Überschuldung als Job-Hemmnis
Von Anita Staudacher
Die Situation ist eigentlich absurd: Schulden können nur zurückgezahlt werden, wenn ein entsprechendes Einkommen vorhanden ist. Aber mit einem Schuldenberg am Rücken wird es immer schwieriger, überhaupt einen Arbeitsplatz zu bekommen. „Arbeitslose mit Lohnpfändungen sind fast nicht vermittelbar“, klagt ein AMS-Berater dem KURIER und fühlt sich mit dem Dilemma zunehmend alleingelassen. Denn immer mehr Arbeitslose hätten mit schweren Schulden zu kämpfen und bräuchten dringend einen Job, doch Betriebe würden in angespannten Zeiten wie diesen jedes Risiko scheuen.
"Personalabteilungen versuchen, jedes Risiko zu minimieren, da haben Bewerber mit Lohnpfändungen leider schlechte Karten."
Arbeitgeber sind als Drittschuldner nämlich verpflichtet, ab Einlangen der Lohnpfändung das Existenzminimum des Arbeitnehmers zu ermitteln und den pfändbaren Betrag so lange an Gläubiger zu überweisen, bis die Schuld des Arbeitnehmers getilgt ist. Besonders Klein- und Mittelbetriebe wollen oder können diesen Aufwand aber nicht tragen. Passiert ein Fehler, sind sie voll haftbar. AMS-Chef Herbert Buchinger kennt das Problem: „Personalabteilungen versuchen, jedes Risiko zu minimieren, da haben Bewerber mit Lohnpfändungen leider schlechte Karten.“ Zusätzlicher Aufwand mit Pfändungen werde meist nur bei Stammarbeitskräften gebilligt, nicht aber bei Neueinstellungen.
„Allein die Drittschuldnererklärung ist so kompliziert, dass Firmen extra Juristen dafür einstellen müssen, das sind zusätzliche Kosten“, heißt es bei der Wirtschaftskammer Wien, die seit Jahren Verbesserungsbedarf anmeldet: „Es muss einfacher und unbürokratischer werden.“
Entschuldung
Ein weiterer Grund für die schwierige Job-Vermittlung liegt in der niedrigen Pfändungsgrenze. Bei einem Einkommen von 1100 Euro netto etwa bleibt nach Abzug der Pfändung nur noch das Existenzminimum von derzeit 837 Euro übrig. Kommen noch Alimente hinzu, kann der Betrag auf 630 Euro schmelzen. Eine Summe, die wenig motiviert, einen Job anzunehmen, zumal die Aussicht auf eine Entschuldung bei dieser Einkommenshöhe allein wegen der Zinssteigerungen trist ist. Die Folgen: Die Zahl der mangels Kostendeckung abgewiesenen Privatkonkurse steigt ebenso wie die Zahl der Langzeitarbeitslosen, die ins soziale Abseits abgleiten.
Schuldnerberater Hans W. Grohs drängt die Politik, die seit Jahren geforderte Reform des Privatkonkurses endlich umzusetzen und den Weg aus der Schuldenspirale auch bei geringem Einkommen endlich zu ermöglichen. „Das Hauptproblem sind die unregulierten Schulden.“
Hilfreiche Links
Für alle, die arbeitslos werden und mit hohen Schulden zu kämpfen haben, bietet die Schuldnerberatung unter www.budgetberatung.at erste Hilfe im Internet an.
Mit der Website www.drittschuldner.at sollen Unternehmer in ihrer Rolle als Drittschuldner nun unterstützt werden.
Die Zahl der Privatkonkurse (siebenjähriges Schuldenregulierungsverfahren) ist in Österreich leicht rückläufig. Von Jänner bis September wurden laut AKV 6872 neue Verfahren eröffnet, um 5,3 Prozent weniger als im Vorjahr. Gestiegen ist die Zahl der mangels Kostendeckung abgewiesenen Verfahren, in Wien sogar um 20 Prozent. Ein Grund dafür ist die steigende Arbeitslosigkeit. Die Arbeitslosigkeit ist zugleich auch der Hauptgrund für Überschuldung (s. Grafik).
Die Durchschnittsverschuldung pro Verfahren beträgt rund 110.000 Euro, wobei jene der Männer mit 131.400 weit höher ist als die der Frauen mit 75.500. Fast zwei Drittel der Privatkonkurse entfällt auf Männer. Sieben von zehn schaffen die Schuldentilgung.
Vor allem Frauen in Teilzeit bleibt die Entschuldung oft verwehrt, weil sie die Mindestquote von zehn Prozent nicht schaffen. Schuldnerberater wollen die Mindestquote aufheben, Gläubigerschützer sind dagegen.
Bei einer Lohn- bzw. Gehaltspfändung wird das Einkommen vom Schuldner bis auf das Existenzminimum gepfändet. Der darüber hinausgehende Betrag wird direkt an die Gläubiger überwiesen. In Österreich gab es im Vorjahr 88.669 Gehaltspfändungen. Insgesamt wurden
693.842 Anträge auf Forderungsexekutionen gestellt.
ExistenzminimumDieses ist abhängig von der Einkommenshöhe und den Unterhaltspflichten. 2013 liegt die Untergrenze (ohne Unterhaltspflicht) bei 837,63 Euro. Auch das Arbeitslosengeld ist pfändbar.
DrittschuldnerArbeitgeber sind verpflichtet, eine genaue Rangordnung der anhängigen Exekutionen zu führen, das Existenzminimum zu errechnen und den pfändbaren Betrag an die Gläubiger zu überweisen.
ReihenfolgeDer Gläubiger, der als Erster einen Exekutionsantrag stellt, wird als Erster befriedigt, andere müssen warten. Problem: Die Schulden bei den „wartenden“ Gläubigern erhöhen sich durch Kosten und Zinsen weiter.