Wirtschaft

Siemens: Kaeser löst Löscher ab

Der Wechsel an der Siemens-Spitze ist perfekt. Finanzvorstand Joe Kaeser löst den bisherigen Vorstandschef Peter Löscher an der Konzernspitze ab. Der Aufsichtsrat habe Kaesers Berufung einstimmig zum 1. August beschlossen, teilte das Unternehmen am Mittwoch in München mit. Der Österreicher Löscher lege sein Mandat "mit Ablauf des heutigen Tages nieder und scheidet in gegenseitigem Einvernehmen aus dem Vorstand der Siemens AG aus". Die Ernennung eines neuen Finanzvorstands werde zeitnah erfolgen, erklärte das Unternehmen.

Siemens kein Sanierungsfall

Kaeser kündigte an, dem Münchener Technologiekonzern nach Löschers Pannenserie wieder zu altem Glanz zu verhelfen. Siemens sei kein Sanierungsfall. "Wir haben uns zuletzt aber zu viel mit uns selbst beschäftigt und etwas die Ertragsdynamik gegenüber dem Wettbewerb verloren. Mein erklärtes Ziel ist es, Siemens in ein ruhiges Fahrwasser zurückzuführen und ein Hochleistungsteam zu formen". Im Herbst werde das "Team Siemens" eine überarbeitete Version des Renditeprogramms vorstellen und eine Vision für den Konzern entwerfen. "Siemens wird es auch nach 2014 geben", sagte Kaeser.

Löscher war nach einer Reihe von Misserfolgen und zuletzt einer neuerlichen Gewinnwarnung massiv unter Druck geraten. Am Wochenende hatte sich der Siemens-Aufsichtsrat unter der Führung von Chefkontrolleur Gerhard Cromme nach mehrstündigen Beratungen mehrheitlich auf seine Ablösung und auf Kaeser als neuen Konzernchef verständigt. Dabei soll es allerdings Meinungsverschiedenheiten über die Art und Weise der Ablösung gegeben haben.

Wie Siemens weiter erklärte, solle Löscher aber dem Unternehmen weiter verbunden bleiben und unter anderem den Vorsitz des Stiftungsrates der Siemens-Stiftung übernehmen.

Mit der Entscheidung Joe Kaeser zum neuen Siemens-Chef zu machen, kehrt ein ganzer Konzern zu seinen Wurzeln zurück. Nur Siemensianer - also Menschen, die schon lange fest mit dem Unternehmen verbunden sind - wurden in der Unternehmensgeschichte Chef. Einzige Ausnahme war der nun zum Fehleinkauf gestempelte Peter Löscher.

Kaeser ist eigentlich mehr Sepp als Joe: Als Josef Käser kam er am 23. Juni 1957 in Arnbruck im Kreis Regen im Bayerischen Wald zur Welt. Dort lebt der Niederbayer noch heute und wird von Freunden Sepp gerufen. Als am Sonntag der Führungskampf bei Siemens noch kräftig tobte, ließ er sich dort bei der Einweihung eines neuen Feuerwehrautos der Freiwilligen Feuerwehr sehen.

Für seine Bodenständigkeit loben die Menschen in Arnbruck ihren prominentesten Einwohner. Aber es gibt auch die andere, die weltläufige Seite: Seit einem Aufenthalt in den USA nennt sich Käser Kaeser und Joe statt Josef. Damit wollte er internationaler klingen - eine Namensänderung, die Ehrgeiz verrät.

Kaeser, dessen Frau im Gemeinderat sitzt und mit ihm zwei Töchter hat, ist Diplom-Betriebswirt. Nach dem Studium stieg er 1980 im kaufmännischen Bereich bei dem für seine Ingenieurskunst bekannten Siemens-Konzern ein. Er kümmerte sich in einem Siemens-Halbleiterwerk in Regensburg um die Finanzen. Dass ein Nicht-Ingenieur Chef wird, ist für Siemens allerdings nichts Neues mehr: Seit 1992 Heinrich von Pierer den Konzern übernahm, trug kein Vorstandschef mehr den Ingenieurstitel.

Von Regensburg, wo Kaeser auch zusammen mit seiner Frau studiert hatte, zog es diesen schon bald in die Welt. 1987 ging er nach Malaysia. Als er zurückkam, bekam er einen Posten als kaufmännischer Leiter. 1995 ging er nach San José in Kalifornien. Und erneut machte er nach seiner Rückkehr vier Jahre später einen Karrieresprung. Kaeser ging 1999 in die Zentralabteilung Finanzen des Konzerns. 2001 wurde er in den Bereichsvorstand Information und Communication Mobile berufen. Der endgültige Durchbruch gelang ihm 2004: Da berief ihn von Pierer zum Strategiechef.

Nicht ganz zwei Jahre verantwortete Kaeser die Siemens-Strategie, dann machte ihn von Pierers Nachfolger Klaus Kleinfeld im Mai 2006 zum Finanzchef des Konzerns. Während sowohl von Pierer als auch Kleinfeld als Folge des Ende 2006 losgebrochenen Schmiergeldskandals unfreundlich bei Siemens verabschiedet wurden, schaffte es Kaeser, in maßgeblicher Funktion im Konzern zu bleiben. Nicht nur das: Neben dem stets etwas distanzierten Löscher profilierte sich Kaeser als der wahre Kenner des Konzerninnenlebens.

Wollten Analysten Details über die Geschäfte wissen, fragten sie Kaeser, nicht Löscher. Im April gab Kaeser der "Rheinischen Post" ein Interview, das bereits mehr nach Vorstandschef klang als nach Finanzchef. "Gutes Management zeichnet sich nicht dadurch aus, dass es viele Stellen streicht, sondern dass es neue Geschäfte entwickelt. Und es zeichnet sich dadurch aus, dass es Strukturänderungen rechtzeitig erkennt und zügig, konsequent und verantwortungsvoll handelt." Zu dem Zeitpunkt lief es für Löscher schon mies - im Nachhinein klingt das Interview wie eine Mischung aus Kampfansage und Bewerbung.

Vorschusslorbeeren von Beschäftigten und Finanzmärkten hat Kaeser schon erhalten. Und auch die sonst so kritische Aktionärsschützerin Daniela Bergdolt hat keine Bedenken bei dessen bevorstehender Berufung. "Er kann es jetzt schaffen, dem Unternehmen Visionen zu geben, er hat den Zahlenbackground, aber er hat auch die Vernetzung innerhalb des Unternehmens", sagte Bergdolt dem Deutschlandradio. Kaeser könne das schaffen, was für die verunsicherten Siemens-Mitarbeiter nun nötig sei: "Also er ist der Mann, meiner Ansicht nach, der wirklich sagen kann, wir schließen jetzt die Reihen und wir schreiten voran, und wir sind jetzt eine Familie, wir sind ein Siemens, und jetzt geht es los!"