Wirtschaft

Österreichs Wald wächst, die Artenvielfalt geht zurück

Mehr als eine Woche haben Forstexperten aus aller Welt in Istanbul über die Zukunft des Waldes beraten, am Montag endet der zehnte UNO Waldgipfel. Sein Thema: nachhaltiges Wirtschaften.

Der Waldreichtum der Erde ist denkbar ungleich verteilt. Gastgeber Türkei kommt auf 15 Prozent Waldanteil, Österreich auf mehr als das Dreifache. Fast die Hälfte der Alpenrepublik ist bewaldet, immer noch mit zu viel Fichte, aber zunehmend tragen Laubgehölze zu dieser Aufwärts-Entwicklung bei. Österreich gehört als grüne Lunge Mitteleuropas bereits jetzt zu den waldreichsten Ländern Europas, nur in Russland, den baltischen und skandinavischen Staaten und in Slowenien steht mehr Holz herum.

Vom Standpunkt des Klimaschutzes ist das eine gute Nachricht. Ein durchschnittlicher Baumbestand kühlt die Umgebung durch Verdunstung ab, sorgt für ein angenehmes Mikroklima und speichert große Mengen an Kohlendioxid. Aus Sicht des Landschaftsökologen Thomas Wrbka ist es schon zu viel des Guten.

Der Experte von der Universität Wien erläutert: „Die klassische Waldwiese wird in 20 Jahren fast verschwunden sein. Leider.“ Gerade diese Flächen sind die artenreichsten. Mit den Kräutern und Gräsern verschwinden viele Tiere aus unserer Bergwelt, „besonders stark gehen blütenbesuchende Insekten, wie etwa Tagfalter, zurück“.

Tourismus leidet

Eine aktuelle Studie der Europäischen Akademie in Bozen, der Universität Innsbruck und des ländlichen Fortbildungsinstituts stellt dem Holzzuwachs kein gutes Zeugnis aus. Für die Studie wurde Fotomaterial aus den vergangenen 150 Jahren analysiert. Zwei Beispiele: Das Tiroler Lechtal droht als touristische Region zuzuwachsen. Auch das Stubaital wird für den Tourismus unattraktiv, wenn Edelweiß und Enzian verschwinden.

Die Natur springt ein

Das heißt aber nicht, dass Österreich komplett verbuscht. Zum einen dauert das Zuwachsen einer Alm viele Jahre, in der Eingangsphase treten sogar attraktive Stauden wie der Eisenhut in den Vordergrund, zum anderen wird „die Beweidung der Bergwiesen noch lange nicht völlig aufgegeben“, erläutert Wrbka.

Noch etwas fällt dem Ökologen auf: Dort, wo sich der Mensch zurückzieht, haben Rothirsch und Rehwild eine Chance, das Ökosystem auf natürliche Art und Weise zu gestalten. Sie halten den Wald durch Äsen und Verbiss offen. Wrbka, vorausschauend: „Man sollte sich überlegen, in Gebieten, wo die Leute nicht mehr arbeiten, Verwilderung zuzulassen.“

Auch dafür gibt es bereits Beispiele: Der Biosphärenpark Wienerwald weist mit dem Johannserkogel (70 Hektar) einen urwaldähnlichen Eichenwald auf. Nahe der Ballungsräume Wien und St. Pölten gibt es im südwestlichsten Zipfel Niederösterreichs sogar einen echten Urwaldrest, also ein Gebiet, das nie genutzt wurde – den Rothwald. Zum anfänglich großen Erstaunen der Forstleute regeneriert sich dieser Urwald selbst, ohne menschliche Eingriffe, Windwurf schafft immer wieder offene Flächen. Die heimischen Bundesforste haben diese Wildnis heuer um 3000 Hektar erweitert.

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Jährlich steigt die Waldfläche Österreichs um die Fläche einer burgenländischen Kleinstadt, das summiert sich. Weideland über 1500 m verschwindet aus dem Landschaftsbild. „Wir haben das Problem, dass heute alle nicht gedüngten Wiesen und Weiden aufgegeben oder aufgeforstet werden. Das sind Flächen, die weiter weg sind vom Hof, wo es steiler, trockener oder schattiger ist“, sagt Ökologe Thomas Wrbka. Zwischen 1996 und 2009 sank die Zahl der Almen um 5 Prozent, die Weidefläche schmolz von 769.298 ha auf 449.981 ha.