Das süße Leben wird bald teurer
Von Simone Hoepke
Bittere Zeiten für Schokoladehersteller: Die Preise für Haselnüsse und Kakao schießen in die Höhe, auch Milchpulver wird teurer. Branchenvertreter gehen längst davon aus, dass Produzenten die Kostensteigerungen nicht mehr schlucken können – und sie in Form von Preiserhöhungen an die Kunden weiterreichen werden.
Ein Hauptgrund für die Steigerungen liegt in der Türkei. Das Land liefert gewöhnlich rund 800.000 Tonnen Haselnüsse im Jahr und deckt damit rund 70 Prozent des weltweiten Bedarfs. Heuer dürfte die Ernte laut ersten Schätzungen aber auf die Hälfte der normalen Menge fallen. Grund dafür ist eine kurze Kälteperiode im Frühjahr, die in den Anbaugebieten am Schwarzen Meer unzählige Blüten an den Sträuchern erfrieren hat lassen.
Leitwährung Haselnuss
"Es gibt bereits Befürchtungen, dass der Weltmarktbedarf nicht gedeckt werden kann", sagt Thomas Weeber, Manager des deutschen Schokolade-Produzenten Ritter Sport. Die Preise haben sich laut seinen Angaben ohnehin schon fast verdoppelt: "2013 hat ein Kilo 6,70 Euro gekostet, aktuell stehen wir bei 11 Euro." Nebeneffekt: Die Haselnüsse ziehen auch die Preise für andere Nüsse, wie Mandeln, nach oben.
Zudem machen die Kakaobutter-Preise den Herstellen zu schaffen. Sie haben im Sommer ein Drei-Jahres-Hoch erreicht. Experten argumentieren mit dem weltweit steigenden Appetit auf Schokolade. Vor allem in Osteuropa, China und Indien gibt es zweistellige Steigerungsraten. Der weltgrößte Schokoladenhersteller, Barry Callebaut, hat in den Schwellenländern zuletzt Umsatzzuwächse von mehr als 60 Prozent gemeldet. Dazu kommen die Rohstoffspekulanten. "Bis Kakao zum Verbraucher kommt, hat er rund 50-mal dem Besitzer gewechselt", meint Weeber.
Gusto auf Keks
In Westeuropa ist der Markt für Schokolade gesättigt. Die Österreicher essen durchschnittlich zehn Kilo im Jahr, die Italiener halb, die Briten doppelt so viel. Große Sprünge sind aus Herstellersicht in unseren Breiten nicht mehr zu erwarten. Deswegen wollen sich einige Süßwarenhersteller breiter aufstellen und bieten verstärkt auch Kekse und Backwaren an. Nebeneffekt: Die Produktionskosten sind niedriger, die Erträge damit höher, sagen Branchenkenner.
Fest steht, dass unter anderem der US-Nahrungsmittelkonzern Mondelez, zudem auch die Marke Milka gehört, gerade eine neue Keksfabrik in Tschechien baut. Die Inbetriebnahme soll im ersten Halbjahr 2015 erfolgen.
Am österreichischen Schokoladenmarkt ist Milka die unangefochtene Nummer eins. Auf das Konto des Branchenriesen soll rund die Hälfte des Umsatzkuchens entfallen. Weit abgeschlagen folgen die Schweizer Lindt-Gruppe und die deutsche Ritter Sport (9 bzw. 7,2 Prozent Marktanteil). Der Schokolademarkt ist hierzulande 170 Millionen Euro schwer. Da Schokolade für gewöhnlich nicht auf dem Einkaufszettel steht, werden Impulskäufe mit Aktionen angekurbelt. Geschätzte vier von zehn Tafeln wandern zu Aktionspreisen in die Einkaufssackerl. Die Branche startet jetzt in die Hochsaison: In den letzten vier Monaten des Jahres werden traditionell mehr als 40 Prozent des Umsatzes hereingespielt.
Wie das Aroma in die Schokolade kommt:
Fünf Tonnen Schokolade sprudeln in der Stunde aus dem überdimensionalen Schokoladebrunnen im Ritter-Sport-Werk in Waldenbuch, eine gute halbe Autostunde von Stuttgart entfernt. Die Schokolade fließt in Formen und wird durchgerüttelt – damit sich keine Blasen in den Schokostücken bilden. Auf dem Fließband geht’s weiter in einen hallenartigen Kühlschrank und wenig später zur Verpackungsstation. Der Geschmack ist vorerst noch enttäuschend: „Er braucht zwei Tage, bis er sich voll entwickelt“, erklärt ein Mitarbeiter.
Das Familienunternehmen Ritter Sport produziert ausschließlich in Waldenbuch. Die Fabrik verarbeitet jährlich Rohstoffe im Wert von 200 Mio. Euro – ein guter Teil entfällt auf Kakaobutter und Nüsse. Vollautomatisch werden Zutaten zusammengemischt, über temperierte Edelstahlrohre wird Kakaomasse quer durch das Gebäude transportiert. Überall rattern Maschinen. Nur vereinzelt sind Mitarbeiter in weißen Kitteln und mit weißen Hygiene-Hauben zu sehen. Meist sitzen sie in Glaskobeln, von denen aus sie die Maschinen überwachen.
Bei 300 Tonnen Tagesproduktion gibt es freilich auch viel Bruch-Ware – bis zu sechs Tonnen am Tag. Dieser Teil ist sozusagen für die Katz. Der Großteil davon wird an Futtermittelwerke geliefert und etwa zu Drops verarbeitet. Abfallendes Kakaopulver geht unter anderem an die Pharmaindustrie – zum Färben von Cremen.
3 Millionen Tafeln
Ritter Sport setzt 380 Mio. Euro im Jahr um. Österreich ist nach Russland, Italien und den USA viertgrößter Auslandsmarkt. 2013 stieg der Österreich-Umsatz um 20 Prozent auf 12 Mio. Euro.
„Der Umsatz wird 2014 aufgrund des Auslandsgeschäftes zulegen, aber unser Ergebnis wird nicht schön“, sagt Ritter-Sport-Sprecher Thomas Seeger mit Verweis auf die Rohstoffpreise. Für die 1000 Mitarbeiter sind das bittere Nachrichten. Sie sind am Firmenerfolg beteiligt.
Die Stiftung Warentest hat dem Schokoladenproduzenten Ritter Sport just vor dem Weihnachtsgeschäft 2013 vorgeworfen, künstliche Aromen zu verwenden und gab der quadratischen Schokolade die Note „mangelhaft“. Die Wogen bei Ritter gingen naturgemäß hoch. Die Handelsketten drohten mit Auslistung, wenn die Vorwürfe nicht widerlegt werden, die Imagewerte von Ritter Sport rutschten empfindlich ab. Es folgte ein einjähriger Rechtsstreit, der diese Woche beigelegt wurde. Die Stifter räumten ein, nicht präzise und ausführlich genug dargelegt zu haben, wie sie zur Beurteilung gekommen sind.
„Diese Einsicht hätten wir uns früher gewünscht“, sagt Ritter-Sport-Sprecher Thomas Seeger. Der Imageschaden sei enorm. Erst langsam würden sich die Werte erholen. Der wirtschaftliche Schaden könne gar nicht beziffert werden.
Streitigkeiten vor Gericht sind in der Süßwarenbranche keine Seltenheit. Meist spielen sie sich zwischen den Herstellern ab. So wollte Katjes verhindern, dass Rivale Haribo den Begriff „Yogurt Gum“ verwendet, Ritter Sport, dass Milka auch quadratische Tafeln auf den Markt bringt. Beide sind mit ihren Versuchen gescheitert.