Knebelverträge müssen gelockert werden
Von Anita Staudacher
Eigentlich wollte Bernd Arthofer, Kundenakquisiteur bei einer Zeitarbeitsfirma, nur eine kleine Gehaltserhöhung. Er hatte vor, eine Familie zu gründen. Der Chef erteilte dem Begehren eine rüde Absage und meinte, er könne sich ja einen anderen Job suchen. Arthofer folgte dem Rat, kündigte und suchte eine besser bezahlte Stelle in derselben Branche, jedoch in einer anderen Funktion im Innendienst.
Die Klage seines Ex-Arbeitgebers ließ nicht lange auf sich warten. Weil Arthofer zu einem Mitbewerber gewechselt war und angeblich einen Kunden abgeworben habe, berief man sich auf die Konkurrenzklausel und forderte mehr als ein ganzes Jahresgehalt – in Summe rund 40.000 Euro – als Pönale zurück. "Ich fiel aus allen Wolken, das hätte ich doch nie bezahlen können", erzählt Arthofer dem KURIER. Von der Klausel habe er zwar gewusst, "aber ich bin doch in einen völlig anderen Bereich gewechselt".
Rechtsstreit
Mithilfe der Arbeiterkammer (AK) wehrte sich Arthofer gegen diese ungebührlich hohe Strafe. Vor Kurzem entschied der Oberste Gerichtshof (OGH) in der Causa. Er setzte die Strafzahlung auf rund 3000 Euro herab. Die Begründung ist für andere, ähnlich gelagerte Fälle durchaus richtungsweisend:
Die Höhe sei angemessen, da Arthofers ehemaliger Firma trotz anderslautender Angaben keinerlei Schaden entstanden sei und die Strafen außerdem so bemessen sein müssen, dass sie die betroffenen Arbeitnehmer finanziell nicht unangemessen beeinträchtigen.
AK-Arbeitsrechtsexpertin Karmen Riedl freut sich über die Klarstellung des Höchstgerichts. "Wir haben sehr viele solcher Fälle, Konkurrenzklauseln sind ja schon fast Standard in Dienstverträgen", klagt sie.
Solche Klauseln verbieten Arbeitnehmern bis zu einem Jahr nach Beendigung des Dienstverhältnisses in der Branche ihres ehemaligen Arbeitgebers tätig zu sein. Ursprünglich nur für Führungskräfte gedacht, ist laut AK-Erhebung schon jeder dritte Arbeitnehmer mit Konkurrenzklauseln konfrontiert.
Darunter sind immer häufiger auch geringfügig Beschäftigte und freie Dienstnehmer. Besonders betroffen ist die IT- und Medienbranche, Banken und Versicherungen sowie der Handel. "Auch bei Arbeitern finden wir solche Klauseln", erzählt Riedl. Für die Wirtschaftskammer sind sie ein wichtiger Schutz für Betriebe. Mitarbeiter seien heute nicht mehr so loyal wie früher, heißt es. Wenn jemand mit Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen zur Konkurrenz wechsle, könne das für Firmen den Ruin bedeuten.
Gesetzesänderung
Weil es ob der rasanten Verbreitung immer wieder zu Rechtsstreitereien kommt, sagt nun auch der Gesetzgeber den Knebelverträgen den Kampf an. Im Zuge des Arbeitsrechtspakets (siehe Artikel unten) treten schon ab Jänner einige Änderungen in Kraft. So darf es Konkurrenzklauseln nur noch für Arbeitnehmer mit einem Brutto-Monatsentgelt von mehr als 3240 Euro geben. Bisher lag die Grenze bei 2635 Euro.
Die Klausel muss extra vereinbart sein und darf so wie bisher maximal ein Jahr nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses wirken. Um ungebührlich hohe Pönalen wie im Fall Arthofer zu verhindern, wird die Höchststrafe mit sechs Netto-Monatsentgelten begrenzt. Bisher hat es diesbezüglich keine definierte Obergrenze gegeben. Wermutstropfen: Die Neuregelung gilt nicht für Altverträge. Das OGH-Urteil zeigt jedoch deutlich, dass Arbeitnehmer nicht jede vertragliche Knebelung hinnehmen müssen.
Der große Wurf im Arbeitsrecht blieb aus. Neben den Einschränkungen bei den Konkurrenzklauseln treten mit Jahreswechsel jedoch einige weitere, kleine Änderungen für Arbeitnehmer in Kraft. Ein Überblick:
All-inklusiv-Verträge Schon jeder fünfte Arbeitnehmer hat einen „All-in-Vertrag“: Zum fixen Grundgehalt zahlt das Unternehmen einen pauschalierten Überstundenzuschlag. Für die Arbeitnehmer ist nicht immer transparent, wie viele Überstunden durch die Pauschale abgedeckt sind. Künftig muss daher das genaue Grundgehalt am Dienstzettel angegeben werden. Der bloße Hinweis auf den jeweiligen Kollektivvertrag reicht nicht.
Ausbildungsklausel Finanziert der Arbeitgeber die Ausbildung eines Arbeitnehmers, darf er die Ausbildungskosten zurückverlangen, wenn der Dienstnehmer innerhalb von vier Jahren kündigt. Bisher lag die Rückforderungsfrist bei fünf Jahren. Der Betrag muss auf Monatsbeträge aufgeteilt werden. Ferner müssen Unternehmen ihre Teilzeitbeschäftigten künftig informieren, wenn eine Vollzeitstelle ausgeschrieben wird.
Arbeitszeit Zumindest in einigen Teilbereichen darf flexibler gearbeitet werden. Die tägliche Höchstarbeitszeit von zehn Stunden darf bei Montagearbeiten um bis zu zwei Stunden überschritten werden. Aber nur, wenn es sich um eine aktive Reisezeit handelt, also ein Fahrzeug auf Anordnung des Dienstgebers gelenkt wird. Lehrlinge über 16 Jahre dürfen durch die Anpassungen zudem bis zu zehn Stunden täglich arbeiten, wenn Fahrzeiten anfallen. Im Tourismus wird eine Verkürzung der täglichen Ruhezeit auf bis zu acht Stunden ermöglicht, wenn die Verkürzungen während der Saison bzw. unmittelbar danach ausgeglichen werden.
Elternteilzeit/-karenz Künftig muss für Elternteilzeit die Arbeit um mindestens 20 Prozent reduziert werden, die Mindestarbeitszeit wird mit zwölf Stunden pro Woche festgelegt. Neuerungen gibt es auch bei der Karenz. Ab 2016 können auch Frauen, deren eingetragene Partnerin oder Lebensgefährtin durch medizinisch unterstützte Fortpflanzung ein Kind bekommt, Karenz in Anspruch nehmen. Insgesamt gibt es mehr Flexibilität bei der Elternkarenz.