Wirtschaft

Neuer OMV-Chef knüpft engere Bande nach Russland

Erst 40 Tage leitet der Deutsche Rainer Seele den heimischen Öl- und Gaskonzern OMV. Für den Viel-Arbeiter, der häufig als Letzter das Büro verlässt, Zeit genug, um dem Unternehmen eine neue klare Ausrichtung zu geben.

Und die heißt: Russland statt der riskanten nordafrikanischen Staaten oder dem Nahen Osten. Für eine Gas-Pipeline Nabucco, die nicht-russisches Gas nach Europa transportieren sollte, hat Seele nichts übrig. „Die OMV wird sich da nicht wieder hineinbewegen“, stellt er unmissverständlich klar. Stattdessen wird eine Beteiligung an der russischen Ostsee-Pipeline Nord Stream geprüft. Gemeinsam mit Russlands Gasmonopolisten will Seele auch Öl- und Gas in Sibirien fördern. „Die Kooperation soll sich über die gesamte Wertschöpfungskette vom Bohrloch über den Transport bis zum OMV-Gasknotenpunkt Baumgarten ziehen“, erklärt er. Über die Liefersicherheit macht er sich keine Sorgen: „Ich habe mehr Kopfzerbrechen was Gas aus Nordafrika betrifft.“

Ähnlich eng soll die Verbindung zur norwegischen Statoil werden. Gemeinsam werden Öl- und Gasfelder in der Nordsee betrieben und die OMV kauft Erdgas von der Statoil. Im Iran sieht Seele nach der Aufhebung der Sanktionen Chancen für die OMV – aber nicht um jeden Preis. Der Iran müsse zunächst Rahmenbedingungen schaffen, die Investitionen ermöglichten. Die OMV sei nicht an Gas aus dem Iran interessiert, sondern wolle ihr Spezialwissen im Bereich der Ausbeutung von alten, weitgehend leer geförderten Ölfeldern einsetzen.

Harmonie

In den Konzern, der unter dem öffentlich ausgetragenen Streit um dessen Chef Gerhard Roiss zu leiden hatte, will der „Team-Spieler“ Seele Aufbruchstimmung bringen. Dass „das Vorzeigeunternehmen Österreichs so eine Entwicklung erleben musste“, findet Seele bedauerlich: „Das war weder für die OMV noch für Österreichs Ansehen gut.“ Mit den Hauptaktionären Republik Österreich und IPIC aus Abu Dhabi verbinde ihn ein „harmonisches Verhältnis“. Von der OMV-Belegschaft sei er warmherzig empfangen worden. Die gute Stimmung will er nutzen, um „rasch Veränderungen und Effizienzsteigerungen“ zustande zu bringen. Bis Jahresende sollen die Details dazu feststehen.

Ölpreis drückt

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Die lange von Rekordergebnissen geprägte Öl- und Gasförderung der OMV ist schwer unter Druck gekommen. Der tiefe Ölpreis und Konflikte in Libyen und dem Jemen haben den Gewinn in diesem Bereich im ersten Halbjahr um 84 Prozent auf 149 Millionen Euro gedrückt. Die OMV-Förderung in Libyen steht seit Langem, jene im Jemen wurde im April eingestellt. 40.000 Fass Öl pro Tag fallen dadurch aus. Die Gesamtproduktion konnte nur leicht auf 308.000 Fass pro Tag gesteigert werden. Das Förderziel von Ex-Chef Roiss von 400.000 Fass ist in weite Ferne gerückt. Gerettet hat die OMV die Raffinerie und das Tankstellengeschäft, deren Ergebnis von 156 auf 529 Millionen Euro gestiegen ist. Der Gesamtgewinn lag dennoch über den Erwartungen, die Aktie legte drei Prozent zu.

Der jüngste Absturz des Ölpreises setzt die Anbieter der Branche massiv unter Druck und macht Investoren nervös. Was steckt hinter dem Preisverfall? Was erwarten Experten für die nächsten Monate? Ein Überblick:

WIE VIEL KOSTET ÖL MOMENTAN?

Ein Fass (entspricht 159 Liter) Nordsee-Öl der Sorte Brent kostete am Montag 48,24 Dollar (44,09 Euro) - der niedrigste Preis seit sechseinhalb Monaten und etwa halb so viel wie vor Jahresfrist. Früher waren Werte von unter 50 Dollar die Regel. Erst Ende 2004 kletterte der Preis erstmals über diese Marke. Bis zum Juli 2008 - die weltweite Finanzkrise brodelte bereits - stieg der Preis sogar auf ein Allzeithoch von 147,50 Dollar. Zwar folgte im Sog der Krise der Absturz, doch seit 2005 hat ein Fass Brent zu 90 Prozent mehr als 50 Dollar gekostet.

WARUM WAR DER ÖLPREIS EIGENTLICH SO STARK GESTIEGEN?

Ein wichtiger Grund war die enorme Nachfrage aus China. Die Volksrepublik ist in der vergangenen Dekade zur zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt nach den USA aufgestiegen - mit einem riesigen Hunger nach Rohstoffen. Zugleich schienen die Öl-Vorräte begrenzt zu sein. Die Nachfrage überstieg das Angebot.

WIE IST ES DANN ZUM JÜNGSTEN ABSTURZ GEKOMMEN?

Derzeit ist es genau anders. Das Angebot übersteigt die Nachfrage. Das Öl-Kartell OPEC pumpte zum Beispiel allein im Juli nach eigenen Angaben mit rund 32 Millionen Fass täglich so viel wie seit Beginn der Aufzeichnungen 1997 nicht mehr. Dazu kommt bald wieder die Ölförderung im Iran. Nach der Einigung im jahrelangen Atomstreit könnten die Sanktionen gegen das Land aufgehoben werden. Es wird mit einem Wirtschaftsboom gerechnet. Zusätzlich 500.000 Barrel täglich könnten so auf den Markt kommen. Parallel lässt das Wachstum in China nach.

100 DOLLAR SIND ALSO VORERST NICHT MEHR DENKBAR?

Eher nicht. Denn auch die Amerikaner mischen wieder viel stärker auf dem Markt mit. US-Firmen suchen mithilfe der umstrittenen Fracking-Methode nach Öl. Dabei wird ein Gemisch aus Wasser, Sand und Chemikalien unter hohem Druck in Ton- oder Schiefergestein gepresst. Die USA produzieren derzeit laut Energiebehörde EIA 9,5 Millionen Fass Öl täglich. Allerdings wurden viele kostenintensivere Ölförderprojekte initiiert, als der Ölpreis noch deutlich höher lag. Einige Vorhaben rechnen sich nun nicht mehr, da die Kosten den zu erzielenden Gewinn übersteigen.

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WO WIRD SICH DER ÖLPREIS DANN EINPENDELN?

Das ist unter Experten umstritten. Im Jänner war der Preis schon einmal bis auf fast 45 Dollar gesunken. Einige Marktteilnehmer rechnen damit, dass das Tief vom Dezember 2008 wieder in Reichweite kommen könnte. Damals war der Ölpreis bis auf 36,20 Dollar gefallen. Allerdings bleibe Öl ein seltener Rohstoff, sagt Analyst Richard Gorry von JBC Energy Asia. Das spreche gegen einen zu starken Preisverfall. Einer Reuters-Umfrage vom Juli zufolge dürften sich die Notierungen im kommenden Jahr stabilisieren. Im Schnitt wird dann mit einer Spanne von 60 bis 70 Dollar je Barrel gerechnet.

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