Dem KURIER liegt die Anklageschrift über den fragwürdigen Immobilien-Deal vor.
Der internationale Immobilien-Boom hat vor Wien nicht haltgemacht. Die Innenstadt-Preise schossen in den vergangenen Jahren scheinbar unaufhaltsam nach oben. Ob sich allerdings eine kurzfristige Verdoppelung nur mit dem Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage erklären lässt, beschäftigt die Justiz nun schon seit fünf Jahren.
Jetzt liegt die Anklage in der Causa Schillerplatz vor, justizintern firmiert der mehr als 5000 Seiten dicke Akt unter „Telekom V“. Drei Justizminister hatten damit zu tun. Ex-Minister Dieter Böhmdorfer (blau-orange) setzte als Anwalt den Kaufvertrag auf. Unter Claudia Bandion-Ortner (VP) stellte die Staatsanwaltschaft 2009 das Verfahren ein. Zu dünn die Suppe, hieß es. VP-Ministerin Beatrix Karl gab für den zweiten Anlauf der Staatsanwaltschaft grünes Licht und genehmigte die Anklage. Die grüne Abgeordnete Gabriela Moser hatte den Fall zuerst 2008 und dann nochmals 2011 angezeigt.
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Die zentrale Frage für das Schöffengericht wird sein, ob die skandalgeschüttelte
Telekom Austria wieder einmal vorsätzlich abgezockt wurde – diesmal um 4,4 Millionen Euro. Oder ob Ex-ÖBB-Chef
Martin Huber und Ehefrau
Barbara Huber-Lippeinfach nur ein gutes Geschäft gemacht hatten.
Staatsanwältin Veronika Hennrich geht in der Anklageschrift davon aus, dass alle Beteiligten in der Telekom wussten, „dass der Kaufpreis viel zu gering war“ (siehe Faksimile). Und dass Huber und Gattin klar war, dass sie ein Schnäppchen weit unter dem tatsächlichen Verkehrswert erstanden hatten.Wie kam es überhaupt zu diesem Immobilien-Deal? Huber und sein langjährige Geschäftspartner aus der Zeit bei der Porr, der Bauunternehmer Anton Kallinger-Prskawetz, „um dessen finanzielle Situation es zu diesem Zeitpunkt schlecht bestellt war“, traten bereits Ende 2003 auf den Plan. Gemeinsam wollten sie das Dach des prachtvollen Telekom-Palais ausbauen.
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Kallinger-Prskawetz, mit dem damaligen Telekom-Chef
Heinz Sundtbefreundet, erhielt 2005 eine Option auf zwei Geschoße zum Kaufpreis von 5,4 Millionen Euro, den
Sundt laut Anklage „unternehmensintern vorgab“ Neben
Sundt unterschrieb auch sein für Immobilien zuständiger Vorstandskollege
Stefano Colombo.
Huber machte schon vorher die erste Bauträger-Kalkulation, deren Schätzungen für die künftigen Wohnungen und Büros deutlich über dem Telekom-Preis lagen.
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Doch
Kallinger-Prskawetz, 81, erkrankte schwer und
Huber gründete 2006 die „
Schillerplatz Projektentwicklungs GmbH“, kurz
SP4. 25 Prozent hielt seine Ehefrau. Die gelernte Drogistin und selbstständige Lebens- und Sozialberaterin, firmierte auch als Geschäftsführerin. Den Rest hielt
Hubers Steuerberater.
Sundt und
Colombo segneten auch den Kaufvertrag mit der
SP4 ab, der Kaufpreis blieb bei den 5,4 Millionen. Auffällig: Der heute ebenfalls schwer kranke Telekom-Prokurist
Wolfgang F.weigerte sich damals, zu unterschreiben.
Anfang 2008 erstand die Seeste Bau AG, einer der Großinvestoren am neuen Wiener Hauptbahnhof, um knapp elf Millionen Euro die SP4, deren einziges Vermögen aus den zwei Schillerplatz-Etagen bestand. Macht für die Hubers eine Differenz zum Kaufpreis von fast 5,6 Millionen Euro. Auch nach dem Abzug von rund 400.000 Euro Planungskosten immer noch höchst lukrativ.
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Die
Staatsanwaltschaft wirft den Telekom-Managern vor, dass sie kein Gutachten über den aktuellen Verkehrswert (tatsächlicher Marktpreis) einholten. Es seien „
keine besonderen betriebswirtschaftliche Kenntnisse dafür erforderlich“, um als Vorstandsdirektoren zu wissen, dass für einen derartigen Immobilienverkauf ein sachverständiges Verkehrswertgutachten notwendig sei. Weshalb die Justiz selbst begutachten ließ, der Sachverständige kam auf einen Verkehrswert von 9,8 Millionen Euro. Die Anklage beziffert den Schaden für die
Telekom daher mit 4,4 Millionen Euro.
Sundt und
Colombo wird Untreue vorgeworfen, den
Hubers Beihilfe zur Untreue. Er sei „froh“, dass die Causa
Schillerplatz „nun vor einem ordentlichen Gericht verhandelt wird“, erklärte
Huber gegenüber dem KURIER. Die Gesellschafter der
SP4 „haben stets die Sorgfalt ordentlicher Kaufleute walten lassen“.Als
Staatsanwaltschaft und interne Revision längst recherchierten, tauchte in der
Telekom plötzlich doch ein Gutachten auf. Vom Ziviltechniker
Peter K., der den Verkehrswert auf 5,25 Millionen Euro schätzte. Kleiner Schönheitsfehler: Diese Expertise, datiert mit Mai 2005, wurde laut Anklage erst 2008 angefertigt. Der Gutachter hatte einen Rahmenvertrag mit der
Telekom. Er gestand nach einer
Hausdurchsuchung, dass er von
Erich Zanoni und
Birgit Wagner(beide damals Mitarbeiter in der Telekom-Immobilienabteilung) erst 2007 oder 2008 damit beauftragt worden sei.
Wagner und
Zanoni hätten laut Anklage
Sundt und
Colombo sowie allfällige weitere Beteiligte „
vor einer Verfolgung schützen wollen“. Weshalb die beiden Telekom-Mitarbeiter sowie der Gutachter, der mit
Zanoni befreundet sein soll, wegen des Verdachts auf Beweismittelfälschung und Begünstigung angeklagt sind.
Wagner, seit 2011 Chefin des ÖBB-Personenverkehrs, erhält wie berichtet von Bahn-Chef
Christian Kernund dem Aufsichtsrat einen Vertrauensvorschuss. Sie wird nicht suspendiert. Gegen
Zanoni läuft außerdem ein Untreue-Verfahren. In Zusammenhang mit dem Immobilien-Geschäft Nordbergstraße von Grasser-Spezi
Walter Meischberger.
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Die Telekom hat sich dem Verfahren als Privatbeteiligte angeschlossen und beziffert ihren Schaden mit eben jenen 4,4 Millionen Euro. Colombo, in der Telekom-Kursaffäre nicht rechtskräftig zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt, bot der Telekom bereits eine Schadenswiedergutmachung von rund drei Millionen Euro an. Inzwischen sind die Verhandlungen aber „sanft entschlummert“, bedauert sein AnwaltKurt Kaday. Colombos Wiener Konto mit 3,175 Millionen Euro ist nach wie vor eingefroren. Sundt hat im Gegensatz zu Colombo kein Immobilienvermögen mehr. Er verschenkte seine Liegenschaften an EhefrauBrigitta und SohnThomas, freilich erst im Vorjahr. Sollte der ehemalige Telekom-Boss, der in der Kursaffäre freigesprochen wurde, allerdings in Sachen Schillerplatz rechtskräftig verurteilt werden, kann’s wegen der Schenkung noch Ungemach geben.Der Sundt-Junior bekam in der Ära Huber übrigens einen Job bei den ÖBB. Hubers Sohn wiederum stieg unter Sundt bei der Telekom ein. Ganz sicher reine Zufälle. Für alle Beschuldigten gilt wie immer die Unschuldsvermutung.