landwirtschaftlich gewirtschaftet haben. Bestätigen mussten das das Komitat – erst dann war eine Grundbucheintragung möglich. Spiegel hat 2011 die entsprechenden Bescheide erhalten und gekauft. Der Haken: Zu diesem Zeitpunkt war nicht mehr das Komitat, sondern bereits Budapest für die Ausstellung zuständig. Budapest findet die Bescheide damit nicht rechtmäßig und fordert eine Rückabwicklung entsprechender Käufe. Chancen, sein Geld zurück zu bekommen, sieht Spiegel aber nicht. "Das hat der Verkäufer längst ausgegeben."
Taschenverträge
Eine Aktion Scharf startet Budapest auch gegen Taschenverträge. Diese gelten als Hintertür, über die ausländische Investoren an ungarischen Grund kommen. Durch sie wurden – quasi heimlich und ohne Grundbucheintrag – Kaufverträge mit Ungarn abgeschlossen, die erst im 2014 offiziell gemacht werden sollten. Budapest droht nun allen, die in solche Verträge involviert sind – Käufern, Verkäufern, Notaren und Rechtsanwälten – mit bis zu fünf Jahren Haft. Wer sich binnen sechs Monaten freiwillig meldet, soll straffrei davon kommen. Laut Ernst Zimmerl, Gesandter für Agrar- und Umweltangelegenheiten, wird das Thema Taschenvertrag "hochgespielt". Schon in seiner ersten Regierung (1998 bis 2002) ging Orban diesen nach. "Es gab 1506 angezeigte Fälle. Nur acht wurden teilweise als begründet und 23 als Verdachtsfälle eingestuft."
Auch die Meldungen, wonach Österreicher bis zu einer Million Hektar in Ungarn bewirtschaften, kann er nicht nachvollziehen. "Es gibt 200 österreichische Landwirte in Ungarn, die eine Fläche von 200.000 Hektar bewirtschaften – das sind nur vier Prozent der bewirtschafteten Fläche."
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