Wirtschaft

Ohne Russen-Gas wird es teuer

Die Krim-Krise hat Österreich und Europa wieder einmal die starke Abhängigkeit von Gaslieferungen aus Russland vor Augen geführt. Doch welche Alternativen hat die EU zum Russen-Gas? Hier die wichtigsten Fakten.

Wie viel Gas bezieht Österreich aus Russland und wie viel die EU?

Etwa 60 Prozent unseres Gasverbrauchs deckt Russen-Gas, 20 Prozent kommt aus inländischer Förderung und 20 Prozent aus Norwegen und Deutschland. Einige EU-Länder – u. a. das Baltikum, die Slowakei – sind zu 100 Prozent von russischem Gas abhängig, Spanien und Portugal dagegen gar nicht. Im Durchschnitt deckt russisches Gas ein Drittel des EU-Gasverbrauchs.

Hat die Krim-Krise den Gaspreis in Europa erhöht?

Nur sehr kurzfristig. Inzwischen sinkt der Gaspreis im europäischen Großhandel bereits wieder. Händler gehen also nicht davon aus, dass es zu Lieferproblemen bei russischem Gas kommen wird.

Für wie lange reicht Gas aus den Speichern?

Sollte es zu einer Lieferunterbrechung von russischem Gas kommen, kann Österreich auf Erdgas aus den Speichern zurückgreifen. Wegen des milden Winters sind diese derzeit noch zu einem Drittel voll. Das reicht bis September, sagt E-Control-Vorstand Walter Boltz. Österreich hat im Vergleich zum Verbrauch die größten Gasspeicherkapazitäten in ganz Europa. Zum einen hat die OMV Gasspeicher in Ostösterreich, zum anderen die mehrheitlich zur EVN gehörende RAG, an der auch die deutsche E.ON beteiligt ist. In den RAG-Speichern lagert auch die russische Gazprom Erdgas ein.

Was passiert im totalen Krisenfall?

Bei einem längeren Total-Ausfall der russischen Erdgaslieferungen kann der Wirtschaftsminister per Verordnung den Notfallplan der E-Control in Kraft setzen. Dieser verlangt von den Versorgern, alle zusätzlichen Gasbeschaffungsmöglichkeiten auszunutzen. Zudem können Verbraucher von den Gaslieferungen abgeschnitten werden. Das trifft zuerst die Industrie, Haushalte müssen zumindest 30 Tage weiterversorgt werden.

Kann russisches Gas kurzfristig durch andere Lieferquellen ersetzt werden?

Ein hundertprozentiger Ersatz ist kurzfristig nicht möglich. Aber auch die Russen könnten die Gaslieferungen nicht einfach von Europa in andere Regionen wie etwa China umleiten. Denn die Gasförderstätten, von denen Gas nach Europa geliefert wird, verfügen über keine Pipeline nach China. Diese mindestens 4000 Kilometer lange Leitung müsste erst gebaut werden.

Gibt es also wirklich keine Alternative zum Russen-Gas?

Kurzfristig könnte Europa wohl einen Teil der Gasbezüge aus Russland durch andere Quellen ersetzen. Norwegen könnte mehr Gas in die EU liefern und die Niederlande könnten ihre Erdgasförderung steigern, die sie wegen des raschen Rückgangs der Reserven gebremst haben. Beides würde wohl nur zu höheren Gaspreisen möglich sein.

Ist mittelfristig eine Reduktion des Bezugs von Gas aus Russland möglich?

Mangels Pipelines in andere große Gasförder-Regionen könnte Europa den Flüssiggasbezug steigern. Dieses Gas kommt verflüssigt per Schiff etwa aus Kuwait oder Nigeria in Häfen an und muss dort wieder in Gas umgewandelt werden. Flüssiggashäfen hat Europa etwa in Rotterdam, in Spanien und in Italien. Allerdings: Flüssiggas kostet etwa ein Fünftel mehr als Gas, das via Pipeline kommt.

Ist Schiefergas eine Alternative?

Europa hat noch nicht einmal überprüft, wie viel Schiefergas förderbar wäre. E-Control-Chef Boltz plädiert daher für rasche Probebohrungen: "Damit wir zumindest wissen, wie viel wir haben". Teurer als in den USA wäre es jedenfalls, weil das Gas in Europa sehr viel tiefer im Boden lagert. Doch dagegen hat sich großer Bürgerwiderstand formiert.

KURIER: Was halten Sie von Sanktionen gegen Russland?

Wenig bis gar nichts. Wir leben in einer arbeits- und ressourcenteiligen Welt. Wir sollten daher nicht drohen und schon gar nicht mit dem Thema Gas zündeln, sondern den konstruktiven Dialog suchen. Dass außerdem ausgerechnet ein Produkt, das die Energiewende umweltfreundlich ermöglichen kann, in den Vordergrund gestellt wird, ist mir unverständlich.

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Sanktionen schädigen das OMV-Geschäft – müsste man in diesem Fall aber nicht aus völkerrechtlicher Sicht dafür sein?

Unser Geschäft würde dadurch keinen Schaden nehmen, da wir mehrere Möglichkeiten haben, Ausfälle zu kompensieren. Ich warne nur vor den Folgen einer Verknappung. Die Folge wären jedenfalls höhere Preise.

Wie kann Österreich unabhängiger vom Russen-Gas werden?

Wir brauchen neue Quellen, wie zum Beispiel das Gas aus dem rumänischen Schwarzen Meer, das wir gerade entwickeln. Und wir sollten nicht die Vielfalt der Transportwege vernachlässigen, ob South Stream oder andere. Außerdem müssen Barrieren innerhalb Europas abgebaut werden.

War es angesichts der Krise gescheit, das Projekt Nabucco ad acta zu legen?

Aus versorgungspolitischer Sicht hat Europa die Länder, die von einem Lieferanten abhängig waren und für die Nabucco eine Alternative gewesen wäre, im Stich gelassen.

Die OMV sucht Gas im Schwarzen Meer. Ab wann kann man mit Lieferungen von dort rechnen?

Nicht vor 2020, gerade gestern ist ein Bohrschiff unter der Bosporusbrücke Richtung Rumänien gefahren.

Wie geht das Tankstellengeschäft? Die AWI ist pleite.

Die OMV macht 90 Prozent ihrer Gewinne im Ausland. Bei der Aufrechterhaltung des heimischen Tankstellengeschäftes geht es vor allem um versorgungspolitische Aspekte.

Ist Schiefergasförderung bei uns ausgeschlossen?

Ja.

Hätten wir so viel Schiefergas, dass es sich lohnt?

Unsere Schätzungen lagen bei einer heimischen Versorgung von 20 bis 30 Jahren.

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