Wirtschaft

Serbien und Kroatien: Kleines China vor unserer Haustür

Statt des steilen Wirtschaftsaufschwungs, den sich Kroatien mit dem EU-Beitritt Mitte 2013 erwartet hatte, fiel das Land in eine tiefe Rezession. Zu unsicher waren die politischen Verhältnisse, zu wenig Fortschritte gab es bei der Umsetzung von neuen, EU-konformen Rechtsvorschriften und zu verbreitet blieben Korruption und Misswirtschaft. Investoren schreckte dieses Umfeld ab.

Wie riskant internationale Geldgeber das Land derzeit einschätzen, zeigen die Risikoprämien am Kapitalmarkt. "Nur Griechenland wird als riskanter beurteilt", erklärt der Österreichs Wirtschaftsdelegierter in Zagreb, Roman Rauch.

Doch nach den Wahlen von Freitag vergangener Woche keimt wieder Hoffnung unter den Bürgern des Landes auf. Der neue Premier, zuvor Top-Manager in Kanada, will die notwendigen Reformen wirklich angehen: Das ausufernde Budgetdefizit senken und den hohen Staatsanteil zurückfahren. Das wird eine schwierige Aufgabe, zumal die Arbeitslosigkeit mit knapp 20 Prozent schon jetzt viel zu hoch ist.

Doch ohne Reformen werden Auslandsinvestitionen, die Kroatien braucht, um einen Aufschwung zu schaffen, weiterhin nur tröpfeln. "Wir spüren seit Jahren eine Balkan-Müdigkeit der Investoren", sagt Rauch. Österreichs Unternehmen sind zwar die Nummer eins der ausländischen Investoren, doch in den vergangenen Jahren kam nicht allzu viel Neues dazu.

Verlängerte Werkbank

Punkten kann Kroatien vor allem mit billigen Arbeitskräften. Ausländische Unternehmen kommen daher mit Tochter-Betrieben ins Land, in die Lohnarbeit ausgelagert wird. Italiener wie Calzedonia oder Benetton lassen hier nähen, österreichische Autozulieferbetriebe Lederüberzüge für Autositze herstellen. Mit der neuen Regierung sieht Rauch "eine historische Chance", dass das Land nach vorne rückt. Steigen müsse vor allem die Forschungs- und Entwicklungsquote, die derzeit so niedrig ist wie in keinem anderen EU-Land.

Abwanderung

Alle Inhalte anzeigen
Auch Serbien ist vor allem "verlängerte Werkbank" für Betriebe aus der EU, wobei die mit Brüssel vereinbarte Zollfreiheit ein großer Vorteil ist. "Jetzt übersiedelt sogar so manches Textilunternehmen von der Türkei nach Serbien, weil hier die Löhne niedriger sind", sagt Österreichs Wirtschaftsdelegierte Erika Teoman-Brenner. Für die Unternehmen aus der EU sei Serbien "wie ein kleines China vor der Haustür". Die Perspektive auf einen EU-Beitritt sollte Impulse für neue Investitionen geben.

So wie in Kroatien steht aber auch den Serben eine Rosskur an Reformen bevor. Der aufgeblähte Staatssektor muss schrumpfen, die überschuldeten und nicht wettbewerbsfähigen Betriebe müssen auf Marktwirtschaft getrimmt werden. Das heißt vor allem eines: Die Arbeitslosigkeit, schon jetzt bei 20 Prozent, wird weiter steigen.

Zu befürchten ist, dass die Abwanderung unter den jungen Serben weiter zunimmt. "Statistisch gesehen ist Serbien das Land mit der zweithöchsten Abwanderung weltweit", sagt Teoman-Brenner. Für die Industrie sei das ein enormes Problem. Ausländische Betriebe würden qualifizierten Serben attraktive Angebote machen, wenn sie nach Auslandsaufenthalten wieder ins Land zurückkämen.

Die Flüchtlingswelle, die seit Sommer auch durch Serbien rollt, ist laut Teoman-Brenner kein Problem. Denn die Menschen blieben nicht in Serbien. Einheimische Unternehmer, wie etwa Bus-Unternehmen, profitierten von den Flüchtlingen.

Beitritts-Perspektive

Seit März 2012 hat Serbien den Status des EU-Beitrittskandidaten. Alle Parteien im Parlament in Belgrad unterstützen einen EU-Beitritt des Landes. Bis es so weit ist, wird allerdings noch einige Zeit vergehen. Denn erst im Dezember 2015 wurden Gespräche über das erste Verhandlungskapitel begonnen.

Kleine Erholung

Die Wirtschaft des Landes ist dabei, die tiefe Rezession der Jahre 2008 und 2014 hinter sich zu lassen. Im Vorjahr soll es nach ersten Schätzungen ein kleines Wachstum von 0,8 Prozent gegeben haben, heuer wird mit 1,8 Prozent gerechnet. Österreichische Unternehmen sind mit 2,8 Milliarden Euro Investitionssumme die Nummer eins der ausländischen Investoren. Knapp 500 Unternehmen aus Österreich sind in dem Land tätig.

Schlusslicht

Die leichte Erholung der Wirtschaft im Vorjahr ist ein Hoffnungsschimmer für die Kroaten. Dennoch bleibt das Land das Wachstums-Schlusslicht aller zentral- und südosteuropäischen Länder. 2016 ist mit einem schwachen Wachstum von 1,2 Prozent zu rechnen. Die neue Regierung sollte lang aufgeschobene Reformen angehen: Staatsbetrieben fehlt es an Effizienz, das Pensionssystem nähert sich der Unfinanzierbarkeit.

Österreich Nummer eins

Österreichische Unternehmen sind in Kroatien über die Jahre gerechnet die größten Investoren in dem Land. 2015 allerdings kamen wenig neue Betriebe nach Kroatien. Aus Österreich flossen nur 80,4 Millionen Euro an Investitionen nach Kroatien. Führend waren im Vorjahr Unternehmen aus den Niederlanden mit 145,5 Millionen Euro.