Wirtschaft

Nationalbank: Der Gouverneur als Bauernopfer

International genießt Ewald Nowotny, Gouverneur der Oesterreichischen Nationalbank, hohes Ansehen. Seine fachliche Kompetenz ist im EZB-Rat, dem höchsten Gremium der Europäischen Zentralbank, unbestritten, seine Unabhängigkeit wird ihm hoch angerechnet. Zuletzt stimmte er der 1,14 Billionen Euro großen Geldschwemme der EZB nicht zu. Man sollte besser noch abwarten, wie sich die bisherigen Konjunkturmaßnahmen auswirken. Eine bemerkenswerte Entscheidung für einen Keynesianer (Belebung der Wirtschaft durch Staatsausgaben).

Im eigenen Land dagegen hat’s der Gouverneur schwer. Als das Theater um den Hypo-U-Ausschuss begann, tauchten Spekulationen auf, Nowotny werde nur die halbe Amtszeit an der Spitze der OeNB bleiben – bis Sommer 2016. In den vergangenen Wochen verdichteten sich die Gerüchte, die entrüsteten Dementis sind nicht allzu glaubwürdig. Dabei ist es nicht die ÖVP, die mit dem Sozialdemokraten Nowotny ein Problem hätte. Die Parteifreunde sägen.

Da kommt es äußerst gelegen, dass die OeNB im Desaster um die Kärntner Katastrophenbank ins Kreuzfeuer der öffentlichen Kritik geraten ist. Die Notenbanker müssen sich vorhalten lassen, dass sie die Hypo 2008 als "not distressed" einstuften. Eine seltsame Einschätzung. Entweder ist eine Bank "financially sound" (gesund) oder "distressed". Nowotny war damals allerdings noch gar nicht an Bord. In ihrer Verteidigungslinie für den U-Ausschuss argumentiert die OeNB, die von der Hypo übermittelten und vom Wirtschaftsprüfer abgesegneten Zahlen hätten nicht die tatsächliche Situation widergespiegelt.

In der langen Nacht der Notverstaatlichung sei man auch nicht in die Verhandlungen mit den Bayern eingebunden gewesen. Dafür waren politisch der damalige ÖVP-Finanzminister Josef Pröll, SPÖ-Staatssekretär Andreas Schieder und Bundeskanzler Werner Faymann verantwortlich.

Wird’s im U-Ausschuss eng, und davon ist auszugehen, könnte Nowotny geopfert werden, um Schieder aus der Schusslinie zu nehmen. Der wird immer wieder für die Nachfolge Michael Häupls und andere Funktionen genannt und soll daher im U-Ausschuss tunlichst nicht angepatzt werden.

Außerdem ist die oberösterreichische SPÖ stinksauer auf den Gouverneur. Der Universitätsprofessor Nowotny (Volkswirtschaftslehre und Finanzwissenschaft) sprang für den ÖGB als Troubleshooter an der Spitze der Bawag ein, als die Gewerkschaftsbank in den Karibikverlusten unterzugehen drohte. Als der Stadt Linz dämmerte, worauf sie sich bei dem unglückseligen Swap-Geschäft mit der Bawag eingelassen hatte, suchte der rote Bürgermeister Franz Dobusch Hilfe bei Nowotny. Dieser erklärte, er könne nicht helfen und empfahl einen Rechtsanwalt. Dobusch fühlte sich brüskiert, immerhin saß Nowotny einst auf einem Ticket der oberösterreichischen SPÖ im Nationalrat.

Die Genossen wollen, hört man, Nowotny etwas Zeit geben. Man lässt ihn noch im Juni 2016 das 200-Jahr-Jubiläum der Nationalbank zelebrieren. Der Gouverneur wäre dann 71. Offizielles Statement von OeNB-Sprecher Christian Gutlederer. "Der Gouverneur ist auf sechs Jahre bis 2019 bestellt. Es ist davon auszugehen, dass er bis zum Ende der Amtsperiode an der Spitze der Nationalbank bleibt."

Entscheiden wird Faymann. Nowotny zählt nach wie vor zu dessen engen Beratern, auch wenn Beobachter meinen, das Verhältnis habe sich in letzter Zeit etwas abgekühlt. Sollte sich der Gouverneur querlegen, kann ihn niemand absetzen. Davor schützt ihn das Nationalbankgesetz. Theoretisch. Nicht anzunehmen, dass der hoch anständige Nowotny bleibt, wenn ihn die Politik nicht will.

Als logische Nachfolgerin wird Gertrude Tumpel-Gugerell favorisiert, Ehefrau von Ex-AK-Chef Herbert Tumpel. Die ehemalige Vize-Gouverneurin der streng proporzmäßig besetzten Notenbank war auch Direktorin der EZB. Bereits 2013 wurde bei der Verlängerung von Nowotny darüber spekuliert, die Amtszeit zwischen beiden zu teilen. Nach dem Vorbild von Wim Duisenberg und Jean Claude Trichet, den beiden ersten Präsidenten der EZB.

Tumpel-Gugerell ist derzeit gut versorgt. Die 62-Jährige sitzt in den Aufsichtsräten des Versicherungskonzerns VIG, der ÖBB und der deutschen Commerzbank. Diese netten Jobs müsste sie aufgeben, sollte sie in die Nationalbank einziehen.

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Jene Notenbanker und Pensionisten, die in billigen Dienstwohnungen logieren, haben derzeit ganz andere Sorgen. Ihnen droht eine Steuernachzahlung. Ausgerechnet als die Finanz heuer zur routinemäßigen Lohnsteuerprüfung anrückte, war der Rechnungshof im Haus. Die Kontrollore nahmen wieder einmal die Privilegien der Währungshüter ins Visier, darunter auch die Dienstwohnungen. Für 2009 bis 2013 errechnete der Rechnungshof eine Differenz zu den Marktmieten von netto 4,2 Millionen Euro. Worauf die Finanz prompt eine Prüfung wegen zu versteuernder Sachbezüge einleitete.Die OeNB gibt zu, eine Änderung der Sachbezugsverordnung "nicht optimal" umgesetzt zu haben. Derzeit sei man mit der Finanz "noch in Diskussion". Die Differenz zu den Marktmieten sei allerdings wesentlich geringer, so um eine Million Euro. An Nettomiete zahlen die Banker 2,25 Euro im Monat, dazu kommen für die meisten noch 1,26 Euro Adaptierungsbeitrag. Der Kategoriemietzins liege auch nur bei 3,43 Euro, hält die Bank dagegen. Viel Glück, um eine Wohnung dieser Miete zu finden. Der FinanzrechtlerWerner Doraltfragt, warum erst der Rechnungshof die Steuerfrage anstoßen musste, und ärgert sich über "Privilegien auf dem Rücken der Steuerzahler". Das Direktorium unter Nowotny stellte 2011 jedenfalls fest, die "Zurverfügungstellung von Wohnraum in großteils besten Lagen zu überaus günstigen Konditionen" sei eine "unzeitgemäße Sozialleistung". Da die Banker die Wohnungen nicht kaufen wollten – warum sollten sie bei diesen Mieten auch, – begann Nowotny mit dem Verkauf der Immobilien. Im Dezember 2014 wechselten fünf Liegenschaften mit 220 Einheiten um insgesamt 48 Millionen Euro den Eigentümer. Vier Gebäude übernahm die Wiener Städtische. Der durchschnittliche Quadratmeter-Preis ist mit knapp 2560 Euro bescheiden. Die Mietverträge der Banker, deren Witwen sich auch noch über die Billigbleiben freuen dürfen, sind nicht antastbar. Das drückt den Verkaufspreis. Heuer will die OeNB die letzten 45 Wohnungen veräußern.