Wirtschaft

So umgeht Putin die Sanktionen der EU

Das Endspiel der Fußball-WM 2018 im Moskauer Luschniki-Stadion könnte auf Hightech-Rasen aus Österreich stattfinden. Die niederösterreichische Firma Richter Rasen zählt zu den führenden Rollrasenherstellern weltweit und hat im besagten Stadion bereits mehrfach für das nötige Grün gesorgt. Jetzt hofft der Familienbetrieb, ebenso bei der WM 2018 mitspielen zu können wie 25 weitere heimische Unternehmen, die im Rahmen einer Wirtschaftsdelegation derzeit in Moskau um WM-Aufträge buhlen.

Anders als bei den olympischen Spielen in Sotschi sind die Erwartungen in Zeiten von Wirtschaftssanktionen und Krisenstimmung jedoch nicht sehr hoch. Zumindest eine rot-weiß-rote Charmeoffensive kann da nicht schaden. "Die Russen schätzen sehr, dass Österreich bei den Sanktionen nicht zu den Scharfmachern gehört. Diese Sympathie hilft uns, wenn es wieder aufwärts geht", weiß Dietmar Fellner, Österreichs Wirtschaftsdelegierter in Moskau.

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Die Fußball-WM in elf Städten steht bisher unter keinem guten Stern. Die schwere Wirtschaftskrise veranlasste den Gastgeber zuletzt, die Kosten für den Infrastruktur-Ausbau um fast 500 Millionen Euro zu kürzen. Betroffen sind vor allem Hotel-Bauten, der Stadienneu- und -ausbau soll kleiner ausfallen. Für großes Kopfzerbrechen sorgt die staatlich verordnete "made in Russia"-Strategie bei Ausschreibungen. Soll heißen, die Wertschöpfung muss in Russland bleiben, die Produktion vor Ort erfolgen. Beim Stadionbau darf kein importiertes Baumaterial verwendet werden, bereits importiertes muss durch heimisches ersetzt werden. Die meisten Bauaufträge wurden inzwischen ohnehin an russische Unternehmen vergeben.

Strabag winkt ab

Der heimische Bauriese Strabag hat unter diesen Bedingungen bereits abgewunken. "Die WM ist für uns kein Thema, wir arbeiten aus strategischen Gründen nicht mit öffentlichen Auftraggebern zusammen", sagt Strabag-Sprecherin Diana Neumüller-Klein zum KURIER. Rasenhersteller Richter kann sich nur schwer vorstellen, den Hightech-Rasen nicht in Österreich, sondern in Moskau zu produzieren: "Das wäre enorm aufwendig, wir brauchen Spezialmaschinen dazu."

Nicht nur bei den WM-Vorbereitungen, bei nahezu allen Ausschreibungen ist die lokale Wertschöpfung inzwischen ein Muss. "Der Wunsch zur Gründung von lokalen Niederlassungen ist sehr groß", sagt Fellner. Viele österreichische Firmen würden daher über eigene Produktionen in Russland nachdenken, insbesondere im Autozulieferbereich. "Ich hatte zuletzt mindestens 15 Firmenanfragen, ein Projekt steht kurz vor der Umsetzung", berichtet Fellner. Aktuell gibt es rund 600 Niederlassungen österreichischer Firmen. Im Mai eröffnet der Salzburger Holzverarbeiter Kronospan-Kaindl ein Werk.

Russland will mit der Regionalisierungs-Strategie die eigene Wirtschaftskraft stärken, um von Importen unabhängiger zu sein. Dafür braucht es ausländisches Know-How. Die Wirtschaftssanktionen hätten bisher vor allem private Klein- und Mittelbetriebe getroffen, erzählt Fellner. Diese könnten sich die hohen Kreditzinsen russischer Banken, die von ausländischen Kapital abgeschnitten sind, nicht mehr leisten.

Die EU, die Ukraine und Russland nehmen kommende Woche wieder ihre Gespräche über das Handelsabkommen zwischen der EU und Ukraine auf, das mit 1. Jänner 2016 in Kraft tritt. Dieser Dialog lag seit Herbst des Vorjahres auf Eis.

An dem Assoziierungsabkommen, zu dem der Handelsdeal gehört, hatte sich der Konflikt mit Russland entzündet, der in der weiteren Folge zur Besetzung der ukrainischen Halbinsel Krim und zu den Kämpfen im Osten des Landes führt.

"Rasch politische Gespräche"

Jetzt gibt es Hoffnungen auf Entspannung im Handelsstreit. Ein Sprecher der EU-Kommission sagte am Dienstag in Brüssel: „Wir erwarten, dass die Gespräche rasch von einer technischen auf eine politische Ebene kommen.“

Auf Druck Russlands haben sich die EU und Kiew 2014 bereit erklärt, das tiefe und umfassende Freihandelsabkommen mit der Ukraine erst 2016 voll in Kraft treten zu lassen, ohne Änderungen an dem Abkommen vorzunehmen. Ursprünglich hätte der Freihandelspakt bereits am 1. November 2014 in Kraft treten sollen. Russland behält sich Maßnahmen zum Schutz seiner Wirtschaft vor, etwa Zölle auf Importe aus der Ukraine.

Kiew hat Zugang zu EU-Markt

Die Gespräche am kommenden Dienstag und Mittwoch in Brüssel sollten zu einer praktischen Lösung in Hinblick auf die von Russland angeführten Bedenken führen, sagte der EU-Kommissionssprecher. Ungeachtet der Verschiebung des Freihandelsabkommens hat die EU der Ukraine bereits einen privilegierten Zugang zum EU-Markt gewährt.

Serbische Unternehmen sind die Optimisten des Balkans. Das zeigt eine Erhebung der Prisma Kreditversicherung unter 600 Unternehmen in den vier Staaten Kroatien, Bosnien, Slowenien und Serbien. 41 Prozent beurteilen die derzeitige wirtschaftliche Situation als „(sehr) gut“. Ihnen folgen Bosnier mit 31 Prozent. Slowenien und Kroatien, die gemessen an der objektiven Wirtschaftsleistung besser performen, sehen die aktuelle Situation nicht so rosig. Nur jeweils etwa jedes fünfte Unternehmen in den beiden Ländern sieht das momentane wirtschaftliche Klima als „(sehr) gut“ an. Bei der Einschätzung der nächsten zwölf Monate legen die Serben mit 48 Prozent „(sehr) positiv“ nochmals eines drauf und liegen damit ex aequo mit kroatischen Unternehmen.

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Serbien überrascht mit Optimismus und positiver Zukunftseinschätzung“, sagt Prisma-Vorstand Ludwig Mertes. „Trotz objektiv schlechter Wirtschaftsdaten herrscht in diesem Land Aufbruchsstimmung.“ Auch bei der Zahlungsmoral ist Serbien am positivsten gestimmt. Nur 21 Prozent beklagen eine „(sehr) schlechte“ Zahlungsmoral. In Kroatien sind es 26, in Bosnien 31 und in Slowenien 32 Prozent.

Österreichs Handelsbeziehungen mit Serbien sind jedoch noch ausbaufähig. Während Slowenen ihre Hauptabnehmer neben Deutschland (28 Prozent) in Österreich haben (17 Prozent), sind es in Serbien weniger als ein Prozent. - klee

Der deutsche Regisseur Peter Stein erzählt im Magazin Spiegel über seine langen Erfahrungen mit Russland: "Die Menschen sind versessen auf westliche Waren, westliche Filme, westliche Kultur, auf manchmal bescheuerte Art. Trotzdem steht eine große Mehrheit der Bevölkerung hinter Putin." Tatsächlich hat es der russische Staatschef geschafft, die Gier nach westlichem Luxus mit nationalistischer, anti-westlicher Propaganda zu verbinden. Doch die ökonomische Basis drohte er zu verlieren. Die wenig innovative Gas-Öl-Monokultur leidet unter den niedrigen Rohstoffpreisen, reiche Russen tragen ihr Geld ins Ausland und die Sanktionen nach der Krim-Annexion tun ein Übriges.

Also versucht es Putin mit Rezepten der gelenkten Staatswirtschaft: Wer bei der Fußball-WM im Jahr 2018 in 12 russischen Stadien dabei sein will, muss in Russland produzieren. Das wird im Einzelfall schwierig, etwa beim gepflegten Rasen, aber zwingt Unternehmen, in Russland Zweigstellen zu errichten (Siehe Seite 9 ).

Wie sehr die österreichische Wirtschaft von Osteuropa, eben auch Russland abhängig ist, zeigt ein Blick auf die Entwicklung des Wiener Aktienindex ATX. Im Zuge der "Ostfantasie" stieg er in nur 3 Jahren bis 2007 auf rund 5000 Punkte, jetzt liegen wir nach einem gewaltigen Absturz gerade einmal bei der Hälfte. Aber in diesem Jahr stieg er um 21 Prozent, fast so stark wie der deutsche Aktienindex DAX. Die Hoffnung lebt also, dass die Ukraine-Krise ausgestanden ist und unsere Unternehmen davon profitieren.

Handel und Sport verbinden die Menschen, und dann erst ein globales Fußballfest. Putin wird das auch für seine politischen Ziele benutzen und wir spielen mit, weil es wohl auch keine Alternative gibt.