Wirtschaft

Die "Wahrheiten" des Rudolf Kemler

Immer klarer kristallisiert sich heraus, welch übles Spiel um den vorzeitigen Abgang von Noch-OMV-Chef Gerhard Roiss gelaufen ist. Das belegen jetzt Informationen, die der KURIER aus Eigentümerkreisen erhielt.

Der KURIER berichtete Ende Februar ausführlich über eine anonyme "Sachverhaltswürdigung" mit schweren Korruptions-Vorwürfen gegen Roiss. Das Papier, das vermutlich von einem Belegschaftsvertreter verfasst wurde, war mit MH 17 unterzeichnet. Der Flugnummer jener Malaysia-Boeing, die im Juli 2014 über der Ukraine abgeschossen wurde.

OMV-Aufsichtsratschef Rudolf Kemler, als Übergangschef der neuen Staatsholding ÖBIB ebenfalls mit vorzeitigem Ablaufdatum versehen, soll Roiss mit den Vorwürfen unter Druck gesetzt haben und leitete Untersuchungen ein. Das Ergebnis: Alle Vorwürfe waren völlig haltlos.

Stimmt alles nicht, erklärte Kemler daraufhin. Die anonyme Anzeige habe er erst am 23. Oktober 2014 erhalten. Die Aufsichtsratssitzung, in der sich das Gremium mit Roiss über dessen vorzeitige Vertragsauflösung (Ende Juni 2015) einigte, fand am 14. Oktober statt.

Also konnte Kemler Roiss mit dem MH-17-Papier vom Zeitablauf her gar nicht unter Druck setzen.

Tatsächlich nicht?

Aus Eigentümerkreisen ist jetzt zu hören, dass der Anwalt von Roiss (Kanzlei Burgstaller & Preyer) in einem Brief an seinen Mandanten auf das Dementi von Kemler reagierte. Das Schreiben liegt mittlerweile auch den OMV-Aufsichtsräten vor.

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Der Inhalt ist brisant. Der Roiss-Anwalt sei bereits am 10. Oktober (!) vom Rechtsvertreter der ÖIAG kontaktiert worden. Zunächst telefonisch. Mit der Information, Kemler sei an diesem Tag ein vertrauliches Dokument zugespielt worden. Über einen Korruptionsverdacht, der sogar die gesamte OMV bedrohen könnte.

Er habe, argumentiert der Roiss-Anwalt, noch am selben Tag bei einem persönlichen Treffen mit dem ÖIAG-Anwalt in eine Kopie des Dokuments einsehen können, es aber trotz seiner Bitte nicht ausgehändigt bekommen. Dabei handelte es sich um das MH-17-Papier.

Also was jetzt?

Kemler dementiert gegenüber dem KURIER neuerlich: "Die Darstellung in besagtem Schreiben ist falsch und der erneute Versuch, durch In-die-Öffentlichkeit-Spielen von irgendwelchen Dokumenten gezielt Einfluss auf die Entscheidung eines unabhängigen Gremiums (gemeint ist der OMV-Aufsichtsrat, Anmerkung) zu nehmen."

Faktum sei vielmehr, dass er die Unterlagen mit den für die internen Untersuchungen neuen und bis dahin unbekannten Sachverhalten, wie bereits mehrfach bekräftigt, erst am 23. Oktober erhalten habe. Das Schreiben des Roiss-Anwalts beziehe sich auf Informationen, die bereits mehrfach untersucht worden seien, auch von der Staatsanwaltschaft, und bereits 2011 an den Aufsichtsrat berichtet wurden. Schon allein deshalb könnten sie nicht als Druckmittel verwendet worden sein.

Damals ging es um Schmiergeldvorwürfe in Zusammenhang mit dem Kauf der rumänischen Petrom. OMV-Chef war damals übrigens Wolfgang Ruttenstorfer.Weder er noch irgendeiner seiner Berater hätten Druck auf Roiss ausgeübt, beteuert Kemler nochmals.

Wer sagt die Wahrheit?

Sehr seltsam ist, dass der MH-17-Brief keinen Eingangsstempel der ÖIAG trägt und es kein Kuvert gibt. Eine derartige Nachlässigkeit ist in einem ordentlich geführten Unternehmen schwer vorstellbar – geschweige denn in einer Holding im Eigentum der Republik Österreich. Kemler kann daher nicht beweisen, wann er das besagte Dokument tatsächlich erhielt. Womit Aussage gegen Aussage steht.

Kritische Beobachter fragen zu Recht, ob Kemler am Freitag überhaupt noch die entscheidende Aufsichtsratssitzung leiten soll, bei der der Nachfolger von Roiss bestellt werden soll. Kemler tritt erst mit der OMV-Hauptversammlung am 19. Mai ab.