Wirtschaft

Was Nabucco scheitern ließ

Österreich wird noch Jahre vom – teuren – russischen Erdgas abhängig bleiben: Das Pipeline-Projekt „Nabucco“ unter Federführung der OMV, das Gas aus dem Kaspischen Meer via Österreich nach Westeuropa bringen sollte, ist gescheitert. Das Lieferantenkonsortium, bestehend aus der aserbaidschanischen Energiegesellschaft Socar, BP und Total entschied sich am Mittwoch für das Konkurrenzprojekt: die Transadriatische Pipeline (TAP), die durch Griechenland und Italien nach Westeuropa gehen soll.

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Schon lange hatte sich abgezeichnet, dass das Projekt mangels ausreichender politischer Unterstützung durch die EU der TAP unterliegen würde. Die EU hatte sich stets neutral zu beiden Pipeline-Vorhaben gestellt. Der große Umbau des westeuropäischen Gasbezugs und die Verringerung der Abhängigkeit vom Russengas , die vor Jahren der Grund für die Planung der Nabucco waren, findet nun nicht statt. Denn Italien und Griechenland beziehen große Gasmengen aus Algerien und nicht aus Russland. Die Nabucco-Partner Österreich, Ungarn, Rumänien und Bulgarien dagegen sind zu 60 Prozent und mehr von russischen Gaslieferungen abhängig. Offiziell wird freilich nicht zugegeben, dass sich die Russen im Pipeline-Wettlauf durchgesetzt haben. „Die Gaspreise in Griechenland und Italien sind höher als in den anderen europäischen Ländern“, begründet das Gaslieferkonsortium die Bevorzugung der TAP.

Experte erwartet keine Gaspreiserhöhungen

Der Politologe und Russland-Experte Gerhard Mangott ortet aufgrund des Aus der Nabucco-Pipeline einen "großen Ansehensverlust", da viel Zeit und Geld in dieses Vorhaben gesteckt worden sei. Die OMV habe viel zu lang an dem "unrealistischen Projekt" festgehalten, sagte der Innsbrucker Uni-Professor am Donnerstag im Ö1-"Morgenjournal" des ORF-Radio. Gaspreiserhöhungen erwarte er aber nicht, da Russland den Marktanteil in Europa verteidigen müsse.

Auch „lachendes Auge“

OMV-Generaldirektor Gerhard Roiss bedauert zwar, dass Nabucco nicht den Zuschlag bekommen hat. Er sieht die Entscheidung aber auch mit „einem lachenden Auge“, wie er betont. Denn die OMV hat ihre Gasstrategie schon im Herbst 2011 umgestellt: Nicht die Nabucco steht seither im Vordergrund, sondern das Suchen und Fördern eigenen Erdgases. „Ich habe die Chance, dass Nabucco gebaut wird, immer mit weniger als 50 Prozent eingeschätzt“, sagt Roiss. Ohne Nabucco sei jetzt der Markt für eigenes Gas größer.

Der OMV-Chef hat die Gasexploration im Schwarzen Meer intensiviert. Erst vor wenigen Tagen hat der Konzern angekündigt, eine Milliarde Dollar (762,6 Millionen Euro) gemeinsam mit Exxon in die Exploration eines Gasfeldes im Schwarzen Meer zu stecken. In eineinhalb Jahren hofft Roiss Gewissheit über die förderbaren Gasmengen zu haben. „Sechs Milliarden Kubikmeter im Jahr könnten es aus heutiger Sicht sein“, sagt er. Dieses Gas könnte einen wesentlichen Teil des nun ausgefallenen Kaspischen Gases ersetzen. Denn über die Nabucco wären etwa zehn Milliarden Kubikmeter jährlich geliefert worden.

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Eigene Pipeline

Sobald klar ist, dass die Gasförderung im Schwarzen Meer klappt, will die OMV den Bau einer eigenen Pipeline angehen. Diese soll vom Schwarzen Meer über Österreich nach Westeuropa führen. Die Trasse sei aus der Planung der Nabucco schon vorgegeben, sagt Roiss. Die 50 Millionen Euro, die die OMV für das Nabucco-Projekt bisher ausgegeben hat, seien daher auch gut investiert. Denn die Planungsarbeiten könnten einfach auf das neue Pipeline-Projekt übertragen werden.

Bis das passiert, bleibt Österreich am Russen-Gastropf hängen und hat wenig Chancen auf billigeres Erdgas.

Was bedeutet das Scheitern des Pipeline-Projekts Nabucco für die heimischen Erdgasverbraucher?

Grundsätzlich gilt, dass mehr Wettbewerb immer gut für die Preise ist. Was aber 2019/’20, wenn Kaspisches Gas fließen soll, mit den Gaspreisen passiert, kann man heute noch nicht sagen. Auch Nabucco wäre nicht früher fertig geworden.

Steigt ohne Nabucco Österreichs Abhängigkeit von Russen-Gas?

Russland war immer ein wichtiger Partner für Österreichs Gasbezug und wird es auch bleiben. Das hätte sich auch mit Nabucco nicht geändert.

Was sehen Sie als Hauptgrund für das Ende von Nabucco?

Offiziell sagt das Lieferkonsortium, dass es in Italien und Griechenland das Gas zu höheren Preisen verkaufen kann als in den Nabucco-Partner-Ländern. Ob diese Aussage als Feigenblatt für politische Gründe des Scheiterns herhalten muss, will ich nicht kommentieren.

Sind Sie enttäuscht über die Entscheidung des Gaslieferkonsortiums?

Enttäuschung ist keine Dimension für einen Manager. Ich nehme die Entscheidung zur Kenntnis. Ich bedauere sie aber. Es wäre gut gewesen, wenn wir unser Gas, das wir im Schwarzen Meer fördern wollen, über die Nabucco wegtransportieren hätten können. Es ist immer leichter, Gas über bestehende Pipelines zu liefern als neue zu bauen. Ich haben die Wahrscheinlichkeit, dass Nabucco wirklich gebaut wird, aber immer mit weniger als 50 Prozent eingeschätzt. Die OMV setzte daher seit 2011 auf eigene Gasförderung.

Wann wird die OMV eine eigene Pipeline für Erdgas errichten?

Wir explorieren jetzt ein großes Erdgasfeld im Schwarzen Meer. In einem bis eineinhalb Jahren hoffe ich Klarheit über die Mengen zu haben, die wir dort fördern können. Dann wird der Bau einer Pipeline geplant.