Schlachtbetriebe prangern "Lohndumping" deutscher Konkurrenz an
Von Simone Hoepke
Die heimischen Schlachtbetriebe kommen unter Druck. „Österreichische Wurstfabrikanten kaufen zunehmend bei deutschen Firmen ein, weil diese um bis zu 20 Prozent günstiger anbieten als österreichische Betriebe“, erklärt Hans Schlederer, Chef des Verbandes der landwirtschaftlichen Veredelungsproduzenten (VLV) und der Österreichischen Schweinebörse. Die Folge: Im Vorjahr hat es alarmierend viele Pleiten in der Branche gegeben.
„Von den rund 200 Schlachthöfen in Österreich haben etwa 14 eine marktrelevante Größe. Von diesen sind im Vorjahr fünf insolvent geworden“, schlägt Schlederer Alarm. Schuld daran sei das „Lohndumping“ in deutschen Schlachthöfen, deren Arbeitsbedingungen „jener moderner Sklaverei gleichen“, sagt Schlederer.
„Lohndumping“
Aufgrund von Werksvertragskonstruktionen – etwa für die Schlachtung bzw. Zerlegung von 100.000 Schweinen – ist das legal, zumindest in Deutschland: Osteuropäische Firmen mieten sich offiziell in deutschen Schlachthäusern ein. Dort beschäftigen sie Mitarbeiter aus Ostländern zum Lohnniveau ihrer Heimatländer, erklärt Schlederer das Prozedere. „In Österreich wäre so etwas aufgrund der Kollektivverträge gar nicht möglich. Deshalb ist das Lohnniveau in Österreich auch um zwei bis drei mal höher.“ Ein Wettbewerbsnachteil: Personalkosten schlagen sich in Schlachthäusern mit bis zu 60 Prozent zu Buche.
Schlederer schließt sich Kollegen aus Frankreich und Belgien an, die in Brüssel bereits gegen das Lohndumping deutscher Betriebe mobil machen. Auf nationaler Ebene gab es bereits Gespräche mit dem Wirtschafts-, Agrar- und Sozialministern, sagt er. Auf EU-Ebene haben die Branchen-Sozialpartner bereits Initiativen gestartet. Unter anderem wurde ein Schreiben an EU-Sozialkommissar Laszlo Andor verfasst. Schlederer: „Fair Trade darf nicht bei Bananen aufhören.“
Österreichs Bauern sind im Vergleich zu den deutschen Zwerge. Sie halten durchschnittlich hundert Schweine. Auf deutschen Höfen sind es fast vier Mal, auf holländischen acht und dänischen zehn Mal so viele.
Tönnies, größter Schweineschlachter Deutschlands, soll allein am Standort Rheda-Wiedenbrück 100.000 Schweine pro Woche schlachten – etwa gleich viele, wie alle 200 Schlachtbetriebe Österreichs zusammen.
In Österreich werden jährlich fünf Millionen Schweine geboren, gemästet und geschlachtet. Dazu kommen 2,5 Millionen importierte Schweineäquivalente – die Hälfte davon aus Deutschland. Deutschland hat sich binnen zehn Jahren vom Schweine-Importeur zum Schweine-Exporteur gewandelt. Marktschätzungen zufolge ist die Eigenbedarfsdeckung binnen zehn Jahren von 80 auf 120 Prozent gestiegen.
Andere EU-Länder prangern allerdings die Arbeitsbedingungen auf deutschen Schlachthöfen an, an denen etwa Rumänen und Bulgaren für Billigstlöhne arbeiten. Die belgische Regierung wirft deutschen Schlachtern Lohn- und Sozialdumping vor und hat sich in Brüssel über unfaire Wettbewerbsbedingungen beschwert. In der belgischen Beschwerde geht es sowohl um die Gleichbehandlung von osteuropäischen Arbeitern, wie auch um Fragen der Sozialversicherung und die korrekte Anwendung von EU-Recht.
Dass ein EU-Land ein anderes auf diese Art in Brüssel anschwärzt, ist ungewöhnlich. Weitere Länder – darunter Österreich – wollen dem belgischen Vorbild folgen. In Dänemark haben laut der deutschen Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten in Vorjahr mehr als 3000 Schlachthofbeschäftigte ihren Job verloren. „Wenn es auf bilateralen Weg keine Lösung gibt, müssen wir nach Brüssel gehen“, sagt auch Hans Schlederer, Chef der Österreichischen Schweinbörse.
„Wir analysieren die Beschwerde und werden – wenn es nötig ist – mit den deutschen Behörden darüber reden“, ließt ein Sprecher der EU-Kommission ausrichten.