Deutsche Wirtschaft hofft auf Grexit
Von Evelyn Peternel
Das Gespenst des Grexit ist in Deutschland noch nicht verschwunden – im Gegenteil: Die deutsche Wirtschaft hofft sogar mehrheitlich auf ein Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone. 60 Prozent der Entscheider in der deutschen Wirtschaft halten diese Variante für die bessere, hat eine Umfrage des Allensbach-Instituts jetzt ergeben. Sowohl Eurozone als auch Griechenland – wenn auch in geringerem Ausmaß – würden profitieren, meinen die Wirtschaftseliten. Interviewt wurden dafür Vorstände, Geschäftsführer und Direktoren von einflussreichen Unternehmen.
In der Politik, wo man sich in Ministerien und in Parteigremien umhörte, ist die Meinung eine ganz andere: Nur 36 Prozent der politischen Entscheidungsträger sind für den Grexit.
Dass der Wert in den Führungsetagen der Wirtschaft überraschend hoch ist, bestätigt auch Renate Köcher, die Leiterin des Instituts. "Es gab einen völligen Umschwung", meint sie. Ausschlaggebend dürfte die Annahme sein, dass Athen seine Reformzusagen nicht einhält – daran zweifeln nämlich mehr als drei Viertel der Befragten. Dass der Zeitpunkt der Umfrage – sie wurde rund um das Referendum durchgeführt – großen Einfluss hat, glaubt sie nicht: "Die Führungsspitzen sind nicht so emotional."
Dementsprechend positiv fällt auch die Bewertung der Krisenpolitik aus: Wolfgang Schäubles Pro-Grexit-Kurs unterstützen 92 Prozent der Befragten – und auch Angela Merkel hat "Beliebtheitswerte wie kaum ein Kanzler zuvor", sagt Köcher.
Anders sieht es bei der Beurteilung der Großen Koalition aus. Nur 42 Prozent der Wirtschaftstreibenden halten deren Arbeit für gut – Verbesserungsbedarf ortet man vor allem in der Flüchtlingspolitik. Daran zeigt sich auch deutlich, dass Wirtschaft, Politik und Öffentlichkeit nicht immer auf der selben Linie sind: Während in der Bevölkerung nur 31 Prozent dafür sind, mehr Flüchtlinge aufzunehmen, sind es in Politik und Wirtschaft 78 Prozent.