Wirtschaft

Österreich nicht mehr allein Klassenbester

Seit Jahren glänzt Österreich mit der niedrigsten Arbeitslosenquote in der Europäischen Union (EU). Damit ist nun Schluss. Wegen des kontinuierlichen Anstiegs der Arbeitslosenzahlen muss sich Österreich jetzt mit Deutschland den Spitzenplatz teilen. Für beide Länder hat Eurostat für Juli einen Wert von 4,9 Prozent ausgewiesen. Bei der Jugendarbeitslosigkeit hat der nördliche Nachbar die Alpenrepublik bereits um 1,5 Prozentpunkte abgehängt.

Bisher ist es nicht gelungen den negativen Trend am heimischen Arbeitsmarkt umzukehren. Im August 2014 waren um 10,1 Prozent mehr ohne Job als im August 2013. Insgesamt suchen derzeit 355.643 Personen nach Arbeit.

Ursachen für die Spirale nach oben sind das geringe Wirtschaftswachstum und das wachsende Potenzial an Arbeitskräften. Verglichen mit dem Vorjahr sind derzeit um rund 62.000 Personen mehr auf Jobsuche.

Keine Aussicht auf Besserung

Es gibt auch keine Aussicht auf Besserung der angespannten Lage. Erst vor kurzem hatte die Österreichische Nationalbank ihre Prognose für das Wachstum der heimischen Wirtschaft auf 0,9 Prozent gesenkt. „Es ist davon auszugehen, dass auch die Forschungsinstitute in ihrem Quartals-Prognosen die Aussichten nach unten revidieren werden“, blickt Sozialminister Rudolf Hundstorfer besorgt in die Zukunft. Neue kreative Lösungsansätze sind nicht zu erwarten. Hundstorfer drängt wie auch Arbeiterkammer und Gewerkschaft erneut auf eine „deutlich spürbare Steuerentlastung zur Steigerung der Kaufkraft“. Die Industriellenvereinigung warnt erneut vor neuen Steuern.

Jedenfalls kann die Regierung nicht behaupten der negative Trend sei nicht vorhersehbar gewesen. Zu Jahresbeginn waren die Prognosen für das Wirtschaftswachstum deutlich besser. Bereits damals hat AMS-Vorstand Johannes Kopf eine weitere Zunahme der Arbeitslosigkeit prognostiziert. Erst ab Mitte 2015 könne mit einer Verbesserung der Lage gerechnet werden. Bis dahin werde das Arbeitskräftepotenzial stärker wachsen als das Angebot an Jobs.

Der jüngste Vorschlag von Kopf für eine altersmäßige Umverteilung der Pensionsbeiträge wurde von Hundstorfer prompt abgelehnt. Wie berichtet schlägt der AMS-Chef vor, dass die Pensionsbeiträge von älteren Arbeitnehmern größtenteils von den Arbeitnehmern selbst bezahlt werden sollten. Dies würde sie für den Arbeitsmarkt billiger machen. Für die Pensionsbeiträge der Jüngeren könnten die Arbeitgeber hingegen zur Gänze aufkommen.

Denn nach wie vor sind vor allem Ältere, Ausländer und Personen mit gesundheitlicher Beeinträchtigung stark von Arbeitslosigkeit betroffen. Die Bundesländer mit den stärksten Zuwachsraten waren Wien (+ 14,4 Prozent), Oberösterreich (+12,5 Prozent) sowie Salzburg (+10,7 Prozent).

Arbeitslosengeld

Ist die Mindestdauer einer arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigung gegeben, wird das Arbeitslosengeld grundsätzlich für 20 Wochen genehmigt. Wenn in den letzten fünf Jahren arbeitslosenversicherungspflichtige Beschäftigungen im Ausmaß von 156 Wochen vorliegen, wird es für 30 Wochen gewährt.

Bei erstmaliger Inanspruchnahme von Arbeitslosengeld ist die Mindestbeschäftigungsdauer erfüllt, wenn man innerhalb der letzten 2 Jahre 52 Wochen arbeitslosenversicherungspflichtig tätig war.

Wird das Arbeitslosengeld vor Vollendung des 25. Lebensjahres beantragt, genügen 26 Wochen arbeitslosenversicherungspflichtiger Beschäftigung innerhalb der letzten 12 Monate, um den Anspruch zu begründen.

Die Bezugsdauer kann sich aber aufgrund des Alters und der Dauer der vorangegangenen Beschäftigung auf 39 bzw. 52 Wochen erhöhen.
Laut Arbeiterkammer (AK) betrug das durchschnittliche Arbeitslosengeld 2013 rund 29 Euro pro Tag. In Österreich gab es zwischen November 2013 und März 2014 im Schnitt 166.600 Bezieher.

Notstandshilfe

Ist der Bezug des Arbeitslosengeldes erschöpft, kann für bis zu 52 Wochen Notstandshilfe beantragt werden - sie ist also eine Anschlussleistung an das Arbeitslosengeld. Nach einem Jahr muss erneut ein Antrag gestellt werden.

Die Höhe der Notstandshilfe beläuft sich auf maximal 95 Prozent des zuvor bezogenen Grundbetrags des Arbeitslosengeldes. Bei der Berechnung wird jedoch das Gehalt des Partners miteinbezogen, im Extremfall kann sich die Notstandshilfe dadurch auf Null reduzieren.

2013 belief sich die durchschnittliche Höhe der Notstandshilfe auf etwa 23 Euro täglich. Von November 2013 bis März 2014 waren laut AK im Schnitt 132.435 Personen auf Notstandshilfe angewiesen.

Bedarfsorientierte Mindestsicherung

Die bedarfsorientierte Mindestsicherung (BMS), ehemals Sozialhilfe, ist im Gegensatz zu Arbeitslosengeld und Notstandhilfe keine Versicherungs- sondern eine Sozialleistung.

Sie kommt zum Tragen, wenn der Lebensunterhalt nicht über ausreichend finanzielle Mittel bestritten werden kann. Die BMS kann zusätzlich zum Arbeitslosengeld bzw. zur Notstandshilfe bezogen werden, um eine etwaige Differenz zum Mindesteinkommen auszugleichen („Richtsatzergänzung“).

BMS ist eine Länderangelegenheit, eine Hälfte zahlt die jeweilige Gemeinde, die andere wird vom Land beglichen.
2014 beträgt die BMS für Alleinstehende monatlich 813,99 Euro.