Totales Preis-Durcheinander überfordert Kunden
Von Anita Staudacher
Was den Händlern viel Aufwand erspart, könnte das Einkaufsverhalten nachhaltig verändern. Mit der flächendeckenden Einführung digitaler Preisschilder wird nämlich der Festpreis nach und nach abgeschafft.
Flatterpreise
Im Online-Handel sind so genannte "Flatterpreise" längst Realität. Versandriese Amazon etwa ändert bei wettbewerbsintensiven Produkten im Schnitt alle zehn Minuten die Preise. Der deutsche Otto-Versand ist stolz, die Preise stündlich nach oben oder unten bewegen zu können. "Je nach Wetter, Nachfrage oder Lagerbestand geht das ganz automatisch", erläuterte Harald Gutschi, Chef der Unito-Gruppe (Otto, Universal, Quelle), schon vor Monaten auf einer Pressekonferenz. Ist es gerade kalt, kostet der Daunenmantel mehr, bei hohen Temperaturen eben weniger. Angebot und Nachfrage bestimmen den Preis – wie an der Börse.
Datenspuren
Bei der sogenannten "dynamischen" oder gar "personalisierten Preisauszeichnung" nutzen die Händler immer ausgeklügeltere Software und Tools wie Google Analytics, die Datenspuren im Internet auswerten. Der Online-Shop, der öfter besucht wird, das Produkt, nach dem gesucht wird, Beziehungen, die via Facebook gepflegt werden oder das Endgerät, mit dem bestellt wird, liefern Daten für das automatisch erstellte Nutzerprofil als Grundlage für die Preisbildung. "Das Problem ist, man weiß als Konsument gar nicht, welche Daten die Händler von einem haben, es fehlt völlig an Transparenz", sagt Behrens.
iPhone-Effekt
Deutsche Konsumentenschützer fanden bei Testeinkäufen heraus, dass Bestellungen per Smartphone zumeist teurer waren als auf dem PC. Am teuersten war der Einkauf mit dem iPhone, denn Apple-Nutzer gelten als kaufkräftiger als andere. Das muss aber nicht immer so sein, manchmal finden iPhone-Besteller auch ganz andere Angebote vor. Entscheidend für den Preis kann auch sein, von welcher Preisvergleichsseite jemand auf die Angebote verlinkt wird.
Konsumentenschützer warnen davor, dass die Kunden durch die "Flatterpreise" jegliches Preisgefühl verlieren und Preisvergleiche gar nicht mehr möglich sind. Eine Entwicklung, wie sie online schon jetzt zu beobachten ist, könnte bald auf den stationären Handel überschwappen.
eSupermärkte?
Wie MediaMarkt stellen auch Lebensmittelhändler wie Spar und Rewe auf digitale Preisschilder um – zunächst nur in ausgewählten Filialen. Behrens glaubt nicht, dass die Supermärkte die Preise mehrmals am Tag ändern oder sogar personalisieren werden. Dies überfordere die Kunden.
Technisch wäre dies kein Problem. Mittels Smartphone-App und berührungsloser NFC-Technologie (Near Field Communication) könnten sich etwa Vorteilskunden mit dem digitalen Preisschild verbinden und einen günstigeren Preis angeboten bekommen. Ohne, dass es die anderen Kunden in der Filiale merken.
Ditmar Krusenbaum, Vorstandschef von MediaMarkt und Saturn in Österreich, über das schwache Geschäft mit Fernsehern, warum er die Preise bald auf Knopfdruck ändern wird und wieso ein und dasselbe Produkt in seinen Märkten zu unterschiedlichen Preisen angeboten werden kann.
KURIER: MediaMarkt stellt die Preisschilder auf digital um. Wollen Sie in Zukunft wie Tankstellen täglich den Preis ändern?
Sondern?
Die Welt da draußen dreht sich immer schneller, da können wir unsere Mitarbeiter nicht länger mit dem Filzstift Preisschilder malen lassen. Sie müssen sich um die Kunden kümmern, wir brauchen Verkäufer. Wenn die Preise digital ausgewiesen werden, haben unsere Mitarbeiter mehr Zeit für die Kunden, darum geht’s bei der Umstellung.
Und die Preise werden sich dann nicht öfter ändern als bisher?
Zumindest nicht wegen der Preisschilder.
Schon heute wird ein und dasselbe Markenprodukt in verschiedenen MediaMärkten zu unterschiedlichen Preisen angeboten. Wie argumentieren Sie das?
Unsere Preise werden nicht zentral, sondern dezentral von den einzelnen Marktleitern festgesetzt, die auch auf die Anbieter in ihrem Umfeld reagieren müssen. Das wird auch künftig so bleiben.
Sehen Sie angesichts der Konjunkturlage eine Kaufzurückhaltung in Österreich?
Der österreichische Markt verzeichnet im TV-Bereich einen zweistelligen Umsatzrückgang, aber nicht nur wegen der Konjunktur. Es gibt eine gewisse Marktsättigung, und es fehlte 2014 ein Großereignis wie eine Fußball-Weltmeisterschaft. Die EM 2016 wird sich positiv auswirken. Gut läuft es dagegen bei Kleingeräten wie Smartphones.
Auch dank der Industrie, die in immer kürzeren Intervallen neue Modelle in den Markt presst. Angeblich sinkt die Halbwertszeit vieler Geräte ...
Letzteres ist nicht einmal in Ansätzen bewiesen. Wir verkaufen übrigens immer mehr Smartphones im hochwertigen Bereich, also in der Preisklasse von 400 bis zu 700 Euro. Da kostet ein Smartphone gelegentlich schon mehr als ein Fernseher ...
Die Displays sind allerdings auch bald so groß wie früher ein Fernseher ...
Der Trend zu größeren Displays führt gelegentlich auch dazu, dass Tablets von Smartphones abgelöst werden.
Wofür geben die Leute denn nach wie vor richtig viel Geld aus?
Kochen ist in, deswegen gehen Küchenmaschinen gut. Alles rund ums Thema Kaffee ist ein Wachstumsmarkt. Wir verkaufen viele Kaffeemaschinen – vom Einstiegsbereich bis hin zu Vollautomaten um bis zu 2000 Euro. Betrachten Sie auch hier die Relation: Waschmaschinen bekommt man heute ab 200 Euro.
Sie haben aktuell 48 Märkte der Unternehmensgruppe MediaMarkt-Saturn in Österreich. Ist damit der Plafond erreicht?
Nächstes Jahr eröffnet noch ein großer Markt in Liezen. 2016 könnte auch der erste kleine MediaMarkt dazu kommen.
Was heißt klein?
Rund 1000 Quadratmeter.
MediaMarkt stand doch immer für die Großfläche. Ist das nicht ein Stilbruch?
Der Kunde wird dort auch alles kaufen können. Die Zustellung erfolgt dann am nächsten Tag aus dem Außenlager. Wir haben ja alles lagernd, das verlangt der Kunde. Ist die Waschmaschine kaputt, braucht er gleich eine neue.
Bei den Herstellern ist es jetzt aber auch große Mode, eigene Flagshipstores zu eröffnen. Werden die Händler in naher Zukunft nicht überhaupt überflüssig?
Es gibt genug Platz für Hersteller und Händler. Von dem her gehe ich davon aus, dass es uns beide noch lange geben wird.
Zumindest sind die Mitbewerber Niedermeyer und DiTech von der Bildfläche verschwunden. Haben Sie davon profitiert?
Zu Mitbewerbern sage ich prinzipiell nichts. Aber wir haben von September 2014 auf Oktober 2015 den Marktanteil auf 25 Prozent gesteigert. Die Umsätze entwickeln sich gut, Details werden in den nächsten Wochen veröffentlicht.
Die Handelsgruppe und ihr Chef
Ditmar Krusenbaum Der gebürtige Deutsche (57) ist seit April 2014 Vorstandschef von MediaMarkt und Saturn in Österreich. Zuletzt war er Chef der Imtron GmbH, einer 100-Prozent-Tochter der deutschen Media-Saturn-Holding, die für die Eigenmarken des Elektronikhändlers zuständig ist. Zuvor war er mehr als 30 Jahre bei Bosch-Siemens-Hausgeräte tätig. Auch in seinen früheren Funktionen war er für den österreichischen Markt verantwortlich.
MediaMarkt und Saturn Die deutsche Elektrohandelsgruppe ist aktuell mit 15 Saturn- und 33 MediaMarkt-Standorten in Österreich vertreten. Der Umsatz betrug zuletzt 1,1 Milliarden Euro, der Anteil der Gruppe am österreichischen Markt liegt bei 25 Prozent. Von den rund 290.000 Waschmaschinen, die jedes Jahr in Österreich verkauft werden, wird jede dritte von MediaMarkt verkauft. Durchschnittliche Besucherzahl pro Monat: 1,9 Millionen.