Manpower-Chef: "Arbeitsmarkt ist kein Wasserglas"
Von Anita Staudacher
KURIER: Die Lage am Arbeitsmarkt ist düster. Wer sucht überhaupt noch Arbeitskräfte?
Erich Pichorner: Der Manpower-Beschäftigungsausblick für das erste Quartal 2015 ist leicht positiv. Im Handel, im öffentlichen Dienst sowie im Bereich Verkehr und Telekommunikation wird weiter Personal gesucht. Und auch in der Sachgüterproduktion.
Das klingt paradox. Gerade in der Industrie und bei Arbeitskräfteüberlassern steigt die Arbeitslosigkeit derzeit überdurchschnittlich ...
Ja, es gibt eine Arbeitsmarktparadoxie. Die Arbeitslosigkeit steigt, die Wirtschaft stagniert, aber das ändert nichts daran, dass wir ein strukturelles Problem am Arbeitsmarkt haben. Es werden nach wie vor Fachkräfte gesucht, die schwer am Arbeitsmarkt zu finden sind.
Welche Qualifikationen sind das hauptsächlich?
Beispielsweise der Finanzbereich, also Buchhaltung und Controlling. Es ist fast unmöglich, gute Lohnverrechner zu finden. Bei den Arbeitern ist es der klassische Facharbeiter.
Am schwierigsten haben es über 50-Jährige. Viele sagen, uns nehmen nicht einmal mehr Zeitarbeitsfirmen. Stimmt das?
Wenn wir einen Beschäftiger finden, wo sie längerfristig bleiben können, nehmen wir sie schon. Es gibt aus meiner Sicht drei Probleme: Erstens gibt es einfach immer mehr 50-Jährige, daher auch mehr Arbeitslose. Zweitens wird es für Firmen sehr sehr teuer, wenn sie über 50-Jährige kündigen wollen. Unter drei Brutto-Monatsgehälter läuft da gar nichts mehr. Und drittens ist leider die Flexibilität und Bereitschaft zur Weiterbildung oft sehr gering ausgeprägt. Berufserfahrung allein zählt nicht mehr, vor allem wenn es jüngere Konkurrenz gibt, die günstiger ist.
Schafft ein Bonus-Malus-System für Betriebe (wer zu wenige Ältere beschäftigt, soll Strafe zahlen, Anm.) hier Abhilfe?
Das glaube ich nicht. Wir würden wie andere Betriebe sicher Strafe zahlen. Wenn die Lage am Arbeitsmarkt ohnehin schwierig ist, werden sicher nicht mehr Ältere oder gesundheitlich Beeinträchtigte eingestellt. Der Arbeitsmarkt ist ja kein Wasserglas, in den man einfach etwas hinein leert – und schon ändert sich etwas. Zu behaupten, Förderungen oder gelockerter Kündigungsschutz lösen das Arbeitslosen-Problem, ist unseriös. Es gibt kein Patentrezept.
Die Altersarbeitslosigkeit wird also weiter steigen?
Die Altersarbeitslosigkeit wird zwar kurzfristig zunehmen, aber langfristig abnehmen. Die Demografie wird uns einfach dazu zwingen, Ältere zu beschäftigen. Auf die Zuwanderung dürfen wir uns da nicht verlassen.
Das AMS spart bei der Eingliederungsbeihilfe, was vor allem Zeitarbeitsfirmen trifft. Was sind die Folgen?
Wir bringen auch gering qualifizierte Arbeitslose in Beschäftigung. Werden hier die Mittel gekürzt, steigt die Arbeitslosigkeit in der größten Problemgruppe. Es sucht nicht jeder eine fixe Stelle, es gibt eine Riesendynamik am Arbeitsmarkt. Unsere Rolle am Arbeitsmarkt wird daher immer wichtiger, ob man das jetzt will oder nicht.
Kritiker behaupten, es wird nur vermittelt, wenn bzw. so lange es AMS-Förderungen gibt?
Natürlich hilft es, wenn jemand förderbar ist. Die Förderungen sind aber personenbezogen. Warum sollen wir keine Förderung bekommen, wenn alle anderen Firmen auch eine bekommen? Wir sind die größten AMS-Kunden und würden uns wünschen, wenn uns die öffentliche Hand mehr als Partner denn als Feind betrachtet.
Das Lohn- und Sozialdumpinggesetz wurde kürzlich verschärft. Zufrieden?
Wir befürchten, dass es die Falschen trifft. Inländische Firmen werden jetzt schon wegen kleinerer Vergehen hart bestraft, weil man sie leichter erwischt, während polnische Scheinselbstständige nach wie vor nicht greifbar sind. Denen können Sie 20 Rechnungen nach Polen schicken.
Wird die Konkurrenz durch ausländische Überlasser stärker?
Aus unserer Sicht schon. Die Stundensätze dieser Firmen liegen oft dort, wo die Stundenlöhne sein sollten. Die Arbeitnehmer fahren über die Grenze und verschwinden am Abend wieder. Um das zu kontrollieren, müssten wir Tausende Fahnder haben. Uns ist es daher nur recht, wenn mehr geprüft wird.
Die Löhne der rund 80.000 Beschäftigten in der heimischen Zeitarbeitsbranche werden ab 1. Jänner um durchschnittlich zwei Prozent angehoben. Darauf einigten sich Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter. Der KV-Mindestlohn wird auf knapp 1500 Euro angehoben.
SozialnetzEin brancheneigener Sozial- und Weiterbildungsfonds unterstützt Leiharbeiter in der „Stehzeit“, etwa mit Bildungsmaßnahmen wie Nachholen des Lehrabschlusses. Bei plötzlicher Arbeitslosigkeit wird das Arbeitslosengeld einmalig um 200 Euro aufgestockt.
ManpowerErich Pichorner ist seit 2007 Österreich-Geschäftsführer des US-Zeitarbeitsriesen Manpower. Das Unternehmen beschäftigt an 16 Standorten 180 Mitarbeiter und 3200 überlassene Arbeitskräfte. Pichorner ist Bundesvorsitzender der Personaldienstleister in der WKO.