Wirtschaft

Entscheidung über Stepic-Nachfolge am 7. Juni

Die Nachfolge-Entscheidung zieht sich. Am Mittwoch war bekannt geworden, dass der langjährige Chef der Raiffeisen Bank International (RBI), Herbert Stepic, ein Immobiliengeschäft über Steueroasen abgewickelt hat. Am Freitag bot er seinen Rücktritt an (mehr dazu hier), um einen Image-Schaden vom Konzern abzuwenden, wie er sagte. Das Geschäft sei aber legal. Schon für Montag war eine Neuregelung erwartet worden - diese wurde aber nun aber auf den 7. Juni verschoben. Für diesen Tag ist eine Sitzung des RBI-Aufsichtsrats vorgesehen.

Stepic hat die RBI zu dem gemacht, was sie heute ist: eine führende Bank in Mittel- und Osteuropa. Seinen Abgang hätte er sich wohl ruhmvoller gewünscht.

Bilder: Herbert Stepic im Porträt

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Als hoch wahrscheinlich gilt, dass der neue RBI-Boss aus dem bestehenden Vorstandsteam kommt. Stepic-Vize Karl Sevelda (63) könnte rasch – zumindest vorübergehend – übernehmen. Als heiße Tipps für die Neubesetzung des Chef-Postens gelten die RBI-Vorstände Johann Strobl und Martin Grüll – beide profunde Kenner des Bankgeschäfts in Zentral-und Osteuropa.

Der Aufsichtsrat muss zunächst den Rücktritt von Stepic offiziell annehmen. Dabei werden wohl auch die Abfindungsmodalitäten für den Banker ein Thema werden. Stepic hat einen gültigen Vertrag bis Ende 2015. Auf den neuen RBI-Chef wartet eine Reihe von schwierigen Aufgaben. Da ist zunächst die Frage, wie es in Zentral- und Osteuropa weitergeht. Stepic hat ja nach der Totalübernahme der Polbank 2012 eine Konsolidierung angekündigt. Schon die Übernahme dieser polnischen Bank wurde nicht von allen im Raiffeisensektor goutiert. Manche hätten es lieber gesehen, dass die RBI mit der Rückzahlung des Staatsgeldes von 1,75 Milliarden Euro beginnt. Die Staatsgeld-Rückzahlung wird nun ganz oben auf der Agenda des neuen Chefs stehen. Denn die Zinsen– derzeit acht Prozent – steigen ab 2015.

Am Dienstag, veröffentlicht die RBI ihr Ergebnis für das erste Quartal. Analysten erwarten einen Gewinnrückgang um 70 Prozent.

Ganz sicher werden die OffshoreLeaks die Steuer- und Anlagegebahrung von weiteren mehr oder minder prominenten Österreichern zum Thema machen. Der KURIER wird darüber genauso unvoreingenommen und unbeeinflusst berichten wie im Fall Stepic. Dass der erste publik gewordene Fall ausgerechnet im Raiffeisen-Konzern und damit in der Einflusssphäre der KURIER-Eigentümer spielte, hat für uns vergangene Woche keine Rolle gespielt. Unsere Recherchen waren genauso faktentreu, die Berichterstattung genauso objektiv, wie es KURIER-Leser bei allen Themen erwarten dürfen.

Das hat manchen Mitbewerber dennoch nicht davon abgehalten, fehlende eigene Recherchen durch krause Verschwörungstheorien zu ersetzen. Die Kronen-Zeitung vermutete hinter dem Rücktritt von RBI-Chef Stepic eine Intrige, an der auch der KURIER beteiligt gewesen sein soll. Im Zentralorgan des Obskurantismus verwundert derartiger Unsinn nicht.

Leider begab sich aber auch die Presse-Redakteurin Kordik auf dieses Niveau. Deshalb zur Klarstellung: Als das Magazin News seine Kooperation mit OffshoreLeaks bekannt gab, war klar, dass auch Österreicher von Veröffentlichungen ausländischer Bankkonten betroffen sein würden. Die KURIER-Redakteure recherchierten, auch bei ausländischen Offshore-Partnern, erfuhren den Namen Stepic, konfrontierten ihn damit.

Das war saubere journalistische Arbeit, die auch Frau Kordik hätte betreiben können. Dann hätte sie die Stepic-Geschichte nicht verschlafen, sondern ihren Lesern präsentieren können, statt Tage später mit primitiven Spekulationen eine Kolumne zu füllen. Sie hätte alle Fakten auch von mir erfahren können.

Die KURIER-Redaktion ist zu Recht stolz auf ihr Redakteursstatut und lebt die darin garantierte Unabhängigkeit täglich.

Helmut Brandstätter

Chefredakteur

Der Sturz von Österreichs erfolgreichstem und bestverdienendem Banker Stepic ist wohl nur der Beginn einer Serie von Enthüllungen mit drastischen Folgen. Das überfällige grundsätzliche Ende für fragwürdige bis kriminelle Geschäfte von ökonomischen Eliten bahnt sich auch international an.

Dutzende weitere Österreicher hat der Aufdecker Kuch für das Magazin News bereits aus dem unübersichtlichen Material von „Offshore-Leaks“ gefiltert. Für noch wichtiger hält der Journalist die Chance, mit dem Material an die Nutznießer zahlreicher verdächtiger Offshore-Firmen zu kommen. An deren Anonymität waren Staatsanwaltschaften bisher angestanden.

Der Wettlauf zwischen strafbefreienden Selbstanzeigen und intensivierter Aufklärungsarbeit von Justiz und Finanz ist damit eröffnet.

Man muss dabei mit vielen Namen rechnen, die wie der gefallene Stepic zu den honorigen Erfolgreichen mit altem oder sehr neuem Reichtum gehören. Steuervermeidende Vermögenssteigerung auch mit Methoden bis an oder gelegentlich jenseits gesetzlicher Grenzen galt bisher für viele weithin schlimmstenfalls als Kavaliersdelikt oder als legitimer Widerstand gegen einen verschwenderisch agierenden Steuerstaat.

Es ist nicht nur Gier

Bei den Erklärungsversuchen für anrüchige Methoden der Vermögensmehrung steht traditionell simple Gier im Vordergrund. Dass dahinter mehr steckt, hat ein deutscher Wissenschaftler in Umfragen bei Reichen und Mächtigen für die erste umfassende Studie über deren Denkweise herausgefunden: „Ein erheblicher Teil vor allem der Wirtschaftselite denkt: Die Gesetze und Regeln sind für die normale Bevölkerung da, für uns gelten sie nur begrenzt.“

Das ist Ergebnis von Jahrzehnten des zügel- und regellosen Turbo-Kapitalismus. Aus dem absoluten ökonomischen Primat der Eigentümer nach der Philosophie des Shareholder Values erwuchs den Managern von großen Unternehmen und bei den Besitzern von großen Vermögen das moralbefreite Denken von „anything goes“. Alles ist möglich und wir dürfen alles.

Die furchtbaren finanziellen und sozialen Folgen der Wirtschaftskrise für Staaten und Normalbürger führen nun aber endlich zum rasch wachsenden gesellschaftlichen und politischen Widerstand gegen den ökonomischen Furor der globalen ökonomischen Eliten.

Die weiteren Enthüllungen aus den unermesslichen Datenmassen von „Offshore-Leaks“ sind – im einschlägigen Jargon – vergleichbar bloß Peanuts. Der eben gestartete politische Kampf in USA und EU gegen die globale Steuerflucht von Big Business und seinen Eigentümern kann die wirkliche Wende bringen.

Allein den EU-Staaten entgehen durch legale und kriminelle Steuervermeidung jährlich 1000 Milliarden Euro. Gleichzeitig wollen die EU-Staaten jetzt 6 Milliarden für die Bekämpfung der seuchenartigen Jugendarbeitslosigkeit freimachen. Also gerade so viel, wie sie derzeit in 2 Tagen an Steuerverlusten verzeichnen.