Wirtschaft

Steht ein Börsencrash bevor?

Die Grafik verbreitet sich im Internet wie ein Lauffeuer. Sie bildet die Entwicklung des US-Börsenindex Dow Jones 1928 bis 1930 und jene von 2012 bis 2014 ab. Und siehe da: Die Kurven sind nahezu identisch. Fazit: Wir stehen vor einem Börsencrash wie am 25. Oktober 1929, der als "Schwarzer Freitag" in die Börsengeschichte einging.

Der Chart, der von der US-Firma McClellan Financial Publications ausging und in Online-Medien als "Chart of Doom" weitergereicht wird, trifft den Nerv vieler Anleger. Nachdem große Börsen wie Frankfurt oder die Wall Street neue Rekordstände erreicht haben, wächst die Angst vor einem Absturz. Und da kommt so ein Chart gerade recht, um die Ängste weiter zu schüren.

Bei genauer Analyse der Grafik aber verflüchtigt sich die Spur zum bevorstehenden Untergang der Aktienmärkte rasch. Die deutschen Fondsmanager von Grüner Fisher Investments fanden nämlich heraus, dass die Y-Achsen der beiden Kursverläufe unterschiedlich eingeteilt sind. Dadurch ist der Parallellauf des US-Börsenindex 1928 – 30 und 2012 –14 nur ein scheinbarer. Werden die Werte auf der Y-Achse so aufgetragen, dass sie tatsächlich vergleichbar sind, kommt Grüner Fisher Investments zu einem ganz anderen Ergebnis. Während sich nämlich der Dow Jones in den Jahren 1928/29 verdoppelte, bewegte sich der Zuwachs von Juni 2012 bis heute bei 20 Prozent. Der Crash 1929 mit einer Halbierung des Aktienindex würde in dieser Entsprechung heute einen Rückgang der Börsenkurse um zwanzig Prozent bedeuten.

Leichtgläubig

Als groben Unfug bezeichnet Grüner Fisher Investments die Zahlenspielerei von McClellan denn auch. Günther Artner, Chef der Aktienanalyse in der Erste Group, kann dem nur zustimmen. "So einem Chart widme ich nicht einmal zwei Minuten. Da will sich einer nur wichtig machen", sagt er. Leichtgläubige Anleger aber könnten darauf reinfallen. Die aktuelle wirtschaftliche Lage aber habe keine Ähnlichkeiten mit 1929.

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"Wir kommen gerade aus der Krise und beginnen uns langsam zu erholen. Und die Notenbanken stehen dazu, die Zinsen noch länger tief zu halten", betont Artner. 1929 dagegen haben die Notenbanken abrupt den Geldhahn zugedreht. Artner sieht derzeit gute Gründe, dass es an den Börsen weiter aufwärts gehe. Untergangspropheten aber fänden immer einen guten Boden, vor allem nach einem langen Börseaufschwung wie jetzt. "Ich kann jederzeit 20 andere Situationen finden, in denen Charts ähnlich aussehen wie jetzt und die ganz andere Ergebnisse als der Doom-Chart bringen", betont er.

Glorreiche Aussichten

Einen dieser Charts hat auch Grüner Fisher Investments publiziert. Sie hat den Kursverlauf des Dow Jones von 1921 bis 1930 mit dem von 2009 bis jetzt verglichen und ebenfalls eine "erfreuliche Parallele" gefunden. 1925 habe der Bullenmarkt in den USA gerade erst Halbzeit gefeiert. Also könnten wir auch jetzt erst in der Halbzeit der Aktienkursanstiege stehen.

"Chart of Glory" tituliert die Investmentfirma diese Grafik scherzhaft und schreibt gleich dazu, was sie davon hält: "Zufällig konstruiertes Zahlenspiel." Nichts anderes sei auch der "Chart of Doom" – nämlich "an den Haaren herbeigezogen".