Wirtschaft

Öl-Preistief und Krieg bremsen Saudi Arabien

Nach der Finanzkrise 2008 und dem wirtschaftlichen Einbruch Osteuropas hatten Österreichs Exporteure neue Hoffnungsmärkte gesucht: Saudi-Arabien war einer davon. Das konservative und tief religiöse Land setzte – erschüttert vom arabischen Frühling – einen wirtschaftlichen Wandel in Gang: Milliarden von Dollar wurden in den Bau von U-Bahnen, Straßen, Krankenhäusern und Universitäten gesteckt. Ausbildung der saudischen Jugend – auch der Frauen – und deren Integration in den Arbeitsmarkt standen ganz oben auf der Reform-Liste des Königreichs.

"Das brachte auch für österreichische Firmen große Chancen. Unsere Exporte haben sich seit 2010 auf 717 Millionen Euro vervierfacht", erklärt Pierre Prunis, der fünf Jahre lang als österreichischer Wirtschaftsdelegierter in Riad arbeitete. Österreicher bauten an den sechs neuen U-Bahnlinien der Stadt ebenso mit wie am neuen höchstem Turm der Welt, dem ein Kilometer hohen Kingdom Tower in der Hafenstadt Jeddah oder der Bahnverbindung zwischen Mekka und Medina.

Zu gefährlich

Heuer aber stockt der saudische Wachstumsmotor. Fallende Einnahmen aus den Ölexporten und die Kriege im Jemen und in Syrien belasten die Budgets des Wüstenstaates schwer. Großprojekte müssen verschoben werden. Prunis geht davon aus, dass auch die österreichischen Ausfuhren nach Saudi-Arabien sinken werden. Und das weniger, weil sie keine Aufträge in dem Land mehr fänden, sondern weil ihre Mitarbeitern nicht dorthin wollten. "Sie haben Angst wegen der Krisen in den Nachbarländern", sagt Prunis.

Er hält diese Sorgen für unberechtigt. Das Land sei sehr sicher, meint er – und auch lebenswerter als landläufig angenommen. "Die Araber sind sehr warmherzig. Man muss nur offen und tolerant auf sie zugehen", lautet sein Erfolgsrezept. Für Geschäfte brauche man "vor allem viel Zeit". Wichtig sei, Kontakte zu knüpfen und sie lange zu pflegen.

Die Wiener Designergruppe "Lights of Vienna hat es geschafft. Jahrelang haben die Chefs um den Auftrag zur Beleuchtung der KAFP Moschee in der saudischen Hauptstadt Riad gerittert. Immer wieder besuchten sie das Land, verhandelten und fuhren ohne Ergebnisse nach Österreich zurück. Dann kam der Auftrag doch und die Moschee erstrahlt unter dem Lichtdesign von "Lights of Vienna". Für Pierre Prunis, der fünf Jahre lang österreichischer Wirtschaftsdelegierter in Riad war, ist das typisch für Geschäfte auf der arabischen Halbinsel. "Wer in dem Markt erfolgreich sein will, braucht Zeit, Geld und die richtigen Mitarbeiter, sagt er. Mit Mitarbeitern meint er natürlich Männer. Denn ausländische Frauen sind im Wirtschaftsleben des Landes fehl am Platz.

Strikte Geschlechtertrennung im öffentlichen Leben dominiert den Alltag des konservativen und streng religiösen Königreichs. "Das wird sich mit Sicherheit noch lange nicht ändern", ist Prunis überzeugt. Dennoch ist ein tiefgreifender wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Wandel im Gang: Bildung für die Jugend und Arbeitsplätze stehen ganz oben auf der Reformliste des Königs. Aber eben getrennt für Männer und Frauen. In Riad etwa wurde die "Princess Noura University für 60.000 ausschließlich weibliche Studierende errichtet. Und wer in einem der Supermärkte in der Hauptstadt einkaufen geht, wird auch weibliche Kassiererinnen finden. Bei ihnen dürften aber nur Frauen oder Familien zahlen. Männer ohne weibliche Begleitung müssen zu einem männlichen Kassier gehen. Dasselbe Bild bietet sich in Restaurants: Die Zonen für Frauen und Famlien sind von jenen der "single Männer" deutlich getrennt.

"Wichtig für ausländische Geschäftsleute ist, das zu akzeptieren. Toleranz und Offenheit der Kultur gegenüber sind die Basis, um überhaupt Zugang zu den Arabern zu bekommen, erzählt Prunis. "Negativität der Religion oder den Werten der Araber gegenüber wäre tötlich", ist der Wirtschaftsdelegierte überzeugt.Das bedingt aber auch, dass im Geschäftsleben auf die fünf Gebetszeiten am Tag Rücksicht genommen werden müsse. "Vier davon entfallen auf Arbeitszeiten. Da schließen dann alle Geschäfte", sagt Prunis.

Der wirtschaftliche Wandel, den das Königreich nach den Revolutionen in vielen arabischen Ländern gestartet hat, könnte das zumindest leicht verändern. Es werde jedenfalls über die Gebetszeiten diskutiert, erzählt Prunis. Ändern wird sich auch einiges am Arbeitsmarkt. Die vielen Ausländer - von Philipponos bis Libanesen -, die in 'Saudi Arabien arbeiten, werden, zumindest in den attraktiveren Jobs, von Einheimischen ersetzt. Beschäftigungs-Quoten für jede Branche sollen das regeln. So werden für Banken 95 Prozent arabische Mitarbeiter vorgeschrieben, für Baufirmen nur wenige Prozent. Damit die Stellen besetzt werden können, hat das Königreich eine Bildungskampagne gestartet. Denn bisher fehlten dem Land nicht nur unqualifzierte Arbeiter, sondern vor allem Ärzte, Anwälte oder Ingenieure.