Wirtschaft

Made in Afrika, gelernt in Austria

Shema weiß, was er macht, wenn er in seine Heimat Ruanda zurückkommt: Marmelade. Aus Erdbeeren oder Papaya. "Wir haben viel Obst und Gemüse in Ruanda. Aber es verfault auch viel, weil wir es nicht weiterverarbeiten", erzählt der 35-jährige Afrikaner.

Shema ist mit sieben anderen Männern und Frauen aus Ruanda, Tansania, Uganda und Kenia , die auf Initiative der Oberösterreich-Repräsentanz der Mikrokreditbank Oikocredit für zwei Monate zur Weiterbildung in der Landwirtschaftsschule im oberösterreichischen Schlierbach sind, Praxis bei Bauern inklusive. Eigentlich klingt es seltsam. Afrikanische Kleinstbauern, die mit tropischen Regenfällen oder Dürre zu kämpfen haben und fast alles händisch machen, wollen agrarisches Wissen aus Österreich übernehmen, wo Maschinen die Landwirtschaft dominieren. Doch die acht haben hier viel gefunden, was sie inspiriert. Marmelademachen ist nur eines der Beispiele. "Damit können unsere Bauern ihr karges Einkommen aufbessern", sagt Shema. "Made in Africa" sollte auf vielen landwirtschaftlichen Produkten stehen, beschreibt er seinen Zukunftstraum. Denn viel zu viele Lebensmittel würden derzeit importiert. Und wenn es inländische Produkte gebe, kämen sie aus großen Fabriken. "Bauern erzeugen bei uns nichts", bedauert Schema. Und sie hätten daher auch kaum Geld, um ihre Familie zu ernähren. "Viele Bauern bei uns sehen ihr Leben lang keinen Geldschein."

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Heumachen ist ein anderes Beispiel. Die 30-jährige Hawa aus Tansania ist fasziniert davon. "Bei uns sind die Kühe in der Regenzeit gut ernährt und geben genug Milch. In der Trockenzeit aber gibt es zu wenig Futter, Tiere und Menschen hungern", erzählt sie. Warum die Bauern kein Heu für die trockene Saison vorhalten? Hawa zuckt mit den Schultern: "Aus Tradition vielleicht", mutmaßt sie.

Auch dass Bauern in Österreich selbst Ziegenkäse herstellen, hat Hawa beeindruckt: "Käse kommt bei uns aus der Fabrik, nicht von den Bauern. Und Ziegenkäse haben wir gar nicht." Viele Kleinstbauern, die Ziegen halten, verwenden nur das Fleisch.

Muiruri aus Kenia hingegen ist hingerissen von der Hasenzucht des Bauern, bei dem er kurz mitarbeiten durfte. Das will er zu Hause versuchen. "Kaninchen kann man essen und auch das Fell verwerten. Das bringt gutes Geld ein", hofft er.

Die in Oberösterreich gesammelten Ideen und neuen Erfahrungen werden die acht Afrikanerinnen und Arfikaner in ihrer Heimat umsetzen. Oikocredit wird die Projekte mit Mikrokrediten finanzieren und unterstützend begleiten.

Initiiert hat das Ausbildungsprojekt Viktor Leutgeb, der in Oberösterreich für die Mikrokreditbank Oikocredit arbeitet. "Vor drei Jahren hatte ich die Idee dazu. Unsere landwirtschaftlichen Schulen bieten vieles an, nicht nur Wissen über Ackerbau und Viehzucht. Auch Hauswirtschaft und Mechanik", sagt er. Lehrer Josef Preundler hat einen speziellen Lehrplan für die Afrikaner entwickelt, das Land Oberösterreich finanziert den Aufenthalt und den Unterricht. Dazu konnten noch einige private Sponsoren gewonnen werden.

Damit sie zur Ausbildung nach Österreich eingeladen wurden, mussten die Afrikaner und Afrikanerinnen daher bei den lokalen Oikocredit-Büros ihre Projektideen vorstellen, aus denen Mitarbeiter der Mikrokreditbank die spannendsten ausgewählt haben.

Mit Kleinstfinanzierungen haben alle Teilnehmer des Kurses in ihren Ländern schon Erfahrung. "Das klappt gut bei uns", sagt Hawa. Mit Abstand die meisten Kleinkredite würden in Afrika an Frauen vergeben. "Man kann ihnen vertrauen. Die Männer nehmen das Geld und laufen davon. Man findet sie oft nicht mehr", begründet Hawa die Bevorzugung der Frauen.

Und was hat ihr in Österreich am besten gefallen? "Dass uns die Menschen so freundlich aufgenommen haben", sagt sie. "In Tansania denken wir, der weiße Mann sei grimmig und denke nur an sich. Wir aber haben hier viel Hilfsbereitschaft erlebt."

Die niederländische Bank und Entwicklungsgenossenschaft Oikocredit vergibt seit 40 Jahren Mikrokredite an die Ärmsten der Welt. Mit diesen – oft nur 50 bis 100 Dollar – Mini-Summen können Menschen, die keinen Zugang zu Bankkrediten haben, die Basis für selbstständiges Einkommen legen: etwa Nähmaschinen kaufen, eine öffentliche Kochstelle einrichten und ähnliches. 1990 wurde das Österreich-Büro von Oikocredit gegründet. Mehr als 4000 Anleger haben bisher Kapital einbezahlt, das fix zu zwei Prozent pro Jahr verzinst wird.