Zyprioten lassen sich nicht kleinkriegen
Der Frühling liegt in der Luft. Im Zentrum Nikosias schlendern Zypern-Urlauber aus Österreich, Deutschland und Großbritannien, letztere in kurzen Hosen, Eis schleckend durch die gut besuchte Ledra Street. Doch Geschäftigkeit und Leichtigkeit aus besseren Zeiten fehlen – genau so, wie einheimische Kunden. Jeder hält jetzt erst einmal sein Geld zusammen, weil keiner weiß, was noch zukommt.
„Vor der Kassa in einer Bank warten viele Leute, die Geld holen wollen. Plötzlich zieht der Kassier eine Pistole und ruft Überfall!“ Lachend und wild gestikulierend schildert Christos Michael die Karikatur, die er am Dienstag irgendwo in Zypern gesehen hat. Das Bild, sagt der 50-jährige zypriotische Immobilienmakler dann ernst, treffe genau den Punkt. Allen, die mehr als 100.000 Euro auf einer Bank in Zypern haben, wird ein Gutteil des Geldes weggenommen: 30 Prozent hatte es am Montag geheißen. Am Dienstag, an dem die Banken noch immer gesperrt blieben (sie sollen morgen wieder öffnen), sprach Finanzminister Sarris schon von bis zu 40 Prozent Zwangsabgabe. Weil die ihm gar nicht passte, ist der Chef der Bank of Cyprus, Andreas Artemi, am Dienstag aus Protest zurückgetreten. Die Bank soll zerschlagen werden.
Form des Kommunismus
Aus Sicht des Maklers ist die Zwangsabgabe „eine ausgeklügelte Form des Kommunismus“. Er erzählt von einem US-Chinesen, der bei ihm einen Hauskauf in der Küstenstadt Limassol abgeschlossen hat. Das Geld – 700.000 Euro – hat er auf eine zypriotische Bank überwiesen. „Wer weiß, wie viel ihm davon bleiben? Keine Ahnung, was er jetzt macht“, sagt der Makler. Er zuckt mit den Schultern. „Die Zyprioten wissen, dass sie die Krise zu verantworten haben.“ Aber die Europäer hätten ihnen mit dem Ultimatum, den Geldhahn am Montag zu zu drehen, die Pistole an den Kopf gesetzt, sagt Christos Michael. Warum, fragen viele, hat die EU der neu gewählten Regierung nicht mehr Zeit gelassen?
Angst und Unsicherheit, ja. Auch Ärger über das Vorgehen der europäischen Politiker und Banker, die Zypern schlussendlich mit einem Ultimatum in die Knie gezwungen haben. Aber von Panik oder Aggression ist keine Spur. Auch nicht am elften Tag, an dem die Banken geschlossen sind, damit das Kapital nicht von der Insel abgezogen werden kann.
Herzlich begegnen die Zyprioten den Fremden, mit beeindruckender Würde nehmen sie die Herausforderung, die auf sie zukommt, an. „Wir liegen am Boden, aber wir werden wieder aufstehen und diese Krise überwinden“, sagt, freundlich lächelnd Eleni Koutoumba (48). Die alleinerziehende Mutter und ebenfalls Maklerin hat keine Zweifel.
„Zeit für harte Arbeit ist gekommen“
Via SMS und Mail rief sie alle ihre Bekannten, Kunden, Freunde auf, keine Minute zu verlieren und über neue Geschäftsfelder nachzudenken. „Telekommunikation, Informationstechnologie, E-Commerce, Bildung, alternative Energiequellen, Medizin-Tourismus und so weiter. Wir haben ein hohes Potenzial an gut ausgebildeten und erfahrenen Menschen. Jetzt ist die Zeit für harte Arbeit gekommen!“
„Wir müssen jetzt den Schock überwinden“, schlägt Titina Loizidou (63) in die gleiche Kerbe. Sie appelliert an ihre Landsleute, der Geld-Gier abzusagen und sich alten Tugenden zu erinnern: „Philotimo – gemeinsam mit anderen ehrenhafte Taten setzen. Und Philoxenia – jeden Fremden als Freund eines Fremden zu sehen und auch entsprechend gastfreundlich aufzunehmen.“
Die Fremdenführerin betont das Potenzial, das im Tourismus liege. Es werde gezielt am Umbau für mehr Qualitätstourismus oder auch Medizintourismus gearbeitet. Krise hin oder her: „Zypern ist noch immer hier. Die Insel hat sich keinen Millimeter verschoben. Das angenehme Klima ist noch da, das Meer, die Strände, unsere jahrtausendalte Kultur und unsere gute Infrastruktur und gut ausgebildete Menschen sind es ebenso.“
Juli 1985: Die peruanische Regierung beschließt Ende Juli eine zweitägige Schließung von Banken und Wechselstuben. Das Wirtschafts-und Finanzministerium begründet dies damit, dass so "die Durchführung des neuen Wirtschaftsprogramms erleichtert werden" solle. Die Regierung wollte die zunehmende Verwendung des US-Dollar im inländischen Zahlungsverkehr bekämpfen.
November 1997: In Indonesien schließen am 1. November gleich 16 insolvente Banken. Damit soll das schwer angeschlagene Finanzsystem stabilisiert werden. Der Finanzminister sagt, dass die betroffenen Banken so insolvent seien, dass sie das Geschäftsleben gefährdeten und das Bankensystem störten. Die Liquidierung der Kreditinstitute gehört zu den Bedingungen des Internationalen Währungsfonds für eine Kredithilfe von 23 Milliarden Dollar zur Sanierung der Wirtschaft.
April 2002: In Argentinien verabschiedet das Parlament am 25. April ein Gesetz zur Blockade von Sparguthaben. Das ist die Voraussetzung, damit die seit 22. April geschlossenen Banken wieder öffnen können. Wegen der schweren Finanzkrise sind da bereits seit Dezember 2001 die Guthaben der Sparer eingefroren.
Juli 2002: Die Regierung Uruguays ordnet am 30. Juli die Schließung der Banken an. Das Land leidet wie der Nachbar Argentinien unter einer Vertrauenskrise und Kapitalflucht ins Ausland. Vor dem Schritt der Regierung gab es in Uruguay einen Sturm der Sparer auf Konten. Der Dollarkurs schoss innerhalb weniger Stunden von 29 Pesos auf 35 Pesos in die Höhe. Am 5. August öffnen die Banken wieder, die USA gewähren einen Sofortkredit über 1,5 Milliarden US-Dollar.