Wirtschaft

ÖBB: Neues Online-Ticketing mit Tücken

Ein seitenfüllendes Bergpanorama und eine übergroße – analoge – Uhr mit rotem Sekundenzeiger: Wer diese Wandtapete auf seinem Bildschirm sieht, hat sich nicht vertippt, sondern ist tatsächlich auf dem neuen Webportal der Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) gelandet. Seit die Staatsbahn am 23. Februar ihre Website einem digitalen Relaunch unterzog, ist nichts mehr so, wie es einmal war. Oder so wie es sein sollte, kritisieren ÖBB-Kunden, die mit dem neuen Ticket-System nur schwer zurande kommen.

"Ich finde mich da überhaupt nicht mehr zurecht, das ist Kundenvertreibung", schildert ein verärgerter KURIER-Leser nach einem "wahren Hürdenlauf" zu seinem Online-Ticket. "Ein Preisvergleich ist gar nicht mehr möglich und die Sitzplatzreservierung funktioniert auch nicht", empört sich der Leser. Auf der Facebook-Seite der ÖBB gibt es ebenfalls Kritik: "Es kommt mir so vor, dass es den ÖBB wichtiger ist, schöne Bilder auf der Webseite zu haben, als die Funktionalität bei der Buchung zu verbessern", ätzt ein weiterer Kunde. Häufige Kritikpunkte sind:

Kauf statt Info Wer auf oebb.at surft, wird sogleich zum Ticketkauf aufgefordert. Dabei wird vergessen, dass die meisten Nutzer vorher erst eine passende Zug-Verbindung suchen wollen. Für die Reiseplanung wird auf das Portal Scotty (fahrplan.oebb.at) verwiesen.

Preiswirrwarr Eine Reise, viele Preise. Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) fand Preisunterschiede bis zu 128 Prozent für dieselbe Fahrt, je nachdem, ob im alten oder neuen ÖBB-Ticketshop gesucht wurde. Auch der Zeitpunkt der Buchung und die Ticketart (Sparschiene, Classic etc.) ist entscheidend, überfordert aber viele Kunden.

Ermäßigungen Fast schon schizophren: Um eine Kaufpreis-Ermäßigung zu erhalten, müssen Vorteilskarten-Besitzer erst die Zeile "Keine Ermäßigung" anklicken und dann die "Ermäßigung hinzufügen". Ein direkter Preisvergleich mit anderen Tarifen ist mühsam.

Reservierungen Das System kämpft aktuell mit technischen Problemen. Für IC-, EC- und ICE-Züge waren am Mittwoch und Donnerstag keine Sitzplatzreservierungen möglich, die Hotline war nur schwer erreichbar.

Oberfläche Die Benutzeroberfläche entspricht der Smartphone-App. Dies freut mobile Nutzer, verärgert aber all jene, die Apps nicht gewohnt sind. "Das war ein zu radikaler Schritt, das gibt es Optimierungsbedarf", heißt es etwa beim Pensionistenverband.

"Kinderkrankheiten"

Die ÖBB nehmen die kritischen Stimmen sehr ernst und versprechen, die "Kinderkrankheiten" so rasch wie möglich zu beheben. Die Datumseingabe etwa werde schon kommende Woche verbessert. "Für uns ist mit dem Launch die Programmierung noch lange nicht abgeschlossen, wir ergänzen das neue System laufend um neue Services und Features", sagt ÖBB-Sprecherin Sonja Horner. Die Rückmeldungen der Kunden würden selbstverständlich einfließen. Man habe die Nutzerfreundlichkeit aber sehr wohl vorab getestet.

Im Vorjahr verkauften die ÖBB schon 4,5 Millionen Tickets via PC oder Smartphone, die Zahl hat sich in den letzten drei Jahren mehr als verdoppelt. Allein im Februar sind die Verkäufe im Vergleich zu 2015 um 35 Prozent gestiegen.

Die Preisdifferenzen zwischen altem und neuem System erklärt Horner damit, dass ins neue Ticketing-System auch die Verkehrsverbünde voll integriert wurden. Dazu sei die ÖBB verpflichtet. Im alten System konnten die Kunden zwischen Verbund- und ÖBB-Tarif wählen. Die Ticketpreise der Verkehrsverbünde sind für manche Strecken höher als der ÖBB-Tarif. Umgekehrt gibt es auch Strecken, auf denen der Verbundtarif billiger als der ÖBB-Tarif ist.

Der alte Ticket-Shop wird am 9. März endgültig vom Netz genommen.

Last-Minute-Stornierung

Irgendwie scheinen die ÖBB die große Herausforderung für die Kunden schon geahnt zu haben. Wer sich sich vertippt hat, kann im neuen System den Kaufvorgang innerhalb von drei Minuten nach erfolgter Buchung wieder rückgängig machen.