Wirtschaft

Think Austria – die Denkfabrik des Kanzlers startet neu

Ein Thinktank, der langfristig über Legislaturperioden hinaus denken soll, gehört eher nicht zu den Themen einer Übergangsregierung. Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein hatte daher die „Stabstelle für Strategie, Analyse und Planung“ im Bundeskanzleramt aufgelöst.

Seit einer Woche ist Think Austria, die 2018 von Sebastian Kurz initiierte und von der Opposition als „Blackbox“ kritisierte Zukunftswerkstatt, wieder aktiv. „Wir sind aus dem Sommer- und Herbstschlaf wieder erwacht“, sagt die ehrenamtliche Chefin Antonella Mei-Pochtler. Die international bestens vernetzte Beraterin kennt Kurz seit Jahren und zählt zum engeren Vertrautenkreis des ÖVP-Chefs.

Mit der neuen Koalitionsregierung haben sich die thematischen Schwerpunkte geändert. Die großen Themen auf der Agenda seien jetzt die „ökosoziale Transformation“ und Technologie-Fragen wie eine Wasserstoff-Strategie.

Mei-Pochtler will auch die Arbeitsweise etwas ändern. Bis dato traf sich der 12-köpfige Beirat, das „Sounding Board“ für den Bundeskanzler, in vollzähliger Konstitution nur zwei Mal. Hatte mit den Terminkalendern der Beteiligten zu tun. „Wir wollen eine Zellteilung des Sounding Boards. Mehr kleine, thematische Meetings, weiter in die Tiefe gehen“, erklärt Mei-Pochtler.

Auch personell wird das prominente Board teils neu aufgestellt. Neben schon tätigen Experten sollen neue Mitglieder dazukommen. Sie versuche, unterschiedliche Welten und Denkweisen, Althergebrachtes und Neues, zusammenzubringen, argumentiert die gebürtige Römerin, die bereits mit Anfang 30 Partnerin der internationalen Boston Consulting Group wurde. So spannte sie den Ex-Chef der Erste Group, Andreas Treichl, mit Wirecard-Gründer Markus Braun zusammen. Mit an Bord waren Ban Ki-moon, der frühere UNO-Generalsekretär, oder Runtastic-Gründer Florian Gschwandtner.

Fünf große Themen hat Mei-Pochtler definiert, die weltweit die Zukunft verändern werden: Geopolitisch die Verschiebung von Westen Richtung Osten, die postfossile Welt, die Digitalisierung und Ökologisierung der Industrie, das bionische Zeitalter (Mensch und Maschine) sowie die Frage, wie Menschen künftig arbeiten und lernen. In Österreich liege der Industrie-Anteil bei 30 Prozent: „Die Industrie muss aus einer fossilen Vergangenheit in eine postfossile Zukunft gehen. Die Frage ist, wie wir sie dabei begleiten können.“

Die Kosten von Think Austria beliefen sich 2018 auf 247.000 Euro. Neben dem Personalaufwand für die derzeit vier Mitarbeiter fallen hauptsächlich Reisespesen an.

Mei-Pochtler wurde im Vorjahr in den Aufsichtsrat des italienischen Versicherungskonzerns Generali berufen. Sie war Aufsichtsrats-Chefin des Vorarlberger Strumpfherstellers Wolford, ein Übernahmeversuch gemeinsam mit einem Investorenkonsortium scheiterte allerdings. Zum Zug kam stattdessen  der chinesische Finanzinvestor Fosun.

Zu Hause darf Mei-Pochtler dann wirtschaftspolitisch weiter diskutieren. Eines der Lieblingsthemen von Ehemann Christian Pochtler, neuer Präsident der Wiener Industrie und Eigentümer des Technologiekonzerns iSi Group, ist die Abschaffung der Kalten Progression.

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