Wirtschaft

Streit, was Lebensmittel kosten sollen: Politik will vermitteln

In Deutschland kocht die Debatte um faire Lebensmittelpreise einmal mehr hoch. Bauern protestieren gegen neue Auflagen und Kosten beim Umwelt- und Tierschutz und dagegen, dass sie in der öffentlichen Diskussion wegen der Produktionsmethoden ständig am Pranger stehen. Gleichzeitig würde ihr Verdienst kaum zum Überleben reichen.

Zu mächtig seien die Handelskonzerne, die dank ihrer Marktmacht die Herstellerpreise drücken. Kanzlerin Angela Merkel hat nun bei einem Agrargipfel zu mehr Fairness und regionaler Produktion aufgerufen.

Ein Appell, der auch in Österreich längst zu hören war, etwa im November 2018: Damals hat Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger einen Fairnesskatalog präsentiert, dem sich alle großen Lebensmittelketten – inklusive Mpreis und Lidl – angeschlossen haben. „Wir wollen in Europa Vorreiter im Kampf gegen unfaire Geschäftspraktiken sein“, sagte Köstinger damals und kündigte die Schaffung einer Ombudsstelle an, an die sich Produzenten wenden können, die sich von Händlern unfair behandelt fühlen. Bis heute ist die Stelle allerdings nicht eingerichtet worden.

Köstinger hat ihre Etablierung nun im Ö1 Morgenjournal einmal mehr für heuer angekündigt. Wie ursprünglich geplant soll sie bei der Bundeswettbewerbsbehörde angesiedelt sein. "Wir sehen einfach, dass nach wie vor es immer wieder an der Tagesordnung ist, dass rückwirkend Preise nachverhandelt werden, dass auch Organisationen, Erzeugerorganisationen, die sich beschweren, dann ausgelistet werden und dergleichen", so die Landwirtschaftsministerin. Solche unlauteren Geschäftspraktiken müssten ein Ende haben.

Marktmacht

Zum Hintergrund: In Österreich teilen sich Rewe (Billa, Merkur, Penny, Adeg), Spar und Hofer rund 85 Prozent des Lebensmitteleinzelhandels untereinander auf. Wer es mit seinen Produkten nicht in die Regale dieser mächtigen Handelsketten schafft, wird in Österreich überschaubare Umsätze erwirtschaften. Entsprechend stark ist die Verhandlungsmacht, Erzeuger klagen immer wieder über unfaire Praktiken wie verspätete Zahlungen oder einseitige Vertragsänderungen. Die Klagen kommen aber verlässlich nur hinter vorgehaltener Hand – aus Angst vor Repressalien.

„So eine Ombudsstelle wäre grundsätzlich gut, weil man anonoym bleibt“, sagt ein österreichischer Produzent im KURIER-Gespräch. Seinen Namen möchte er in dieser Sache aber lieber nicht in der Zeitung lesen. „Sonst zitieren mich morgen alle Händler in ihre Zentralen.“ In der Praxis seien Preisverhandlungen im Handel kaum durchzubekommen, auch wenn die letzte Erhöhung fünf, sechs Jahre zurückliegt und in der Zwischenzeit in den Produktionsbetrieben die Energie-, Rohstoff- und Personalkosten gestiegen sind, sagt der Lieferant. „Wenn man hier anonym über eine Ombudsstelle Druck machen kann, wäre das natürlich hilfreich.“

Schwarzer Peter

Die Händler reichen den Schwarzen Peter weiter. Sie selbst würden immer wieder von der Arbeiterkammer an den Pranger gestellt werden, weil die Lebensmittelpreise in Österreich höher sind als in Deutschland. Ein ungerechter Vorwurf, finden sie. Schließlich sind die Personalkosten in Österreich höher, es gibt weniger Ballungszentren und damit mehr Läden in entlegenen Tälern, die beliefert werden müssen und letzten Endes würden auch die Händler selbst oft teurer einkaufen als die Kollegen in Deutschland. Schlicht, weil die Einkaufsvolumina kleiner sind. Mit der neuen Ombudsstelle könnte aber auch die Erzeugergenossenschaften unter Druck geraten, sagen Händler. Oft würden Händler diesen Preiserhöhungen zugestehen, die dann letztlich aber nicht beim Bauern landen, so die Argumentation.

Der Sazburger Spar-Konzern begrüßt die geplante Ombudsstelle für Bauern im Kampf gegen Preisdumping. Konzern-Sprecherin Nicole Berkmann zur Apa: "Wir haben die Pflicht, den Konsumenten auch günstige Lebensmittel zur Verfügung zu stellen. Die Preise sind immer marktgerecht." Der Konzern befürworte jedenfalls die aktuelle öffentliche Debatte über die Wertschätzung von Lebensmitteln. Frank Hensel, Aufsichtsrat des Rewe-Konzerns und Vizepräsident des Handelsverbands: "Wir hoffen, dass diese Mediations- und Schlichtungsstelle noch heuer eingerichtet wird."