Wirtschaft

Mieter müssen für längst abbezahlte Kredite blechen

Der Rechnungshof sieht Reformbedarf. Die unter dem Namen Genossenschaften bekannten gemeinnützigen Bauträger erzielen "erhebliche Gewinne", heißt es in einer Ende 2015 veröffentlichten Stellungnahme. Diese Gewinne kommen aber "nicht den Mietern zugute".

Es geht dabei um beträchtliche Summen. Der Aufstand der Mieter der Gemeinnützigen ist bisher allerdings ausgeblieben. Dafür gibt es einen einfachen Grund. Das System ist so angelegt, dass es den Mietern im geförderten Wohnbau nicht auffällt, dass sie viele Jahre zu viel bezahlen.

Für neue geförderte Wohnungen von gemeinnützigen Bauträgern wird in den ersten Jahren keine Miete eingehoben. Was als Miete deklariert wird, sind die Rückzahlungsraten für die Kredite, die zum Kauf des Grundstücks und für den Bau des Hauses aufgenommen wurden.

Ausbezahlt

Die Rückzahlungsraten für geförderte Mietwohnungen betragen in Wien derzeit zwischen sieben und acht Euro/m². Für 80 m² fallen also monatlich rund 600 Euro an. Nach etwa 20 Jahren sind die Kredite zurückgezahlt. Für ausbezahlte Wohnungen dürfen von den gemeinnützigen Bauträgern nur 3,44 Euro/m² verlangt werden.

Doch die Gemeinnützigen verrechnen etwa fünfzehn Jahre lang weiterhin die deutlich höheren Rückzahlungsraten für die Kredite. Den Mietern fällt das nicht auf, weil sie nicht darüber informiert werden, dass die Kredite längst zurückgezahlt wurden. Sie zahlen also im Laufe der Jahre für eine 80-m²-Wohnung zwischen 55.000 und 60.000 Euro zu viel.

Das ist legal, weil es im Gesetz so vorgesehen ist. Der Fachbegriff dafür lautet Auslaufannuitäten.

Lediglich beim Steuerausgleich fällt es auf, dass sich etwas geändert hat. Solange die Kredite zurückgezahlt wurden, konnten die Rückzahlungsraten unter dem Titel Wohnraumschaffung beim jährlichen Steuerausgleich geltend gemacht werden. Bei den Auslaufannuitäten geht das nicht mehr.

Zurückgezahlt

Diese Regelung läuft darauf hinaus, dass die Mieter von gemeinnützigen Bauträgern einen beträchtlichen Teil der Wohnbauförderung über die zu hohen Mieten zurückzahlen müssen. Wohnbauförderung gibt es natürlich auch für Eigenheime und Eigentumswohnungen. Doch weder von den Besitzern von Eigenheimen noch von den Käufern von Eigentumswohnungen wird ein Teil der Förderung zurückverlangt.

SPÖ und ÖVP haben bereits mehrmals klargestellt, dass sie die Benachteiligung von Mietern der gemeinnützigen Bauträger beibehalten wollen. Die FPÖ hatte im Sommer 2015 die Abschaffung der Auslaufannuitäten verlangt. Die Tageszeitung Die Presse hatte damals im Büro von SPÖ-Wohnbausprecherin Ruth Becher nachgefragt. Die Auslaufannuitäten seien eine "gute Sache", lautete die Antwort. Das Geld werde schließlich nur für die Sanierung und den Neubau von Wohnungen verwendet.

Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Mit den Auslaufannuitäten stocken die gemeinnützigen Bauträger ihre Eigenmittel auf. Diese Regelung ist unabhängig von der aktuellen Bauleistung. Auch wenn nichts neu gebaut wird, werden Auslaufannuitäten eingehoben.

Außerdem zahlen die gemeinnützigen Bauträger ihren Mitarbeitern bisweilen üppige Gehälter. Die drei Vorstände der Sozialbau etwa haben zusammen zeitweise mehr als eine Million Euro im Jahr verdient.

Draufgezahlt

Dabei beteiligen sich die Mieter, bevor sie einziehen, ohnehin an den Kosten für das Grundstück und das Gebäude. In Wien geht es in um Summen von 400 bis 500 Euro/m². Das ergibt für eine neue 80 m² große Wohnung einen Betrag von rund 36.000 Euro. Früher wurde diese Summe mit einem Index aufgewertet und an die Mieter ausbezahlt, wenn sie aus der Wohnung ausgezogen sind.

Seit etwa fünfzehn Jahren wird der Beitrag der Mieter jedes Jahr um ein Prozent abgewertet. Bei einer durchschnittlichen Inflationsrate von rund zwei Prozent bleibt nach 30 Jahren nicht mehr viel von dem Geld übrig.

Der Rechnungshof kritisiert bei den Gemeinnützigen mangelnde Transparenz und Kontrolllücken. Denn die gemeinnützigen Bauträger kontrollieren sich selbst. Die Prüfberichte werden von der verbandseigenen Kontrollstelle, dem Revisionsverband, erstellt. Die Berichte "unterliegen nicht dem Transparenzprinzip", lautet die Kritik des Rechnungshofes. Nur 12 Prozent der gemeinnützigen Bauträger dürfen vom Rechnungshof kontrolliert werden. Dazu kommen "Kontrolllücken".

Kann die Miete deutlich steigen?
Ja. Je höher das Zinsniveau, desto höher die Rückzahlungen für die Kredite. Derzeit ist das Zinsniveau im Keller. Aber das wird nicht immer so bleiben. Außerdem gibt es Fördermodelle, die nicht die gesamte Laufzeit der Kredite abdecken. Dann steigt die Rückzahlungsrate an. Es macht daher Sinn, sich beim Bauträger genau über die Rahmenbedingungen zu informieren.

Sind weitere Kostensteigerungen möglich?
Ja. Nach 20 Jahren nutzen die gemeinnützigen Bauträger die gesetzliche Möglichkeit, den Erhaltungsbeitrag für Sanierungsarbeiten von 0,43 Euro/ auf 1,71 Euro/ anzuheben. Das bedeutet bei einer Wohnungsgröße von 80 eine zusätzliche Belastung von monatlich knapp über 100 Euro.

Haben die Mieter mehr Rechte als beim privaten Hausherrn?
Nein. Der größte Teil der Wohnungen der gemeinnützigen Bauträger gehören einer Aktiengesellschaft oder einer GesmbH. Nur wenige gehören Genossenschaften, bei denen die Mieter auch mitreden können.

Funktioniert die Verwaltung im Interesse der Mieter?
Bisweilen müssen die Mieter mit Klage drohen oder klagen, um zu ihrem Recht zu kommen. Auch wenn der Bauträger den Prozess verliert, gibt es keine Sanktionen. Die Gemeinnützigen haben die Arbeiten für die Hausbetreuung an Tochterunternehmen vergeben, die oft teurer sind als private Konkurrenten. Es kommt vor, dass die Gemeinnützigen den Mietern zu teure Kredite weiter verrechnen, was zu deutlichen Mehrkosten führt.

Warum wird nicht strenger kontrolliert?
Der gemeinnützige Wohnbau ist einer jener Bereiche, wo SPÖ und ÖVP noch weitgehend ungestört schalten und walten können. Das gilt für die Vergabe von Jobs, die Auftragsvergabe für Sanierungen oder Planungsarbeiten ohne Ausschreibung sowie die Wohnungsvergabe.

Macht es Sinn, Wohnungen von Gemeinnützigen zu kaufen?
Nein. Wer Eigentum erwerben will, kauft besser eine Eigentumswohnung.