Mitterlehner: "Müssen Nerven behalten"
Die ÖVP hält derzeit in Saalfelden ihre Klubklausur ab. Ein großes Thema ist die aktuelle Wirtschaftsflaute.
KURIER: Herr Minister, das Wirtschaftswachstum in Österreich ist so gut wie null. Wo sehen Sie die Haupt-Ursachen dafür?
Reinhold Mitterlehner: Die Gründe sind die, dass die einzelnen Staaten im EU-Bereich, wo ein Großteil unser Exporte hingeht, ihre Sparprogramme umsetzen. Gerade bei unserem zweitwichtigsten Partner, Italien, merken wir im Export einen Einbruch im ersten Halbjahr um rund 5,7 Prozent. Die Finanzkrise und die dadurch indizierten und notwendigen Sparbemühungen der einzelnen Länder verursachen einen Rückgang der Auftragslage in der Exportindustrie.
Welchen Schluss ziehen Sie aus dieser Analyse? Dass die Sparpolitik in den Krisenländern zu drastisch ist, wie viele kritisieren?
Ganz im Gegenteil. Am Beispiel Österreich sieht man, welcher Trumpf auf den Finanzmärkten es ist, dass man uns unser Sanierungsprogramm glaubt. Daher möchte ich jetzt absolut keine Debatte über ein neues Konjunkturprogramm.
Sie spielen auf den Ruf nach Einführung einer Investitionsprämie an?
Wir haben ein Problem bei den Investitionen, sie sind nahezu zum Stillstand gekommen. Das ist Ausdruck von Unsicherheit und negativer Zukunftserwartung. Wir müssen jetzt einfach die Nerven bewahren. Die Lage ist unangenehm, aber absolut nicht dramatisch. Wir erleben keinen Flächenbrand, sondern durchschreiten eine Talsohle. Alle Experten sagen, dass es 2013 mit der Konjunktur wieder aufwärtsgeht. Wir müssen die Grundlinie halten, dann werden wir die Belohnung dafür bekommen. Ganz wichtig ist auch das Signal, das vom Karlsruher Urteil über den ESM ausgeht. Das schafft Vertrauen.
Ein wichtiger Bereich für die Wettbewerbsfähigkeit ist die Bildung. Da gibt es aktuell wieder schlechte Noten für Österreich von der OECD: Unsere Lehrer arbeiten zu wenig. Sehen Sie das auch so?
Die Prägung in diesem Bereich ist ein wichtiger Faktor, Die Leute müssen neugierig sein, bereit sein, sich ständig weiterzubilden und Affinität zu neuen Technologien und Naturwissenschaften entwickeln.
Ist das jetzt eine Aufforderung an die Lehrer oder an die Schüler?
An die Lehrer, die in der Folge die Schüler prägen.
Das heißt, die Lehrer sollten ein Leistungsvorbild für die Schüler sein?
Durchaus. Klar ist auch: Je höher die Qualität der Ausbildung, umso geringer die Gefahr von Arbeitslosigkeit, und je höher die Bildung, umso besser ist die Wettbewerbsfähigkeit einer Wirtschaft. Auch darum möchte ich jetzt keine staatliche Konjunkturspritze, denn wir brauchen das Geld für den Bildungsbereich.
Der Tiroler Landeshauptmann Günther Platter wirft der Bundespolitik Stillstand im Bildungsbereich vor und macht nun auf eigene Faust eine Gesamtschule. Tirol wird zum flächendeckenden Pilotversuch. Wie gefällt Ihnen denn das?
Mir hätte eine andere Reihenfolge besser gefallen: Dass er – wenn er schon glaubt, das tun zu müssen – zuerst in Tirol ein Pilotprojekt macht, um daraus Vorschläge für den Bund abzuleiten, und nicht mit einer Kritik an der Bundes-ÖVP beginnt.
Jetzt ist Platter für die Gesamtschule, die Bundes-ÖVP dagegen. Wo stehen denn Sie in dieser Frage?
Auf der Seite der Bundes-ÖVP selbstverständlich. Aber der Fall Tirol zeigt, dass es in der Bildungspolitik ambivalente Wege gibt. Es gibt da nicht die eine richtige Linie. Es kann eine gute oder eine schlechte Gesamtschule und ein gutes oder ein schlechtes Gymnasium geben. Es kommt immer auf das Wie an, auf die Qualität der Umsetzung.
Klubchef Kopf: "Rote Schuldenpolitik beißt auf schwarzen Granit"
Mittwochnachmittag, Saalfelden im Pinzgau. Ein Seminarhotel außerhalb der 16.000-Einwohner-Stadt. Draußen Wolken, Regen, Wind, drinnen tagt die ÖVP – und will vermitteln, dass die innerparteiliche Großwetterlage weit besser als kolportiert ist.
Es ist Vorwahlkampf. 2013 ist ein Super-Wahljahr, das eigentlich schon mit der Abstimmung über die Wehrpflicht beginnen – und mit der Nationalratswahl im Herbst enden wird.
Darauf wollten ÖVP-Klubchef Karlheinz Kopf und Parteiobmann Michael Spindelegger gestern ihre Kollegen wohl einstimmen, als sie sich beim Einzug in den Seminarsaal an den Händen fassten – und diese unter Applaus kameragerecht in die Höhe streckten.
Verteidigung für "schwarze Schafe" war gestern, Angriff ist heute angesagt. "Packen wir’s an", forderte Kopf seine "Freunde" am Ende seiner fast einstündigen Rede auf. Zuvor holte zu einem Rundumschlag aus.
"Wir stehen derzeit vor der riesigen Herausforderung, einen wirtschaftlichen Abschwung bewältigen zu müssen." Das seien "die Auswirkungen jahrzehntelanger staatlicher Schuldenpolitik und die Folgen spekulativer Gier."
Kopf geißelt die "rote Schuldenpolitik" in Europa. Und auch in Österreich sind "Rote, Grüne und andere Linke" Adresse für Attacken und Kritik. "Neue Schulden könnt ihr euch mit uns abschminken. Hier beißt ihr auf schwarzen Granit. Bei uns gibt es null Toleranz für alle, die den Steuerzahlern noch stärker in die Taschen greifen wollen." Applaus von den Funktionären. Und weiter geht es in dieser Tonart.
Im roten Wien gebe es 6-mal mehr Mindestsicherungsbezieher als im schwarzen Niederösterreich. Und die Wiener Beamten würden schon mit 57 Jahren in Pension gehen, während sie im Bundesdienst erst mit 61 Jahren in den Ruhestand treten würden. "Das hat mit sozialer Gerechtigkeit nichts zu tun."
Ihr Fett bekamen auch die Grünen für ihre "Bevormundungspolitik ab. Die Botschaft in Sachen FPÖ lautete: "Mag sein, dass die FPÖ-Spitze alle Discos von Favoriten bis Ibiza kennt. Aber Sachkompetenz? Wirtschaftskompetenz? In den FPÖ-Kellern wird wohl vieles zu finden sein – diese Kompetenzen aber nicht."
Auch Stronach kam in Kopfs Rede vor, wenn auch nicht namentlich: Was Österreich nicht brauche "sind Kandidaten, die uns in Österreich etwas über Leistung erzählen wollen und ihr Geld in der Schweiz versteuern".
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