"Einige große Städte in China würden uns schon reichen"
Von Simone Hoepke
KURIER: Was haben französische Joghurt-Experten in der NÖM-Zentrale gemacht, wenn es angeblich gar keine Verkaufspläne gibt?
Alfred Berger: Es gibt keine Verkaufsgespräche. Was stimmt, ist, dass wir zwei Monate lang drei Experten aus Frankreich, England und den USA im Haus hatten.
Wozu das?
Als Unternehmensberater – das ist ein normaler Prozess. Auch andere Unternehmen haben von Zeit zu Zeit Berater im Haus.
Ihre Branchenvertreter schwärmen derzeit von den Möglichkeiten in China. Hoffen Sie auch auf das große Geschäft?
Asien ist als neuer Absatzkanal sicher ein Thema, speziell im Hinblick auf das Auslaufen der Quote und steigende Milchmengen. Die großen Molkereien am Weltmarkt sind schon vor mehr als 10 Jahren nach China gegangen und haben sich mit viel Kapitalaufwand Vertriebsnetze aufgebaut. Daher können sie von der aktuellen Situation profitieren.
Und die NÖM?
Wir müssen uns diese Vertriebswege und Kontakte erst aufbauen, und wir haben auch nicht diese Riesenmengen an Milch, um ins Massengeschäft einzusteigen.
Was wollen Sie liefern?
In einem ersten Schritt Haltbarmilch und Milchmischgetränke, da erhoffen wir uns mit der österreichischen Qualität und unseren Innovationen einiges. Aber die Vorlaufzeiten sind deutlich länger als in Europa, also wird es noch ein paar Tage dauern ... Wir peilen auch nicht ganz China an. Eine große Stadt in China hat zwischen 20 und 30 Millionen Einwohner, das ist das 3-Fache von ganz Österreich. Also einige Städte in China würden uns schon reichen.
Also doch ein Hoffnungsmarkt?
China hat aktuell ein Milch-Defizit von 40 Milliarden Kilogramm. Die gesamte EU-Produktion liegt bei 120 Milliarden Kilo, von Österreich kommen drei Milliarden. Im Massenmarkt werden wir daher nie mitspielen, aber wir sehen Möglichkeiten bei Spezialitäten.
Zahlt sich der weite Transport überhaupt aus?
Er ist günstiger, als man denken würde. Die Schiffe kommen voll beladen nach Europa und fahren leer zurück. Dementsprechend günstig sind die Preise.
Die NÖM exportiert in 26 Länder, macht 45 Prozent des Geschäfts außerhalb Österreichs. Bleibt Deutschland der größte Abnehmer?
Italien hat Deutschland abgelöst und trägt mittlerweile schon deutlich mehr als zehn Prozent zum Umsatz bei. In Italien sind wir mit unseren italienischen Marken vertreten, in Deutschland fast zur Gänze mit Handelsmarken. Die Italiener essen auch nicht so viel Joghurt wie die Österreicher und Deutschen. Da sehen wir noch Wachstumspotenzial. Auch ist der italienische Markt noch nicht so konzentriert wie der Rest in Europa.
Wie meinen Sie das?
In Italien decken die zehn größten Händler gut 35 Prozent des Marktes ab. In Deutschland haben die Top-5-Händler 85 Prozent. In Österreich die Top 3 über 89, und in der Schweiz gibt’s überhaupt nur mehr 2. Die Abhängigkeit von einzelnen Händlern ist damit viel größer als in Italien.
Was ist eigentlich aus der Molkerei bei Kiew geworden, die die NÖM gekauft hat?
Die Immobilie ist fertig und steht zum Verkauf. Wir haben keine Ambitionen, dort zu produzieren.
Die NÖM exportiert vor allem in westeuropäische Länder. War der Osten nie Thema?
Wir beliefern 39 der 40 großen Lebensmittelhändler Europas mit Eigenmarken für Gesundheitsdrinks in kleinen Flaschen. Im Osten ist die Kaufkraft für solche Artikel noch nicht so entwickelt, daher hatten wir den Fokus auf den Westen.
Die Nachfrage nach diesen Drinks war schon größer. Der Marktführer soll rund ein Fünftel weniger Geschäft machen. Der gesamte Joghurt-Markt ist rückläufig. Woher soll denn nun das künftige Wachstum kommen?
Je nach Land ist der Joghurt-Konsum im Vorjahr zwischen zwei und fünf Prozent zurückgegangen. Wir versuchen das Minus durch Innovationen und neue Kunden auszugleichen.
Wie viel Joghurt produzieren Sie eigentlich?
Wir füllen zwischen 750.000 und einer Million Becher am Tag ab.
Werden eigentlich Markenkooperationen – wie jene mit dem Schnittenhersteller Manner – verstärkt?
Daran sind wir interessiert. Wir machen ja auch in Kooperation mit Nestlé einen Nesquik-Kakao.
Die Händler wollen weg von den 1+1-Gratis-Aktionen. Begrüßen Sie das oder fürchten Sie um die Umsätze?
Solche Entscheidungen trifft der Handel und nicht wir Produzenten. Natürlich freue ich mich nicht darüber, wenn die Konsumenten zu Aktionskäufern erzogen werden. Das stellt uns vor große Probleme in der Produktion, wenn immer mehr in immer kürzerer Zeit verkauft wird.