Unternehmen "knebeln" freie Mitarbeiter
Von Anita Staudacher
Möglichst mobil, quasi jederzeit verfügbar und flexibel einsetzbar sollte die freie Mitarbeiterin sein. Nur frei war sie ganz und gar nicht.
Um sich ihr Studium zu finanzieren, arbeitete eine Wienerin als freie Dienstnehmerin für eine Promotion-Agentur und bewarb Kaffeemaschinen in einer Elektronikkette. Vertraglich wurde ihr untersagt, nach Beendigung des Dienstverhältnisses für eine andere Agentur zu arbeiten. Als sie dies jedoch zwei Mal tat, wurde sie prompt auf Unterlassung und Schadenersatz geklagt.
Die Konkurrenzklausel in ihrem Dienstvertrag sah eine Pönale von 10.000 Euro (!) für jeden Verstoß vor, obwohl sie als freie Mitarbeiterin nur 300 bis 400 Euro im Monat verdiente. Die Studentin wehrte sich mit Hilfe der Arbeiterkammer (AK) erfolgreich gegen die Klage, die letztlich vom Gericht auch abgewiesen wurde.
Für AK-Rechtsexpertin Karmen Riedl ist der Fall ein krasses Beispiel dafür, dass Firmen bei der vertraglichen Knebelung ihrer Mitarbeiter immer dreister werden. "Dass Unternehmen sogar ihren freien Mitarbeitern Konkurrenzklauseln verpassen und nicht davor zurückschrecken, sie deshalb zu klagen, ist unerhört", meint Riedl und hält solche Verträge für sittenwidrig. Es dürfe nicht sein, dass Arbeitgeber maximale Flexibilität verlangen und nicht einmal einen regulären Arbeitsvertrag hergeben, dafür die Beschäftigten aber mit unfairen Klauseln knebeln. Die Verunsicherung bei den Arbeitnehmern sei groß, zumal oft erst ein Gerichtsverfahren endgültige Gewissheit schaffe, ob die Regelung rechtens war oder nicht.
Wie Konkurrenzklauseln um sich greifen, zeigt eine Erhebung der FH Wiener Neustadt im Auftrag der AK. Demnach hat schon jeder dritte Arbeitnehmer diese eigentlich für Führungskräfte gedachte Klausel in seinem Dienstvertrag, in Betrieben ohne Betriebsrat sogar 42 Prozent. Darunter seien immer häufiger auch geringfügig Beschäftigte und freie Dienstnehmer. Besonders betroffen ist die IT- und Medienbranche, Banken und Versicherungen sowie der Handel.
Pflegerinnen
Auch neue Selbstständige, die auf Werkvertragsbasis arbeiten, sind vor Knebelverträgen nicht gefeit. So werden etwa selbstständige Pflegerinnen aus der Slowakei oder Rumänien oft mit ungebührlich hohen Pönalen bedroht, wenn sie für eine andere Vermittlungsagentur oder auf eigene Faust tätig werden wollen. Die Gefahr für die Agentur, dass die Pflegerin vor Gericht zieht, ist gering.
Vertragsrechtlich sind Konkurrenzklauseln samt entsprechenden Pönalen bei Nichteinhaltung zwar grundsätzlich erlaubt, für Arbeitnehmer gab es aber bereits 2006 wichtige gesetzliche Einschränkungen, die laut AK von vielen Unternehmen aber nach wie vor schlicht ignoriert würden. Zulässig ist seither eine Konkurrenzklausel erst ab einem Monatsgehalt von mehr als 2200 Euro brutto, wenn man 14 Monatsgehälter pro Jahr erhält. Wenn das Letztgehalt unter diesem Betrag ist, gilt die Konkurrenzklausel nicht. Das Gesetz erlaubt Konkurrenzklauseln höchstens bis zu einem Jahr nach Beendigung des Dienstverhältnisses und verbietet Einschränkungen, die praktisch ein Berufsverbot bedeuten. Ferner wird die Klausel nur bei Arbeitnehmerkündigung, berechtigter Entlassung oder unberechtigtem vorzeitigen Austritt schlagend (Details siehe links unten).
Einschränkung
Um die Inflation von Knebelverträgen einzudämmen, sollen bis 2018 die Bedingungen weiter verschärft werden und für "mehr gegenseitige Fairness im Arbeitsverhältnis sorgen", wie es im Regierungsprogramm heißt. Die Arbeiterkammer will die Klauseln zwar gänzlich abschaffen, kommt damit aber nicht durch. Sie pocht daher auf eine Anhebung der Gehaltsgrenze auf zumindest 3000 Euro und eine Begrenzung der Pönale auf maximal sechs Monatsgehälter.
Die Wirtschaftskammer (WKÖ) verteidigt die Konkurrenzregelung als wichtigen Schutz für die Betriebe. Das Arbeitsrecht biete ohnehin nur wenig Spielraum. Wenn jemand mit den gesamten Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen zur Konkurrenz wechselt, könne das den Ruin bedeuten. "Das müssen wir machen, sonst geht jemand mit seiner ganzen Putzpartie weg und nimmt die Kundenliste gleich mit", sagt etwa Gerhard Komarek, Branchenvertreter der Gebäudereiniger in Wien. Zumindest beim Strafausmaß zeichnet sich ein Kompromiss ab.
Inhalt
Eine Konkurrenzklausel im Dienstvertrag untersagt während (Konkurrenzverbot) oder nach dem Arbeitsverhältnis für eine bestimmte Zeit die Tätigkeit bei einem Mitbewerber in der Branche. Die Nicht-Einhaltung sieht Strafen vor, die in der Regel zwischen drei und sechs Monatsgehältern liegen. Das Gericht kann die Strafhöhe mäßigen.
Gültigkeit
Die Klausel gilt höchstens bis zu einem Jahr nach Selbstkündigung oder Entlassung und verbietet Beschränkungen, die einem Berufsverbot ähneln. Sie ist erst zulässig ab einem Monatsverdienst von 2200 Euro brutto (15-fache der täglichen Höchstbeitragsgrundlage, Stand 2014). Strafen dürfen nicht existenzbedrohend sein (OGH-Urteil).