Wirtschaft

Sparpolitik: Europa muss Kurs ändern

In der Europäischen Union ist eine Debatte über den richtigen Weg aus der Krise entbrannt. Der deutsche Außenminister Guido Westerwelle (FDP) warnte am Dienstag in Brüssel vor einem Rückfall "in die alte Politik des Schuldenmachens". Wachstum könne nicht durch neue Schulden gekauft werden, "sondern Wachstum und Konsolidierungspolitik sind zwei Seiten derselben Medaille".

Jose Manuel Barroso hatte im Vorfeld Zweifel an einer Fortsetzung der bisherigen Sparpolitik geäußert. Am Montag hat der EU-Kommissionschef erneut angedeutet, manchen Krisenländern mehr Zeit zum Defizitabbau einräumen und den bisherigen Sparkurs der EU aufweichen zu wollen. Zwar sei die Politik des Sparens grundsätzlich richtig, aber er denke, sie habe in vieler Hinsicht ihre Grenzen erreicht.

Wut über "blinde Austeritätspolitik"

Angesichts schlechter Wirtschaftszahlen, steigender Staatsschulden und Rekordarbeitslosigkeit besonders unter jungen Menschen wird die Kritik an den Brüsseler Sparauflagen immer lauter. Nicht nur in den Krisenstaaten Griechenland, Portugal und Spanien ächzen die Menschen unter der Abwärtsspirale, auch EU-weit wächst der Unmut über die "blinde Austeritätspolitik", in Italien behindert er gar seit Wochen die Regierungsbildung.

Besonders junge Europäer hätten das Gefühl, dass ihr Leben nicht voran gehe, warnte EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy in einer Rede am Montag: "Die Geduld geht verständlicherweise verloren, und ein neues Gefühl der Dringlichkeit ist entstanden." Ohne Konjunkturimpulse und Arbeitsplätze könnten die politischen Reformen nicht fruchten.

Politik fährt an die Wand

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In der Mittwochausgabe der Zeitung Die Welt hat sich auch EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (BILD) für eine Abkehr vom bisherigen Kurs ausgesprochen. Haushaltskonsolidierung und Strukturreformen seien zwar unerlässlich, aber einseitig, sagte Schulz. "Ohne Wachstumsperspektive, ohne dass für die betroffenen Bevölkerungen ein Ende der Durststrecke abzusehen ist, fährt diese Politik vor die Wand. Auch in Deutschland werden wir dies spüren", mahnte Schulz.

Ähnlich äußerte sich die UN-Arbeitsorganisation ILO. "Angesichts der sich seit Ausbruch der Krise verschlimmernden sozialen Verhältnisse ist es klar, dass Europa seinen Kurs ändern muss", sagte ILO-Generaldirektor Guy Ryder der Süddeutschen Zeitung. Es sei nun eine Strategie notwendig, die sich stärker auf Wachstum und Arbeitsplätze konzentriere.

Feld: Keine Abkehr vom Konsolidierungskurs

Der Wirtschaftsweise Lars Feld forderte in der "Welt": "Es darf keine Abkehr vom Konsolidierungskurs geben, weil Zweifel an der Glaubwürdigkeit dieser Politik die Investoren erneut und verstärkt aus den hoch verschuldeten EU-Mitgliedstaaten treiben würde." Sein Kollege Christoph Schmidt argumentierte in derselben Zeitung: "Derzeit können Staatsschulden oft nur mit Hilfen der europäischen Ebene finanziert werden. Solange das so ist, würde eine langsamere Konsolidierung solche Hilfen zu einer Dauereinrichtung machen und den Euro-Raum auf Dauer destabilisieren."