Wirtschaft

Strom-Bosse im Regen

Eine desaströse internationale Marktsituation, sinkende Preise, wegbrechende Gewinne, der Aktienkurs im Keller und – als ob der Probleme nicht schon genug wären – ein umstrittener Vorstandsvorsitzender. Irrtum, diesmal geht es nicht um Österreichs größtes Unternehmen, den Öl- und Gaskonzern OMV. Sondern um den zweitgrößten, teilstaatlichen Energieversorger, den Verbund. Immerhin der größte Stromproduzent des Landes, an dem die Republik mit 51 Prozent die Mehrheit hält.

Aus der einstigen Cashcow für die Aktionäre und die Steuerzahler ist ein Problemfall geworden. Die Entwicklung am europäischen Energiemarkt setzt dem Verbund genauso zu wie allen Stromerzeugern. Wenn sich der Großhandelspreis für die Kilowattstunde innerhalb von sechs Jahren halbiert, besteht Handlungsbedarf. Die hoch subventionierte Sonnen- und Windenergie, für deren Betrieb die Konsumenten brav brennen dürfen, drückt auf die Großhandelspreise. Weil Kohle billig ist, wurden die umweltfreundlicheren, aber wesentlich teureren Gaskraftwerke eingemottet.

Die deutschen Stromgiganten wie RWE und E.ON mussten Milliarden abschreiben. Klar, dass auch der wesentlich kleinere Verbund arg gebeutelt wird. Vorbei ist’s mit der ehrgeizigen internationalen Expansion, die der Rechnungshof kürzlich zerriss.

Inzwischen hat sich der Verbund aus der Türkei, Italien, Frankreich und Bulgarien zurück gezogen. Die Geschäftsstrategie wird radikal geändert. Konzentration auf Österreich und Deutschland und auf die Wasserkraft. Die ja auch als erneuerbare Energie zählt und in der Alpenrepublik im Überfluss vorhanden ist.

Dürnrohr (Kohle) wird im Frühjahr 2015 abgedreht. Das Steinkohle-Kraftwerk Mellach muss wegen des Fernwärme-Liefervertrags für Graz weiter laufen. Das unrentable Gas-Kraftwerk muss laut gerichtlicher Anordnung für die Absicherung der Fernwärme vorgehalten halten. Noch ist nicht ausgestritten, wer für das teure Back-up zahlt.

Während die OMV zu Finanzminister Hans Jörg Schelling ressortiert, ist Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner für den Verbund zuständig. Sorgen mache er sich nicht, sagt der ÖVP-Chef, "alle Anbieter haben dieselben Probleme. Der Verbund muss genauso wie alle anderen mit den Verwerfungen am Strommarkt kämpfen". Er verfolge die Entwicklung aber "mit großer Aufmerksamkeit". Völlig richtig, so Mitterlehner, dass der Verbund jetzt seine Stranded Investements abschreibe und vorsorge.

Der Berater A.T.Kearney wurde mit einer Vergleichsstudie beauftragt und lotete Kostenpotenziale aus. Das Ergebnis: 250 Mitarbeiter wurden schon abgebaut, jetzt werden nochmals 250 Jobs gestrichen. Das Unternehmen, das in den 90er Jahren mehr als 5000 Arbeitnehmer beschäftigte, hält derzeit bei rund 3300.

"Der Markt im Stromgeschäft hat sich massiv verändert. Da steht der Verbund mit seinen Problemen noch relativ gut da. Wir machen keine Verluste", kalmiert Chef Wolfgang Anzengruber. Der größte Teil der Umstrukturierungen sei auf Schiene. Finanzminister Schelling, der jeden Euro fürs Budget braucht, wird mit der Dividende aber keine Freude haben. Für 2014 werden für die Republik nur 95 Millionen Euro abfallen. Im Vorjahr gab’s wegen des Türkei-Ausstiegs sogar noch eine Sonderdividende, mehr als 177 Millionen flossen in die Staatskasse.

Anzengruber, ebenso wie Mitterlehner Oberösterreicher und CVer, ist als Vorsitzender des Vorstands nicht unumstritten. Großaktionäre sind, trotz allem Verständnis für die widrige Marktlage, im Gegensatz zu Mitterlehner mit Anzengrubers Performance und seinen Managementqualitäten nicht zufrieden. So mancher öffentliche Auftritt wird hinter vorgehaltener Hand kritisiert. Die Stimmung im Vorstand ist alles andere als harmonisch, was Anzengruber freilich nicht so sieht.

Dass er seine Kollegin Ulrike Baumgartner-Gabitzer, der fachlich nichts vorzuwerfen war, im Vorjahr mit Hilfe von Aufsichtsrats-Chef Gilbert Frizberg aus dem Vorstand hinunter in die Tochtergesellschaft APG mobbte, brachte Anzengruber keine Sympathie-Punkte ein. Anzengruber befürchtete, die hervorragend vernetzte Baumgartner-Gabitzer, ehemals Kabinettschefin von VP-Kanzler Wolfgang Schüssel, könnte es auf seinen Job als Vorstandschef abgesehen haben – vermuten Insider.

Der Vorstand soll jedenfalls wieder verkleinert werden. Alle Vorstände würden gute Arbeit leisten, "doch wenn Mitarbeiter abgebaut werden, sollte der Aufsichtsrat auch prüfen, ob man noch vier Vorstände braucht", stellt Mitterlehner zur Diskussion. Namen will er im KURIER-Gespräch nicht nennen.

Ein vorzeitiger Abgang wird teuer. Neben Anzengruber sitzen der fachlich unbestrittene Johann Sereinig, der als Stabilitätsfaktor gesehen wird, sowie der Techniker Günther Rabensteiner. Beide sind der SPÖ zuzurechnen und wurden, ebenso wie Anzengruber, erst mit Jahresbeginn 2014 bis Ende 2018 verlängert. Eine Vertragsauflösung lässt sich daher schwer argumentieren. Um die Probleme wusste der Aufsichtsrat schließlich schon bei der Verlängerung des Trios. Außerdem hat die SPÖ auch noch ein Wörtchen mitzureden. Finanz-Vorstand Peter F. Kollmann kam erst heuer an Bord. Die Presse berichtet, Kollmann überlege, wegen schwerer Differenzen mit Anzengruber schon wieder zu gehen, Frizberg dementiert.

Apropos Aufsichtsrat. Im Frühjahr 2015 laufen die Mandate aller Kapitalvertreter aus. Für einige der Herren dürfte es Zeit zum Abschied sein. Vorsitzender Frizberg (ÖVP), ein Freund von Mitterlehners Vorgänger Martin Bartenstein, sitzt seit 2000 im Aufsichtsrat. Der steirische Industrielle will aber weiter bleiben. Obwohl Aufsichtsräte laut Corporate Governance nicht länger als 15 Jahre amtieren sollten.

Der ehemalige Raiffeisen-Banker Peter Püspök (ÖVP) will von sich aus gehen, ebenso der FP-nahe Papierindustrielle Alfred Heinzel. Nicht anzunehmen, dass der geschasste Flughafen-Chef Herbert Kaufmann (SPÖ) bleibt. Mitterlehner wünscht sich jedenfalls mehr Frauen und Experten. Die SPÖ will angesichts der schwarzen Übermacht endlich mehr Einfluss. Das wird noch ein lustiges Hauen und Stechen.