Wirtschaft

Semperit und Lenzing setzen voll auf Asien

Reis? Den gibt es hier nur für die Österreicher. Weil die beiden Semperit-Manager lokale Köstlichkeiten wie kalten Froschlaich auf heißer Papaya lieber meiden, bereitet der Koch in der Sempertrans-Werkskantine neuerdings auch „europäische Kost“ zu: Reis zum Frühstück, Reis zu Mittag, Reis am Abend.

Vor drei Jahren übernahm der heimische Industriekonzern Semperit 80 Prozent der Förderband-Fabrik in Zaozhung-City in der chinesischen Provinz Shandong – seine bereits dritte Produktionsstätte in China. 170 Mitarbeiter fertigen dort aus Natur- oder synthetischem Kautschuk mittels Vulkanisation robuste Fördergurte für die Industrie. Eingesetzt werden die bis zu zehn Kilometer langen Materialtransportbänder in Kohle- oder Kupferminen oder zum Be- und Entladen von Schiffen.

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Durch den jüngsten Rohstoff-Hunger in den USA oder China boomt das Geschäft der Semperit-Sparte Sempertrans. Erst kürzlich erteilte der deutsche Energieriese RWE den Österreichern einen Mega-Auftrag. „Unser größtes Potenzial liegt in Asien, vor allem in China“, sagt Sempertrans-Entwicklungschef Stephan Paischer. In absehbarer Zeit soll Zaozhung nur für den chinesischen Markt produzieren und Schritt für Schritt erweitert werden. Die Lohnkosten seien im Vergleich zu Schanghai noch niedrig, so Paischer, „aber sie machen auch hier große Sprünge“. Ein Arbeiter erhält rund 250 Euro pro Monat.
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Mehr als 2000 Beschäftigte zählt die von Semperit im Vorjahr erworbene Handschuh-Fertigung von Latexx Partners in Kamunting/Malaysia. Der Großteil davon sind Gastarbeiter aus Bangladesch oder Nepal, die bei Temperaturen von zumeist über 30 Grad bis zu zwölf Stunden am Tag arbeiten. Seit Kurzem wohnen sie im eigenen Mitarbeiter-Haus, das Besuchern gerne gezeigt wird. „Wir haben die Sozialstandards verbessert, es gibt jetzt Gebetsraum, Waschmaschine und Fernseher“, erzählt Semperit-Manager Reinhard Reisinger dem KURIER, der auf Einladung des Unternehmens vor Ort war.

Rationalisierung

Um in der Massenfertigung des Billigprodukts Einweg-Handschuh wettbewerbsfähig zu bleiben, setzen die Österreicher auch in Malaysia auf Automatisierung und Rationalisierung. Erst vor Kurzem wurde der Mindestlohn in Malaysia um 30 Prozent angehoben, die Arbeiter verdienen rund 220 Euro im Monat. So genannte Stripper, die den fertigen Handschuh von der Porzellanform herunterziehen, sind zum Teil schon von Maschinen ersetzt worden. Als Nächstes folgt die derzeit noch mühsam per Hand erledigte Verpackung.

Eine halbe Milliarde Einweg-Handschuhe aus Kautschuk oder Nitril (Synthetik) werden hier im Monat gefertigt. Abnehmer sind Spitäler, Hygiene-Marken oder Handelsketten wie Aldi Süd. Semperit baut vor allem auf einen steigenden Hygienebedarf in China. 60 Prozent aller Latex-Handschuhe werden in Malaysia gefertigt. Das von Palmöl-Plantagen übersäte Land lockt Investoren mit billigen Arbeitskräften und billigem Gas. Die Energiekosten machen zehn Prozent der Produktionskosten aus.

Semperit-Vorstandschef Thomas Fahnemann will die Asien-Lastigkeit seines Geschäfts bald auch im Top-Management abbilden. „Obwohl 7500 der 10.000 Mitarbeiter und 40 Prozent des Verkaufsteams in Asien sind, fehlt uns noch ein asiatischer Vorstand, das wird sich bis 2020 ändern.“ Standortmäßig ist Sempermed bereits voll asiatisch. Die zwei Werke in Malaysia und Thailand werden von Singapur aus gesteuert. Weitere Übernahmen in Asien schließt Fahnemann nicht aus.

Fasergeschäft

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Schon vor mehr als 30 Jahren ließ sich der heimische Faserhersteller Lenzing – eher zufällig – in Indonesien nieder und stieg bei South Pacific Viscose (SPV) in Purwakarta, 100 Kilometer östlich der Hauptstadt Jakarta, ein. Inzwischen ist SPV kapazitätsmäßig größer als der Mutterkonzern Lenzing selbst und für Vorstandschef Peter Untersperger „das Kronjuwel des Konzerns“. Auf fünf Produktionsebenen laufen 320.000 Tonnen Viskose vom Band, damit ist die SPV sogar das größte Viskosewerk weltweit. Abnehmer sind vor allem große Spinnereien in Indonesien, die aus den Fasern Garne für die Textilindustrie herstellen. 60 Prozent aller Textilfasern, vor allem Viskose und Polyester, stammen aus Indonesien.

Nach rasantem Wachstum ist nun aber Konsolidierung angesagt, erfahren österreichische Journalisten beim SPV-Werksbesuch. Der Viskosepreis liegt am Boden und die Energiepreise steigen auch in Indonesien rasant. Zudem plagen SPV logistische Probleme: Die Infrastruktur ist nach wie vor schlecht, die Fabrik liegt weit abseits im Landesinneren und ist nur über schmale Straßen erreichbar.

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Den 2000 Beschäftigten – 40 Prozent davon aus der Umgebung – werden Sozial- und Weiterbildungsprogramme angeboten, um sie nicht an andere westliche Firmen zu verlieren. Der Wettbewerb um qualifizierte Kräfte ist groß, die Arbeitslosigkeit in Indonesien freilich auch.

Trotz Konsolidierung setzt Untersperger auch in Zukunft voll auf Asien: „Was Umsatz und Mitarbeiter betrifft, sind wir ein asiatisches Unternehmen.“ Bis 2020 werden zwei Drittel des Umsatzes in Asien erzielt, daher müsse man auch die Organisation stärker fokussieren. Genau wie Semperit will auch Lenzing mehr Asiaten in die Führungsetagen holen. Sich ganz aus Österreich zu verabschieden und die Konzernzentrale nach Asien zu verlegen, sei jedoch kein Thema. „Unsere Heimat ist und bleibt Österreich“, betont Untersperger.

Semperit und Lenzing
Gummikonzern: Die Semperit Holding mit Sitz in Wien und der F&E-Zentrale in Wimpassing/NÖ ist ein führender Anbieter von Kautschuk- und Kunststoffprodukten. Die Palette reicht von Schutzhandschuhen über Fördergurte und Hydraulikschläuche bis zu Handauflagen für Rolltreppen. An 22 Produktionsstandorten weltweit arbeiten 10.000 Mitarbeiter, davon 7500 in Asien und 750 in Österreich.
Faserkonzern: Die Lenzing-Gruppe mit Sitz in Lenzing/OÖ und zwei Werken in Asien versorgt die Textil- und Nonwovens-Industrie (Windeln, Hygienetücher) mit industriell gefertigten Zellulosefasern wie Viskose, Modal oder Tencel. Von 6700 Mitarbeitern sind rund 3000 in Asien beschäftigt.

Shuttle-Busse karren Menschenmassen zwischen 15 riesigen Hallen hin und her; Stoffe, so weit das Auge reicht. Dem Besucher wird schnell klar: Hier geht es nicht darum, welche Kleidung gefertigt wird, sondern wie und woraus. 3700 Unternehmen aus 35 Ländern lassen sich die größte Stoffmesse der Welt nicht entgehen und zeigen auf der Intertextile Schanghai ihre Faser- und Verarbeitungstrends.

Italien und Deutschland sind mit eigenen, riesigen Pavillons vertreten. Deutschland wirbt selbstbewusst mit „Made in Germany“. Die rot-weiß-rote Flagge sucht man vergeblich. Einzig der heimische Faserhersteller Lenzing ist mit chinesischen Partnern auf einem Gemeinschaftsstand vertreten. Aus Rücksicht auf die chinesischen Partner habe man auf nationale Symbole verzichtet, heißt es. Der Fachverband in der Wirtschaftskammer verzichtete auf ein Messe-Engangement.

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Lenzing-Manager Andreas Dorner ortet auf der Messe einen Schwenk der Modeindustrie hin zu mehr Tragekomfort und nachhaltigen Rohstoffen. So zeigt sich etwa der Bekleidungsriese H&M ganz „grün“ mit Kleidungsstücken, die aus Bio-Baumwolle, recyceltem Polyester oder Tencel hergestellt wurden. Lenzing, die stark auf die aus Holz erzeugte Lyocell-Faser Tencel setzt, kommt dieses neue Umweltbewusstsein sehr entgegen.

Weitere Messetrends:

Denim Die Jeans wird wieder klassisch blau, grelle Farben sind Vergangenheit.

Druck Der neue Digitaldruck von Textilien vereinfacht und verbilligt das Bedrucken von Textilien, z. B. T-Shirts. Der Fantasie des Bedruckens mit Motiven sind keine Grenzen mehr gesetzt.

Strickware Strick ist wieder schick. „Die Strickware löst die Webware ab“, glaubt Dorner. Strickware zu produzieren ist einfacher als früher, lange Lagerhaltung könne dadurch vermieden werden.

Stretch Figurformend und trotzdem bequem. Der Leggins-Trend wird noch weiter ausgereizt und mit speziellen „Bodyshaping“-Effekten kombiniert.